
Zuckerwatte zum Frühstück: Das ETF schreibt schon am ersten Tag kuriose Geschichten




Als um kurz nach 16 Uhr alles perfekt ist, das Licht, die Location, der Hintergrund, sind die Aargauer Turnerinnen und Turner bereits fertig mit ihrem Wettkampf auf der Sportanlage Suhrenmatte in Buchs.
Einzig das perfekte Bild zur Geschichte will also nicht gelingen an diesem ersten Tag am Eidgenössischen Turnfest, an dem wir uns vorgenommen haben, alle Wettkampfstätten zu besuchen und die Aargauer Turnerinnen und Turner im Einsatz zu sehen.
Und sind wir ehrlich: Das perfekte Bild fehlt nur dem Profi. Für alle anderen ist es eine bildgewaltige Reise, die gespickt ist mit spannenden Begegnungen und tollen Geschichten. Kommen Sie mit.
«Sie sollen den Wettkampf vor allem geniessen»
Los geht es bereits früh am Morgen. Die ersten Turnerinnen und Turner, die oft hungrig von der Anreise in Aarau eintreffen, haben erst einmal Pech. Ein Frühstück im Schachen? Gibt es nicht. Einzig der Zuckerwatteverkäufer hat bereits geöffnet. Nicht unbedingt das, was vor sportlicher Betätigung sinnvoll ist.
Die Mädchen der Geräteturn-Riege Aarau stört das kulinarische Angebot nicht. Ihre Anreise war kurz. Statt zu frühstücken, eröffnen sie sportlich das Fest. Sie tun dies mit einem lauten, gemeinsamen «Staaaah» am Ende jeder Übung. Der sichere Stand ist im Turnen hoch bewertet, entsprechend laut ist die Aufforderung, es zu tun. Und alle folgen.
«Für meine Turnerinnen ist es das erste Eidgenössische», sagt Leiterin Sandra Boss. Nur alle sechs Jahre wird in diesen Dimensionen geturnt. Letztmals 2013 in Biel. «Darum habe ich ihnen auf den Weg gegeben, sie sollen den Wettkampf vor allem geniessen», sagt Boss.
Weit weg von den Kameras
Am Eidgenössischen wird vieles genossen. Auch das Leben neben dem Sportplatz. Den Ehrgeiz im Wettkampf schmälert das nicht. Nur schmerzt ein vierter Rang eine Spur weniger als an einer Schweizer Meisterschaft, wo nur der Sport im Fokus steht. Das sagt auch Tamara Gygli vom STV Möriken-Wildegg, im Trampolin Synchron mit Silvina Hufschmid auf ebendiesem sonst so unbeliebten Rang klassiert. «An einem Eidgenössischen geht man lockerer an den Start.» Die sportliche Relevanz ist tief.
Wir sind auf unserer Reise in der Kunsteisbahn Aarau angelangt. Zuvor waren wir kurz im Schachen, wo Remo Murer, 40 Jahre alt und einziger Mann im Einzel-Feld Gymnastik, zwar die Objektive der Kameras auf sich zog, damit aber manch anderer die Show stahl.
In der «KEBA» stiehlt niemand die Show. Die Fernsehkameras sind weit weg. Wo im Winter Eishockey gespielt wird, stehen nun Trampoline. Nur die Banden und Plexiglasscheiben verraten, dass hier normalerweise ein Eisfeld ist. Ein Eidgenössisches Turnfest braucht viele Wettkampfstätten. Sie sind darum manchmal an für Turner untypischen Orten.
Mit viel Humor
Wie zum Beispiel die Speerwurfanlage der Zehnkämpfer. Direkt vor dem Berufsschulhaus in der Telli, inmitten von Bäumen, befindet sich auf einer runden Wiese die Landezone. Das führt zu kuriosen Szenen. Ganz am rechten Rand, aber noch im erlaubten Wurfbereich, steht ein kleiner Baum.
Landet ein Speer weit rechts, führt die Messschnur eigentlich durch den Stamm. Doch die Zehnkämpfer nehmen es mit Humor. Sie haben manchmal ganz andre Probleme. Zum Beispiel Lukas Fischer und Linus Capaul vom BTV Aarau. Der BTV ist vor dem Eidgenössischen in Biel aus dem Schweizerischen Turnverband ausgetreten und – weil nie mehr beigetreten – in Aarau nicht startberechtigt.
Für Fischer ist das kein Problem. Er ist auch Mitglied seines Stammvereins Gränichen und kann für diesen starten. «Der Linus aber», sagt er und lacht, «musste sich beim STV Staufen einkaufen.»
Turnen ist Freundschaft
Capaul, eigentlich ein Hürdenspezialist («der Stabhochsprung macht mir Sorgen», und Fischer, eigentlich ein Stabhochsprung-Spezialist («die Hürden machen mir Sorgen») werfen den Speer und wir ziehen weiter zum Schulhaus Zelgli in Aarau, wo der Turnwettkampf stattfindet. In diesem Wettbewerb können sich die Sportlerinnen und Sportler zwar ebenfalls in Disziplinen wie Weitsprung oder Kugelstossen beweisen, doch stehen auch Sportarten wie Steinheben oder ein Unihockey-Parcours zur Auswahl.
Wir treffen David Meier und seine Kollegen vom STV Aristau. Beim Steinheben sind sie direkt neben den Freiämter Rivalen aus Beinwil an der Reihe. Spornt das besonders an? «Im Vereinswettkampf ist der Ehrgeiz grösser vor ihnen klassiert zu sein», sagt Meier und lacht.
Die beiden Vereine kennen sich gut und trainieren sogar manchmal zusammen. Turnen ist Freundschaft über Gemeindegrenzen hinaus. Und Turnen ist Passion. Besonders an einem Eidgenössischen. «Es ist das Highlight für mich. Es ist ein Highlight für alle stolzen Turner», sagt Meier und marschiert zum Unihockey.
Fast ein Star
Wir hingegen gehen nach Rohr. Dort spielen die Senioren 50+ Faustball. Und eigentlich sollte Konrad Keller, Rekordnationalspieler aus dem Aargau, auch da sein. «Doch der spielt lieber mit den Aktiven», sagt René Senn. «Dafür steht der Nationaltrainer dort hinten im Einsatz und ich bin ja auch fast ein Star». Senn sagt es und lacht. «Schliesslich fahre ich den Bus der Nationalmannschaft.»
Nationaltrainer Oliver Lang spielt für Elgg im Kanton ist Zürich. Das passt nicht ins Thema. Also schauen wir dem Aargauer Derby Safenwil gegen Sulz zu, ehe es mit dem Bus weiter nach Buchs geht. Allerdings ohne René Senn als Chauffeur.
Weil wir auf der Suhrenmatte aber wie eingangs erwähnt die Aargauer verpassen und damit das perfekte Bild, geht der Vierkampf der Frauen ohne uns zu Ende. Wir beschliessen den Tag, wie wir ihn angefangen haben: mit Geräteturnen.
Während die Frauen in der Schachenhalle starten, haben die Männer ihre Wettkämpfe bei der Berufsschule im Telli.
