550 Kilogramm Intelligenz und Eigensinnigkeit

Zum Fototermin trottet Edi an der Leine gemütlich aus dem Stall. Zuerst posiert er zusammen mit Besitzerin Mirjam Rust für die Bilder, dann widmet er sich dem wirklich Wichtigen im Leben: Dem Fressen. Edi ist mit seinen 15 Jahren der tierische Senior auf der Schlosshof-Ranch bei der Marienburg in Wikon. Edi ist ein Maultier, eine Kreuzung aus Pferdestute und Eselhengst. Bei ihm weist das schöne, braune Fell auf die Herkunft seiner Mutter hin, einer Freibergerstute.

Die Schlosshof-Ranch in Wikon ist eine Reitschule mit fünf Maultieren und fünf Eseln. Die weiteren Maultiere heissen Golia, Smeraldo, Opal und Arturo. Edi lebt seit 2010 hier, davor gehörte er dem Bruder von Mirjam Rust, welcher ihn wiederum bei der Schweizer Armee erstehen konnte. Schon damals fiel der Hufträger als «Schlitzohr« auf. Mittlerweile wurden sowohl der ehemalige Besitzer als auch Edi beim Militär ausgemustert. «Ich habe etliche Flugstunden genommen», erzählt Mirjam Rust über die Angewöhnungszeit. Mittlerweile weiss Edi aber längst, wie er sich in der Reitschule zu verhalten hat. Bei Kindern zeigt er sich sehr geduldig, bei reitgewohnten Erwachsenen hingegen kann es schon vorkommen, dass Maultier Edi es auf einen «Machtkampf» ankommen lässt.

Verhandlungen mit dem Tier

Maultiere sind in der Schweiz nicht so häufig anzutreffen wie Pferde und zumindest weniger bekannt als Esel. Der Bestand dürfte hierzulande derzeit mehrere Hundert betragen, zu Zeiten der Weltkriege waren es um die 3000 Maultiere. Einige der Halter haben sich in einer Interessengemeinschaft zusammengeschlossen, die gemäss Statuten den Zweck verfolgt, das Maultier «in Ansehen und Gebrauch zu fördern». Auch Mirjam Rust ist Mitglied, nimmt an den Veranstaltungen teil. Für sie sind die Vorzüge der Tiere klar: «Mulis und Esel rennen nicht einfach davon. Sie schauen zuerst und handeln erst dann.» Ein Besitzer suche das Maultier auch nicht einfach aus, sondern das Maultier den Besitzer, meint Rust. «Dem Pferd befiehlst du und mit dem Maultier verhandelst du». Nicht von ungefähr komme der Ausdruck des störrischen Esels. Maultiere seien «intelligent und eigensinnig». Es sei das Spezielle, das sie an dieser Tierart «cool» finde, so Mirjam Rust. Es sei Edi, der entscheide, erzählt sie. Auch gibt es einige Müsterchen, die seinen eigenen Charakter widerspiegeln: Eine Behandlung des Tierarztes nimmt er der Besitzerin jeweils besonders übel, dann sei er beleidigt und kehre ihr jeweils für die Dauer von etwa zwei Wochen das Hinterteil zu. Zudem habe er bereits kurz nach seiner Ankunft auf dem Schlosshof mit dem Maul die Gehegetüre öffnen können. Wenn er etwas angestellt habe, sei das jeweils an seinem Blick abzulesen, so Rust.

140 Kilometer unterwegs

Das wohl grösste gemeinsame Abenteuer mit Besitzerin Mirjam Rust erlebte Edi aber im Sommer 2015. Nachdem er den Hintransport in die Ferien ins Thurgau nur unter medikamentöser Beruhigung hinter sich bringen konnte, wollte Rust ihm dies auf dem Heimweg ersparen. Der Heimweg wurde deshalb zusammen mit einem Bekannten auf herkömmliche Art in Angriff genommen. «Wir gingen 130 Kilometer in vier Tagen zu Fuss.» Das Ziel war, möglichst über Feld- und Waldwege nach Hause zu kommen. Nicht ganz einfach, denn an vielen Orten gebe es Reitverbote auf den Wegen. Nicht aber in der Stadt Zürich, die es zu durchqueren galt. Schliesslich kamen Edi und seine Begleiter über den Albis und den Rügel ins Mittelland und nach Hause. Bedenken gab es jeweils bei der Überquerung von Fussgängerbrücken – Edi wiegt stolze 550 Kilogramm.

Golia im Militärdienst

Edi ist übrigens auf der Schlosshof-Ranch nicht der Einzige mit Armee-Erfahrung. Mirjam Rust absolviert zusammen mit Artgenossin Golia den Militärdienst. Maultier und Soldat müssen sich jeweils für sechs Jahre bei der Armee verpflichten.