Covid-Zertifikat: Wie gut verdaut die Gastro-Branche die 3G-Regel?

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Gasthof Linde: «Manche essen in der Winterjacke; das ist kein Problem»

Matteo Orlando, der mit seiner Frau Bernadette seit vielen Jahren den Gasthof Linde in Mühlethal führt, sieht die Einführung der Zertifikatspflicht ziemlich gelassen: «Für uns Wirte ist es gut, dass endlich klare Regeln herrschen. Die Überprüfung des QR-Codes ist keine grosse Sache, das machen wir direkt an den Tischen und die Gäste akzeptieren das auch ohne Diskussionen.»

Umsatztechnisch hat Orlando kaum negative Erfahrungen machen müssen: «Die Umsatzeinbussen sind bei uns minim. Wir haben deutlich weniger grosse Gruppen mit 20 und mehr Personen, das fällt auf, aber sonst läuft es gut.» Ein Vorteil seien das grosse Sonnensegel und der grosse, gedeckte Bereich in der Gartenwirtschaft, so Orlando, der davon ausgeht, dass die Zertifikatspflicht Ende Januar noch nicht aufgehoben wird. «Wir stellen den Gästen ohne Zertifikat Felle und Wolldecken zur Verfügung. Manche essen halt in der Winterjacke, aber das ist kein Problem. Wir werden das den ganzen Winter über beibehalten.»

Der Reservationsandrang für Firmen-­Weihnachtsessen sei noch etwas verhalten, aber, da ist Orlando ­zuversichtlich, «das wird sich bald einpendeln». Null Bedenken hat Orlando, wenn es um die bereits angelaufene Wild-Saison geht, die traditionellerweise Gäste von weitherum in die «Linde» lockt: «Wir hatten bereits zwei Wild-­Wochenenden, und die sind sehr gut gelaufen, da mache ich mir keine Sorgen, dass sich das ändern wird.» (schwe)

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Restaurant Federal: «Der Betrieb läuft normal weiter»

Überhaupt keine Sorgen mit der Zertifikatspflicht hat der Gastgeber des Restaurants Federal, Rudolf Zünd. Er führt das Lokal (14 Gault-Millau-Punkte) an der Vorderen Hauptgasse in der Zofinger Altstadt zusammen mit seiner Tochter Aline. «Der Betrieb im Restaurant läuft normal weiter, ich merke nichts und bin zufrieden», sagt er. «Seit Juli läuft es bei uns gut, wir sind zu 90 Prozent ausgebucht.» Die Gäste seien kooperativ, die meisten seien geimpft, niemand beschwere sich beim Einchecken. «Kürzlich hat ein Nachbar seine ID vergessen, als er zu uns essen kam. Er ging nochmals nach Hause, um diese zu holen – damit wir bei einer allfälligen Kontrolle keine Probleme bekommen», erzählt Zünd. Im Betrieb seien inzwischen ebenfalls alle geimpft, auch die jüngeren Angestellten in der Küche. «Dass es wieder gut läuft, ist gut und freut mich. Wir haben in der Pandemie ja auch schon andere Zeiten erlebt», sagt der Federal-­Gastgeber. (pp)

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Gasthof zur Fennern: «Einige fühlen sich nun sicherer vor dem Virus»

Im letzten Monat, seit im Gastgewerbe die Covid-Zertifikatspflicht gilt, habe er keinen bemerkbaren Umsatzrückgang festgestellt, sagt Alain Lardon, Wirt des Gasthofs zur Fennern in Brittnau. Zurückzuführen sei das auf das schöne Wetter. «Zwei Banketts wurden aber abgesagt», ergänzt er. Diese gebe es seit Corona in der Herbst- und Winterzeit aber sowieso selten.

