
58-Jähriger fährt mit vereister Frontscheibe – Eintrag ins Strafregister
Willy (Name geändert), 58, hat vor gut einem Jahr einen Fehler gemacht. Bequemlichkeit? Er steht dazu, an jenem Morgen die Scheiben seines Volvos nicht ausreichend eisfrei gemacht zu haben. Und er akzeptiert die ausgefällte Busse von 1200 Franken.
Die Bilder, die Richter Daniel Aeschbach präsentiert, zeigen zwei Löcher in der Frontscheibe, ebenso eine rudimentäre Enteisung der Seitenfenster. Ungenügend, gibt auch Willy zu. Es sind die Folgen, die ihn stören und die ihm zu hart erscheinen, weswegen er auch das Gespräch mit dem Strassenverkehrsamt gesucht habe.
Erfolglos. Und wegen der Folgen hat er den Strafbefehl, der einen Eintrag des Urteils im Strafregister mit sich bringt, nicht akzeptiert und steht nun in Lenzburg vor dem Einzelrichter.
Er hatte zuerst Tanken wollen
Daniel Aeschbach eröffnet Willy, dass der dreimonatige Entzug der Fahrbewilligung nicht in die Kompetenz des Gerichts, sondern in jene des Strassenverkehrsamts falle. Und ein solches Vergehen – der Strafbefehl spricht davon, er habe «vorsätzlich, das heisst mit Wissen und Willen, ein Fahrzeug trotz vereister oder angelaufener Scheiben in Verkehr gebracht und dabei eine erhöhte abstrakte Gefahr für sich und andere Verkehrsteilnehmer gebildet» – ziehe zwingend einen Eintrag im Strafregister nach sich.
Willy schildert jenen Morgen so: Er habe eh tanken müssen und bei der Tankstelle, etwa 500 Meter entfernt, die Kratzaktion vollenden wollen. Nun wird er aber, gemäss Willy rund 200 Meter von seiner Wohnung entfernt, an einem Kreisel von der Polizei aufgehalten.
Man einigt sich darauf, zur besagten Tankstelle zu fahren. Dort protokollieren die Polizisten den Sachverhalt. Zur unvollständigen Enteisung kommen noch die angelaufenen Scheiben innen. «Die sind angelaufen wegen des Öffnens und Schliessens der Türen, kalte und warme Luft, die aufeinandertreffen», sagt Willy.
Mehrfach betont er, dass er zu seinem Fehler stehe, bloss die Konsequenzen hält er für nicht angemessen. Das hat mit seiner Arbeitstätigkeit zu tun, beziehungsweise dem Versuch, wieder einzusteigen.
Noch im November hatte der Betriebswirtschafter als Software-Verkäufer 10’000 Franken brutto verdient. Nun ist er arbeitslos, hat noch Schulden aus einem Scheidungsverfahren, schreibt Dutzende von Bewerbungen, denn sein französischer Arbeitgeber hat diesen Bereich geschlossen und ihn entlassen. «Ich bin aufs Auto angewiesen und 30 Jahre unfallfrei gefahren», sagt er. Der Ausweisentzug von drei Monaten tut weh.
Ein Strafregistereintrag mindert seine Jobchancen
Auch der Eintrag im Strafregister – er kassierte vor sechs Jahren bereits einen, weil er auf der Autobahn zu nahe aufgefahren war – schmerzt ihn, denn so sei ein Wiedereinstieg als ausgebildeter Finanzberater nicht mehr möglich.
Ohne ein Urteil vorwegzunehmen, bringt Richter Daniel Aeschbach die Möglichkeit eines Rückzugs der Einsprache gegen den Strafbefehl ins Spiel. Er verweist auf Bundesgerichtsurteile in ähnlichen Fällen, die das Gericht «eher im schweren Bereich» ansiedle. Grobfahrlässig? Fahrlässig? Eventualvorsätzliches Inkaufnehmen eines Schadens?
Willy aus seiner Warte sieht keine Fahrlässigkeit. Er setzt angesichts der Faktenlage – den Ausweisentzug kann der Richter weder rückgängig machen noch auf einen Monat reduzieren; Strafregistereintrag ist bei Schuldspruch unumgänglich – auf Schadensbegrenzung finanzieller Art. Je kürzer die Verhandlung, desto günstiger.
Busse und Kosten von rund 2800 Franken
Trotzdem wird das Kratzversäumnis teuer: Busse von 1200 Franken, Strafbefehlsgebühr von 1100 Franken, dazu Polizei- und Gerichtskosten von rund 500 Franken. Beeinflussen kann er die bedingte Geldstrafe von 4800 Franken: Die Probezeit beträgt drei Jahre.
Ob Willy nochmals versuchen wird, beim Strassenverkehrsamt vorstellig zu werden und eine Reduktion des Ausweisentzugs zu erwirken? Er weiss es noch nicht.