Früher demonstrierte Sabina Freiermuth mit den Autonomen

Hoben Sabina Freiermuth auf den Schild: Andreas Wagner, Corina Eichenberger (2. v. l.) und Herbert H. Scholl. (ran)
Hoben Sabina Freiermuth auf den Schild: Andreas Wagner, Corina Eichenberger (2. v. l.) und Herbert H. Scholl. (ran)

Serie zu den regionalen Kandidaten

In diesem Jahr stehen die nationalen Wahlen an. Gewählt wird am 20. Oktober 2019. In loser Folge wird das Zofinger Tagblatt in den nächsten Wochen und Monaten die Kandidatinnen und Kandidaten der verschiedenen Parteien aus unserer Region porträtieren.

Teil1: Christian Glur (SVP) aus Glashütten

Der frisch gefallene Schnee dämpft die Schritte. Er macht die Quartierstrasse etwas oberhalb der Zofinger Altstadt noch ruhiger, als sie eh schon ist. In Mitten anderer Einfamilienhäuser steht das Refugium von FDP-Grossrätin Sabina Freiermuth und ihrer Familie. Wie in Watte gepackt, scheint an diesem Wintermorgen der gepflegte Garten, das gelbe Haus und auch drinnen am Küchentisch das Gespräch mit der Politikerin, die im kommenden Herbst gerne in den Nationalrat einziehen würde. Freiermuth wählt ihre Worte mit Bedacht, wird nie laut, überlegt lieber ein wenig, als sich vorschnell festzulegen.

Gerne würde die einzige FDP-Kandidatin aus dem Bezirk Zofingen die Nachfolge von Nationalrätin Corina Eichenberger (Kölliken) antreten. Doch das wollen auch andere. «Mit einem guten Wahlkampf kommen eine oder gar zwei neue FDP-Frauen nach Bern», sagt Freiermuth selbstbewusst. Für sie selbst wäre es «der richtige Moment für eine neue Herausforderung». Die drei Kinder sind aus dem Haus, sie ist seit 2010 im Grossrat und hat in den letzten Jahren als Fraktionschefin Erfahrungen gesammelt. «Ich habe Lust am Wettbewerb», sagt die 54-Jährige.

Frauen im Wettbewerb

Dieses Motto gilt für die gebürtige Rheinfelderin generell in Frauenfragen: «Wir Frauen haben es selber in der Hand.» Frauen müssten sich zutrauen, dass sie leitende Funktionen übernehmen. «Wir müssen in die Ausmarchung gehen.» Vieles sei doch einfach Wettbewerb. Trotzdem hat sie selbst zu Beginn ein traditionelles Familienmodell gelebt. «Ich habe mich damals aktiv dazu entschlossen.» Und jedes Jahr habe ihr Mann sie bei einem Glas Wein gefragt, ob das immer noch so sei. «Wir können auch anders», sagte er jeweils. Heute ist Sabina Freiermuth beruflich in der Kanzlei ihres Mannes tätig, dabei verantwortlich für Buchhaltung und Administration.

Aufgewachsen ist Freiermuth in einer Unternehmerfamilie. Die Eltern bauten ein KMU im technischen Bereich (Handel, Handwerk, Engineering) auf. Bei ihrer Geburt hatte er fünf Mitarbeiter, als sie von zu Hause auszog gegen 200. «Das hat mich sehr geprägt.» Personalprobleme, aber auch Firmenerfolge wurden am Familientisch besprochen. In den Ferien habe sie in der Firma gearbeitet.

Mittlerweile hat die Familie das Unternehmen verkauft. Ihr Vater habe jeweils gesagt, er sei nicht für die Politik geeignet. Er habe aber bei seinen Beschäftigten Miliztätigkeiten gefördert. «Es wäre wichtig, dass auch heute Firmen die Milizpolitik ermöglichen», sagt Freiermuth.

Immer Klassensprecherin

Der Grundstein für ihre spätere Politikkarriere, wurde laut Grossrätin Freiermuth schon in der Schulzeit gelegt. Sie habe die Lehrer oft hinterfragt und sei fast immer Klassensprecherin gewesen. Früh habe sie auch von ihren Eltern gelernt: «Du darfst immer deine Meinung sagen, aber bitte in einem anständigen Ton.»