Bei den Gästen gebe es eine weite Bandbreite an Meinungen, so Lardon. «Einige fühlen sich nun sicherer vor dem Virus, andere in die Enge getrieben», sagt er. Jene ohne Zertifikat könnten damit umgehen, dass sie im Aussenbereich sitzen müssen. Jedoch sei dieser nicht vor Wind geschützt, was das Essen draussen schwierig macht. Bei der Kontrolle der Zertifikate habe es aber noch keine Diskussionen mit Gästen gegeben. Verstehen tut der Wirt beide Seiten und die Argumente.

Der einzige Nachteil sei der Mehraufwand bei der Kontrolle der Zertifikate. «Man spürt eine gewisse Unruhe bei dieser Thematik», sagt Lardon. Seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien mehrheitlich geimpft. Die, die nicht über ein Zertifikat verfügen, würden es ohne Diskussionen hinnehmen, mit einer Maske arbeiten zu müssen. Persönlich ist ihm die Zertifikatspflicht lieber als beschränkte Öffnungszeiten oder ein weiterer Lockdown. Der Wirt hofft – trotz der sich in Massen haltenden negativen Auswirkungen – auf eine baldige Rückkehr der Normalität. (ilp)

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Hotel Zofingen: «Ein Bankett mit 230 Leuten wurde abgesagt»

Für Rudolf Günthardt, den Gastgeber des Hotels Zofingen, ist die Zertifikatspflicht die «beste von allen schlechten Lösungen», wie er gegenüber dem ZT sagt. Im Restaurant sei das Handling relativ unkompliziert, die meisten seiner Gäste seien geimpft. «Nur sehr wenige haben bisher versucht, ohne Zertifikat ins Restaurant zu kommen.» Ein Schlaumeier probierte es mit dem Zertifikat seiner Frau.

Schwieriger ist die Situation bei den Veranstaltungen. «Hier haben wir Geschäft verloren», sagt Günthardt. Firmen hätten ihre Weihnachtsessen abgesagt, weil nicht alle Mitarbeitenden geimpft sind. «Beispielsweise wurde ein Bankett mit 230 Leuten abgesagt; so etwas merkt man dann schon.» Im Hotel können theoretisch auch Gäste ohne Zertifikat einchecken – das passiert aber fast nie, denn sie können sich praktisch nur im Zimmer aufhalten. «Ausländische Gäste haben sowieso alle ein Zertifikat.»

Günthardt hofft, dass sich die Situation nach dem 22. Januar – bis dahin gilt die Zertifikatspflicht – weiter normalisiert. «Das Jahr 2020 haben wir abgehakt, das Jahr 2021 haken wir auch ab, wenigstens so, dass wir nicht nochmals einen riesigen Verlust eingefahren haben. Ich hoffe, dass wir 2022 wieder normal arbeiten können und das Jahr 2023 mit dem Jahr 2019 vergleichbar sein wird», so Günthardt. (pp)

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Gasthof Bären: «Vorher gab es immer Diskussionen»

Nein, das Prüfen der Zertifikate sei kein grosser Aufwand, findet Jochen Mauracher, Geschäftsführer des «Bären» in Aarburg, «einzig vor dem Mittag kann es etwas hektisch werden, wenn viele Gäste gleichzeitig zum Essen kommen.» Für Mauracher stellt die Zertifikatspflicht in gewisser Weise eine Erleichterung dar: «Es geht nicht darum, ob man die Zertifikatspflicht befürwortet oder nicht. Aber für mich als Wirt schafft sie wenigstens eine klare Situation, was ich sehr begrüsse. Vorher gab es immer wieder Diskussionen und Gehässigkeiten, weil zum Beispiel Gäste ohne Maske zur Toilette sind und dergleichen. Das ist nun wenigstens vorbei.»

