Zofingia-Jubiläum (5/6): Von Bändern, Bier und Sangeslust

Ein Zofingia-Mitglied hat seine Mütze mit individuellem Schmuck verziert.
Ein Zofingia-Mitglied hat seine Mütze mit individuellem Schmuck verziert.
Bierzipfel als Zeichen der Bierfamilie, die Nähe fürs ganze Leben schafft.
Bierzipfel als Zeichen der Bierfamilie, die Nähe fürs ganze Leben schafft.

SERIE

Zofingen und Zofingia – die Stadt und die Studentenverbindung sind seit zwei Jahrhunderten aufs Engste verbunden. Im Sommer 1819 trafen sich in der Thutstadt 26 Zürcher und 34 Berner, um den Zofingerverein aus der Taufe zu heben. 200 Jahre später wird dieses Jubiläum mit einem dreitägigen Stadtfest vom 30. August bis 1. September ausführlich gefeiert. Gestern  startete das Zofinger Tagblatt eine sechsteilige Serie zur Geschichte der Zofingia und ihrer Bundesstadt Zofingen. Wie kam es zur Gründung 1819? Was trieb die Mitglieder an, was haben sie geleistet – und wie haben sie die Schweizer Geschichte mitgestaltet? Und wo trifft man sie heute, wenn sie nicht gerade in Zofingen ihr Centralfest feiern? Autor ist der ehemalige NZZ-Journalist, Historiker und Publizist Dr. Ronald Roggen, der auch die Festschrift der Zofingia zum 200-Jahr-Jubiläum redigiert hat.

Teil 1: Zofingia 1819 – zur rechten Zeit, am idealen Ort, mit der schönsten Idee

Teil 2: Der kampfreiche Weg zum Bundesstaat

Teil 3: Vom Neuenburgerhandel zur Kuba-Krise

Teil 4: Von den Tiefen der analytischen Psychologie bis zu den Höhen der Dichtung

Einiges sieht skurril aus, vieles klingt seltsam. Wenn sich im Biergarten eine Verbindung niederlässt zum fröhlichen Tun, schafft dies einen Raum im Raum. Aber es ist nicht ein Sich-Abheben, das als Motiv dahintersteckt, sondern ein spezieller Sinn, sich als intakte Gemeinschaft zu fühlen. Der Zofinger, als Mitglied der in Zofingen gegründeten Verbindung, fürchtet sich nicht vor dem Philister, sondern freut sich über seine vertrauten Freunde. Das ist ein Wert, der von innen kommt. Das ist genauer gesagt die Begeisterung, die 1819 in der Thutstadt entzündet worden ist. Etwas, was ewig berührt.

Man wählt Rot-Weiss-Rot und man weiss warum

Paul Ehinger, der ehemalige Chefredaktor des Zofinger Tagblatts und Centralarchivar der Verbindung, hat für die Festschrift 2019 einen lesenswerten Aufsatz geschrieben, der allem, was die Verbindung ausmacht, auf die Schliche kommt.

Ein Kenner also. Er spricht vom Farbenprinzip und weiss, dass dieses konstituierende Element mit rot-weiss-rotem Band und weisser Mütze einen Grundentscheid voraussetzt und Ausschliesslichkeit verlangt. Man bekennt sich zur Zofingia und meint damit auch ihre Devisen: Patriae – Amicitiae – Litteris. In einem Satz ausgesprochen heisst das: Studierende (Litteris) bilden Freundeskreise (Amicitiae), um etwas für das Land zu tun (Patriae). Das Weiss der Mütze findet sich wieder im Farbencantus, der ins weisse Haus einlädt. Nein, nicht nach Washington D. C., in eines der Zofingerhäuser («Blanches»)!

Bei festlichen Anlässen tragen die Chargierten, die sich um die Fahne scharen, den Vollwix mit Cerevis (Mütze), Flaus (Jacke) und Schärpe, dazu eine weisse Hose und Stiefel. Der Comment regelt die Details. Das Conventsprinzip besagt, dass die Chargen einer Wahl entspringen. Eine Verbindung sieht selten nach Demokratie aus, aber sie ist eine der fröhlichsten Anwendungsformen.

Abgekürzt wird die Zofingia mit Z! Das ist ein überaus reizvoller Abschluss des Alphabets, das uns ja auch ein Leben lang begleitet. Wer gerne zeichnet, mag den Zirkel wagen. Zu sehen am Trog des Thutbrunnens. Im Zirkel steckt der lateinische Ausruf: «Vivat, crescat, floreat, Tobinia!» Zu deutsch: Sie möge leben, gedeihen und blühen, die Zofingia. Das tut sie auch. Auch wenn sie nur Männer aufnimmt.

