3061 Leute zwangen uns an die Urne

Nur gerade einmal 3000 Unterschriften sind im Kanton Aargau mit seinen 414 721 Stimmberechtigten nötig, um die Abstimmung über eine Volksinitiative zu erzwingen. 3061 Unterzeichnerinnen und Unterzeichner waren es für die «Millionärssteuer» der Juso. 150 241 Personen sind gestern ihrer Stimmpflicht nachgekommen – das sind 25 Prozent. 74,6 Prozent der pflichtbewussten Bürgerinnen und Bürger haben nein zu einer Vermögensumverteilung gesagt. Die hätte den Arbeiter, der heute als Rentner ein eigenes Häuschen besitzt, genauso getroffen wie den Multimillionär. Im Gegensatz zum Superreichen hätte der Arbeiter einer Juso-Steuer nicht per Wohnsitzwechsel ausweichen können.

Die Unterschriftenzahl erhöhen und so mutmasslich chancenlose Volksbegehren «abschmettern»? Sicher nicht. Die Volksinitiative ermöglicht es Minderheiten auszutesten, ob ihre Ideen den Hauch einer Chance haben. Sie sind der basisdemokratischen Schweiz ein wichtiges Ventil, das für politische Stabilität im Land sorgt.

Auf Bundesebene hat man die Volksinitiative 1891 eingeführt. Seither wurden 461 Initiativen lanciert. 331 sind zustande und zur Abstimmung gekommen, 98 wurden zurückgezogen, 6 abgeschrieben oder ungültig erklärt. Von Volk und Ständen angenommen wurden 22 Initiativen.

Die meisten Abstimmungsvorlagen sind längst vergessen. Ecopop-Initiative? Verworfen im November 2014. Mindestlohn-Initiative? Chancenlos. Initiative zur Aufhebung der Wehrpflicht? «Versenkt» im Herbst 2013. Von insgesamt 198 ins Leben gerufenen Initiativen sind 176 auf der Strecke geblieben. Werden wir von chancenlosen Volksinitiativen überschwemmt? Sollte die Unterschriftenzahl von 100 000 auf 200 000 verdoppelt oder die Sammelfrist von 18 auf 9 Monate verkürzt werden?

Im Aargau gibt es Bestrebungen, die Zahl der für eine Volksinitiative nötigen Unterschriften von aktuell 3000 auf 6000 zu erhöhen. Das Argument: Es sei unverhältnismässig, dass 0,7 Prozent 414 721 Stimmberechtigte an die Urne rufen können. Der Aargau zählte 1980 rund 270 000 Stimmbürgerinnen und Stimmbürger. Das ist unbestritten eine Verwässerung des Initiativrechts und eine Anpassung wäre rein rechnerisch angezeigt. Nur, was bringt sie?

In Zürich waren bis 2006 10 000 Unterschriften nötig. Zu einer Herabsetzung des Unterschriftenquorums kam es vor elf Jahren mit einer neuen Kantonsverfassung. Die tiefere Zahl entsprang der politisch breit abgestützten Absicht, Zürich demokratischer zu machen. 6000 sind 1,14 Prozent der Stimmberechtigten. Die Neuerung ist nicht ohne erstaunliche Folgen geblieben. Seither kommen pro Jahr durchschnittlich 6,5 kantonale Initiativen zustande; zuvor waren es 4,3. Gestiegen ist auch die Zahl der Referenden, von jährlich 1 auf 2,6. Im Aargau beträgt dieser Wert 0,7 Prozent. Im Kanton Zürich wurden in den Jahren 1990 bis 2010 mehr als dreimal so viele Initiativen (57) lanciert wie im Aargau (18). Und: Die Zahl der in einem Wahljahr lancierten Initiativen steigt nicht nur auf Bundesebene jeweils markant an.

Aus diesem Grund an der Unterschriftenzahl schrauben? Einfacher geworden ist das Sammeln von Unterschriften in den letzten Jahren nicht. Das Lokal mit der Abstimmungsurne ist weitgehend weggefallen, den Stammtisch gibt es kaum noch und Vereine – als weitere Unterschriftenquelle – kämpfen mehr und mehr um ihr Überleben. Wer das nötige Geld hat, der setzt professionelle Unterschriftensammler ein. Tarif: Bis zu zwei Franken pro Stimmberechtigten. Dafür ist das Instrument der Volksinitiative nicht gedacht.