
Aemisegger tritt als Präsident des AFV zurück – wie geht es weiter?
Gasthof zum Schützen in Aarau, Dienstag, kurz vor 10.30 Uhr. Im Bankettsaal empfangen Hannes Hurter und Jonas Manouk die Journalisten und weisen den Weg in einen Nebenraum. Geschäftsführer Hurter und sein Mitarbeiter Manouk haben Ende Februar mit ihren Kündigungen im Aargauischen Fussballverbands (AFV) eine Lawine ausgelöst, die an diesem Dienstag 2. April erst zum Stillstand kommt.
Davon jedenfalls gehen alle Erschienenen aus. Denn ob er tatsächlich zurücktritt, das weiss zu diesem Zeitpunkt nur der Mann, der mit überschlagenem Bein auf einem Stuhl hockt und Lässigkeit vermittelt. Doch ein genauer Blick in die Augen verrät: Hans Aemisegger leidet. Was geht in ihm vor?
Punkt 10.30 Uhr nimmt Aemisegger zwischen seinen Vorstandskollegen Richard Zwicker und Maurice Besson Platz, begrüsst die Journalisten, setzt die Brille auf und beginnt mit dem Ablesen der vorbereiteten Rede. Die Antwort auf die entscheidende Frage, ob er zurücktritt oder nicht, bewahrt er sich für den Schluss auf. Zuerst ist es das, was im Vorfeld erwartet wird: Eine Abrechnung mit seinen Gegnern und mit Presse, im Zuge derer sich Aemisegger als Opfer von falschen Anschuldigungen inszeniert. Die Begriffe «Ehrverletzung, «Hetzjagd» und «Erpressung» fallen.
Rücktritt trotz reinem Gewissen?
2011 wird Aemisegger zum AFV-Präsidenten gewählt. Der Architekt erarbeitet sich grosse Verdienste, unter seiner Führung lanciert der Verband unter anderem die «Aargauer Fussballnacht» und das renommierte Nachwuchs-Projekt «Kicker Talents». Doch in den vergangenen Monaten stolpert Aemisegger. Im Sog des Erfolgs verschwimmen die Grenzen zwischen Diener des Fussballs und Alleinherrscher.
Der schwerwiegendste Vorwurf gegenüber Aemisegger ist jener der Vetterliwirtschaft. Mehrere voneinander unabhängige Quellen bestätigen, dass Aemisegger einen 50 000 Franken teuren Filmauftrag an seinen Sohn Oliver vergeben habe, ohne vorgängig seine Vorstandskollegen zu informieren. Aemisegger behauptet, er sei von der federführenden «Aargauer Zeitung» nicht zu diesem und weiteren Vorwürfen angehört worden. Im Zuge der Recherchen liess die «AZ» Aemisegger aber einen Fragenkatalog zukommen, auf den er nichtssagend antwortete und anfügte, er freue sich auf die Rückrunde.
Am Dienstag sagt Aemisegger, es gebe kein Reglement zur Auftragserteilung an Externe. Der Werbefilm sei jedoch zu einem guten Preis vergeben worden und durch die familiäre Verbindung habe der AFV mehr Leistungen erhalten als bei solchen Deals üblich. Die Vergabe hätte zum Gesamtprojekt «Kicker Talents» gehört, das der AFV-Vorstand im Februar 2018 abgesegnet habe. Dem widersprechen die zwei Vorstandsmitglieder, die von Aemisegger nicht zur Medienkonferenz eingeladen worden sind: Luigi Ponte und Armando Granzotto.
Betroffen und leidend
20 Minuten nach Beginn seiner Verteidigungsrede kommt Aemisegger zum Punkt: «Ich trete als AFV-Präsident und von allen weiteren Ämtern beim Aargauischen Fussballverband zurück.» Das «mediale Sperrfeuer» und die ultimative Rücktrittsforderung einiger Vereine hätten ihn betroffen gemacht, ihm den Schlaf und die Kraft geraubt. «Meine Familie, mein Geschäft, mein Umfeld leiden unter dieser Demontage.»
Aemisegger sagt, er habe Fehler gemacht, wie sie Ehrenamtliche machen würden. Diese stünden aber in keinem Verhältnis zur Dynamik, die das Ganze angenommen habe. Gegenfrage: Warum sollte zurücktreten, wer ein absolut reines Gewissen hat? Warum sollen zwei Mitarbeiter der Geschäftsstelle ihren Traumjob aufgeben, obwohl gemäss Aemisegger die Differenzen aus Lappalien bestanden hätten?
Aemiseggers Abrechnung zielt auch in Richtung Hannes Hurter und Jonas Manouk. Das Duo verfolgt die Szenerie in der hintersten Reihe. Dass sie ihre Kündigung widerrufen, war das Hauptziel der 40 Vereine, die in der letzten Woche Aemiseggers Abgang forderten. Jetzt haben Hurter und Manouk Oberwasser. Am Donnerstag findet die erste Vorstandssitzung unter AFV-Interimspräsident Luigi Ponte statt – Haupttraktandum: Hurter und Manouk sollen bleiben.