Die Zofingia nimmt tatsächlich nur Männer auf. Das ist so. Punktum.

Keine Ehe, aber doch ein Bund fürs Leben

Man geht in eine Verbindung, weil sie Identität stiftet und sich nicht mit Beliebigkeiten vertut. Die Zofingia hat in 200 Jahren einen Charakter ausgebildet. Das verpflichtet und verlangt so etwas wie Bündnistreue. Zofingia und Altzofingia bilden in diesem Sinne eine Lebensverbindung, geprägt vom Spiel der Generationen. Ein Treffpunkt verschiedener Erfahrungen und Lebensläufe, aber auch ein Rendezvous der Studienfächer. Wer in die Zofingia eintritt, wählt seinen Biervater und gehört fortan dessen Bierfamilie an. Das schafft Nähe, fürs Leben. Angesprochen wird man meistens mit seinem Biernamen.

Noch einmal: Die Zofingia nimmt nur Männer auf. Das braucht keine Begründung. Es wurde schon gesagt: Das ist so. Punktum.

Es rankt sich üppiges Brauchtum um eine Verbindung. Traditionsgemäss wird viel gesungen in der Zofingia, das ist seit 1819 so. Beliebt sind Studentenlieder und Heimatlieder. Sehr oft ist sogar von Mädchen die Rede.

«Zofingia» ist ein weibliches Wesen, wahrscheinlich zieht es deshalb nur Männer zur Zofingia. Das Leben ist eines der schwierigsten!

Auch der Hopfen rankt sich hoch. Bier gehört nun einmal zum Studiosus, und weil es so herrlich schmeckte, kostet auch der bemooste Altzofinger davon. Trinkt genug, sagt der Arzt. Er weiss, dass ein Zofinger das Bier nicht einfach sinnlos in sich hineinschüttet. Der Biercomment leitet ihn an, den Schluck zum Wohl eines Gegenübers zu tun. Prosit ist ja ein aufbauend frischer Wunsch, da mag es getrost etwas schäumen.

Er war Zofinger, Louis-Lucien Rochat, und er hat sein intaktes Schluckvermögen gerne in den Dienst der Geselligkeit gestellt. Er hat auch so dasInternationale Blaue Kreuz erfinden und aufbauen können. Und er hat damit etwas Gutes gemacht, denn unsinniges Saufen, das macht auf keinen Fall den guten Zofinger aus.

Bacchus und Gambrinus, wer möchte diese Götter verärgern! Es steht ja auch in der Bibel, dass man die Schöpfung verehren und gut nutzen soll. Damit ist die ganze Schöpfung gemeint. Die ganze Schöpfung, Leute, die ganze. Punktum.

 

Zofingia für Neugierige

Wer mehr über die Zofingia erfahren möchte, der sollte sich auf den Thutplatz stellen. Und schnurstracks ins Stadtmuseum laufen. Dort gibt es einen höchst interessanten Zofingia-Teil zu bestaunen. Aber Vorsicht, nicht einfach blind über die General-Guisan-Strasse rennen. Guisan war Mitglied der Zofingia.

Gegen Ende dieses Jahres erscheint die Festschrift, die auf fast vierhundert Seiten höchst Interessantes über die Verbindung berichtet, die 1819 den klugen Entscheid fällte, sich in Zofingen zu gründen. Sie hat diesen Entscheid nie bereut.

Es gibt in der Zentralbibliothek Zürich eine eigene Zofingerbibliothek. Da können Neugierige ihre Nase stumpflesen, also alles erfahren, was nach Zofingia aussieht.

Und wer noch nicht genug hat, fährt nach Basel, bewegt sich zum Marktplätz und steigt rechts zum Staatsarchiv hoch. Dort befindet sich seit langem das Centralarchiv der Zofingia, ihr sensibles Gedächtnis, auch ihr Respekt für die Leistungen anderer.

Auch in den Mützen taucht das Rot-Weiss der Zofingia wieder auf.
Auch in den Mützen taucht das Rot-Weiss der Zofingia wieder auf.
Das hohe Präsidium, hinter ihm eine alte Berner Stammtischplatte. Bilder: zvg
Das hohe Präsidium, hinter ihm eine alte Berner Stammtischplatte. Bilder: zvg