
Berufsfachschule: Ein lachendes und ein weinendes Auge
Kein KV, keine kaufmännische Berufsmatura mehr – weiterhin aber die für die regionale Wirtschaft wichtige Sparte Maschinenbau (mit Matura) sowie Podologie. Neu der Beruf des Maurers wie auch jener des Land- und Baumaschinenmechanikers: So präsentiert sich die Berufsfachschule Zofingen nach dem Willen des Regierungsrats ab dem Schuljahr 2020/21.
Ein lachendes und ein weinendes Auge hat da Roger Meier, Rektor der Berufs- und Weiterbildung Zofingen. «Es ist schön, dass der Maschinenbau mit der dazu gehörigen technischen Berufsmatur weiterhin in Zofingen bleibt. Damit sind die Synergien zur Kantonsschule und zum umfangreichen Bereich der Weiterbildung auch in Zukunft gegeben, was für das Bildungszentrum sehr wichtig ist.» Leider verliere Zofingen sein traditionsreiches KV an Aarau, was sehr bedauerlich sei. So würden künftig im Bereich KV und Detailhandel über 300 Lernende aus dem Bezirk Zofingen in der Hauptstadt «beschult». «Die Überführung der kaufmännischen Ausbildung» – sagt Meier – «wird alles andere als leicht sein, zumal in Zofingen die Lernenden aller Profile den Unterricht mit den eigenen PC-Tablets besuchen und fast ausnahmslos elektronische Lehrmittel verwendet werden.»
Peter Gehler ist als Präsident Wirtschaft Region Zofingen (wrz) Sprecher der Unternehmer in der Region. Gehler sagt, dass der Erhalt der Polymechaniker- und Konstrukteurausbildung inklusive Berufsmaturität «für die Region als Hotspot der Maschinenindustrie ein ungemein wichtiger Erfolg ist». Dass dies gelungen sei, hätten die Unternehmen der Geschlossenheit der Region Zofingen zu verdanken.
«Die Schule selber mit dem Rektor Roger Meier als Motor, alle Grossrätinnen und Grossräte der Region unter der Führung von Herbert H. Scholl und Sabina Freiermuth sowie die gesamte Wirtschaft haben mit viel Herzblut für den Bildungscampus Zofingen und ihr Herzstück gekämpft» – und viel Aufwand betrieben. «Wir haben nicht nur protestiert, wir haben auch inhaltlich viel geboten und Alternativen aufgezeigt.» Er sei, sagt Gehler, allen Beteiligten ausserordentlich dankbar. «Wenn wir immer so agieren, können wir auch in Zukunft viel für die Region Zofingen erreichen.» Den Verlust der traditionsreichen kaufmännischen Berufsschule «halte ich nach wie vor für unsinnig. Wir müssen diese Kröte aber wohl schlucken – schade».
Der Zofinger FDP-Grossrat Herbert H. Scholl ist Triebfeder hinter einer Motion im Kantonsparlament. In ihr fordern alle 15 Grossrätinnen und -räte aus dem Bezirk, dass das heutige Angebot der Berufsfachschule Zofingen bestehen bleibt. Wie gestern ebenfalls bekannt wurde, lehnt der Regierungsrat diese Motion ab. In der Begründung schreibt er: «Das Konzept erfüllt die Forderungen der Motion teilweise – der Maschinenbau wird auf dem Campus Zofingen weiterhin angeboten.» Die Aussage der Motionärinnen und Motionäre, die Zentren Aarau, Lenzburg und Baden würden zulasten der (Rand-)Regionen gestärkt, treffe nicht zu. «Namentlich gilt sie nicht für Lenzburg, das die KV-Schule verliert.»
Was sagt Scholl dazu? «Der Maschinenbau mit Berufsmatur bleibt in Zofingen.» Damit sei das Hauptanliegen aus Zofinger Sicht erfüllt. Die Berufsfachschule Zofingen sei künftig ein Kompetenzzentrum für Bau, Fahrzeuge und nach wie vor für Metall- und Maschinenbau. «Gesamthaft darf der regierungsrätliche Entscheid für Zofingen als verhalten positiv beurteilt werden – der Campus Zofingen bleibt erhalten.» Finanziell werde sich der Kanton am Bildungszentrum Zofingen wegen der geringeren Auslastung, aber gleichbleibenden Grundkosten, stärker beteiligen müssen.
Wie geht es bezüglich der Motion weiter? Wird sie zurückgezogen oder eine Abstimmung im Grossen Rat erzwungen? Dazu Herbert H. Scholl: «Nach dem regierungsrätlichen Entscheid müssen wir prüfen, ob die Motion der 15 Mitglieder des Grossen Rats aus dem Bezirk Zofingen aufrechterhalten werden soll.» Weil der Maschinenbau mit Berufsmatur in Zofingen bleibt, habe sich die Ausgangslage gegenüber den ursprünglichen Plänen des Bildungsdepartements geändert. «Die Grossrätinnen und Grossräte aus dem Bezirk Zofingen werden deshalb eine neue Lagebeurteilung vornehmen müssen. Ein entsprechender Entscheid dürfte im Laufe des Monats März fallen.»
Ruhe einkehren lassen
Die Zofingerin Sabina Freiermuth ist Bildungspolitikerin und im Grossen Rat Präsidentin der FDP-Fraktion: «Der Verlust der kaufmännischen Berufsschule schmerzt natürlich. Ich bin jedoch erleichtert, dass wir immerhin den Maschinenbau mit Berufsmatur am BZZ erhalten können.» Vor einer besonderen Herausforderung stünden nun jene Berufsschulen, welche Bereiche anderer Standorte bei sich aufnehmen. «Sie haben unterschiedliche Kulturen, etwa im Umgang mit den digitalen Hilfsmitteln, miteinander in Einklang zu bringen.» Das Standortkonzept sei nun speditiv umzusetzen und offene Punkte sind rasch zu klären – «zum Wohl von Lernenden und Lehrerschaft muss endlich Ruhe einkehren».
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