Der erste Ausflug in die grosse Welt der Politik war aber ausserparlamentarisch. Im nahen Basel ging Freiermuth 17-jährig (1981) zu den Demonstrationen für das autonome Jugendzentrum (AJZ), nahm auch an der ersten Vollversammlung teil. «Ich war so quasi Gründungsmitglied des AJZ». Dieses Engagement in Mitten von Sozialisten und Kommunisten haben ihr die Eltern zwar nie verboten. Unwohl war ihnen dabei aber schon. So schickten sie die beiden Brüder nach Basel, um die Demonstrationen aus sicherer Entfernung zu beobachten, wie Freiermuth später erfuhr. «Bei den Linken wurde damals aber viel geschwatzt und nicht so sehr danach gelebt», sagt Freiermuth. Darum war ihr damaliges Engagement von kurzer Dauer.

In eine Partei trat Sabina Freiermuth aber erst Jahre später ein. Und mit der FDP in eine, die ihren Eltern sicher näher war, als die Szene um das AJZ. In Rothrist, wo sie mit ihrer Familie Ende der 90er Jahre wohnte, sucht die lokale FDP einen Kandidaten für die Schulpflege und fragte Freiermuths Mann an. Doch dieser dachte sofort an seine Frau. «Er kam zu mir und sagte: In der Familie kann nur einer Politik machen und du bist dazu besser geeignet», sagt Freiermuth. So trat sie der FDP bei und startete ihre Politlaufbahn, die sich auch nach dem Umzug nach Zofingen fortsetzte. Sie sass bald im Vorstand der FDP-Frauen, im Bezirksschulrat und nun im Grossen Rat.

Firmen nicht die Luft nehmen

In Bern würde sich Freiermuth vor allem für gute Rahmenbedingungen für die Unternehmen einsetzen. «Man darf den Firmen mit zu vielen Regulierungen nicht die Luft nehmen, soll ihnen die Eigenverantwortung lassen.» Doch die FDP-Frau weiss, dass eine solch liberale Politik schwierig umzusetzen ist, wenn die Firmen ihre Eigenverantwortung zum Teil nicht wahrnehmen. «So wird zu oft das Geld gerade bei grossen Firmen nicht in erster Linie ins Unternehmen reinvestiert, sondern an Aktionäre ausgeschüttet.»

Die Bildung ist für Freiermuth ein weiteres Kernthema. In dieser Kommission sitzt sie auch im Grossen Rat. Und liberal ist sie auch in gesellschaftlichen Fragen. So etwa für eine kontrollierte Legalisierung von Cannabis für Erwachsene. Auch spricht sie sich für das Recht auf Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare aus. Das sei bei ihr ein Prozess gewesen. «Aber wenn man das verbieten will, müsste ja auch Paaren Kinder verboten werden können, die ihre Sprösslinge vernachlässigen.»

Teilzeitarbeit und Homeoffice

Aktuell kümmert sie sich auch um moderne Arbeitsmodelle. Der Staat sei zwar nicht verantwortlich für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. «Aber die Unternehmen sind in der Pflicht, Teilzeitarbeit und Homeoffice beiden Geschlechtern zu ermöglichen, bei Bedarf Krippen zu betreiben und Frauen zu Karrieren zu ermuntern.»

Für das Foto gehen wir wieder in Freiermuths Garten. Dort verbringt sie viel Zeit, wenn nicht gerade Schnee liegt. In der Erde zu arbeiten tue ihr gut. «Gartenarbeit ist für mich Seelenmassage», sagt sie.

 

Serie zu den regionalen Kandidaten

In diesem Jahr stehen die nationalen Wahlen an. Gewählt wird am 20. Oktober 2019. In loser Folge wird das Zofinger Tagblatt in den nächsten Wochen und Monaten die Kandidatinnen und Kandidaten der verschiedenen Parteien aus unserer Region porträtieren.

FDP ZOFINGEN

Freiermuth gestern Abend nominiert

Aus dem Bezirk Zofingen schickt die FDP nur eine Kandidatin ins Rennen um die Aargauer Nationalratssitze. Für die Wahlen vom 20. Oktober 2019 nominierte die FDP des Bezirks Zofingen gestern Abend Grossrätin Sabina Freiermuth (Zofingen) per Akklamation. Zuvor wurde sie den Delegierten des Bezirks von Nationalrätin Corina Eichenberger näher vorgestellt. Diese umschrieb Freiermuth als Person die «sanft im Wort, aber stark in der Sache» sei. Danach stellte sich die Kandidatin den Fragen von Herbert H. Scholl zu regionalen, kantonalen, nationalen und internationalen Themen. (ran)