Einen Umsatzverlust bringt die Zertifikatspflicht aber im Gasthof Bären. «Ich schätze, wir machen seit einem Monat rund 20 Prozent weniger Umsatz. Es sind halt doch einige Gäste – vor allem Stammgäste – die nicht geimpft sind», so Mauracher. Ebenfalls spürbar sei, dass aufgrund des Zertifikates weniger Reservationen für Firmen-Weihnachtsessen und ähnliche Veranstaltungen eingingen: «Wir erhalten immer wieder Anfragen, ob wir nicht Ausnahmen machen könnten für ungeimpfte Mitarbeiter, damit sie sich nicht extra testen lassen müssen. Das können wir natürlich nicht, und deshalb finden die Essen dann entweder in kleineren Gruppen statt oder werden gleich ins nächste Jahr verschoben», erklärt Mauracher, der damit rechnet, dass die Zertifikatspflicht bis in den Frühling hinein gelten wird. Besondere Massnahmen in der Gartenwirtschaft, etwa ein Zelt oder Heizstrahler, sind laut Mauracher im Aarburger «Bären» nicht vorgesehen. Das bringe angesichts des bevorstehenden Winters nicht viel. (schwe)

Vorletztes Wochenende: Mein erster Restaurantbesuch seit der Ausweitung der Zertifikatspflicht stand an. Ein regionales Restaurant mit Cordon bleu soll es werden. Da weder «vollständig geimpft» noch «genesen» zutrifft, wurde am Vortag extra ein Antigen-Schnelltest gemacht. Das Resultat kam zügig, doch das Zertifikat blieb aus. Kein Grund zur Panik: Schliesslich dauerte es auch in der Vergangenheit eine Weile, bis das Zertifikat in der App ankam. Und noch ist genug Zeit. Als am nächsten Vormittag das Zertifikat immer noch nicht da war, machte sich langsam Ärger breit. Was bringt das Zertifikat denn, wenn es nur 48 Stunden ab Test gültig ist und erst nach über 24 Stunden ausgestellt wird? Schon die erste Googlesuche offenbarte, dass das BAG ein Problem hatte und einige der in dem Zeitraum ausgestellten Zertifikate nicht gültig waren. Ein Anruf bei der BAG-Hotline brachte keinen Erfolg: Sie seien nur für die Zertifikate der Geimpften und Genesenen zuständig. Mittlerweile wurde die Zeit knapp. Vor dem inneren Auge verschwand der reservierte Tisch und das traumhafte Cordon bleu drohte, Traum zu bleiben. Google enthüllt weiter, dass die Bescheinigung des negativen Testresultats im Restaurant wohl nicht akzeptiert wird ohne den einfach überprüfbaren QR-Code des Zertifikats.

Vor der Reservation lag zu dem Zeitpunkt noch knapp ein Besuch im Testcenter drin. Dort angekommen und an den Einsatzleiter verwiesen, reagiert dieser genervt. Offenbar hat mit der Zustellung des Zertifikats in den letzten Tagen so einiges nicht geklappt. Er erklärte, dass allenfalls ein neuer Transfercode in der App und ein ständiges Aktualisieren der Datenbank seinerseits doch noch zum Zertifikat führen könnte.

Beim Restaurant angekommen, waren dann plötzlich die Zertifikate in den Apps ersichtlich. Hat also doch geklappt. Auf dem Parkplatz eröffnete sich aber ein anderes Problem: Wann muss wohl das Zertifikat gezeigt werden? Schliesslich will man ja nicht mit erhobenem Handy und weit von sich gestreckter Identitätskarte in die Gaststätte laufen. Andererseits will das Vorzeigen nach diesem Marathon auch nicht versäumt werden. Wir entschieden uns, auf die Aufforderung der Servicefachperson zu warten. Doch weder beim Fragen nach dem reservierten Tisch, noch beim Aufnehmen der Bestellung kam die Frage nach dem Zertifikat. Wir wunderten uns ein bisschen, drohen doch bei einer Kontrolle empfindliche Bussen. Etwas ärgerten wir uns, dass der Stress um das Zertifikat wohl nicht nötig gewesen wäre. Das Cordon bleu konnten wir dennoch geniessen. Ohne Maske, ohne Zertifikat vorzuweisen. Fast wie vor Corona.

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Mit der Kälte bricht die Gästezahl ein

«Seit vor zwei Wochen die Temperaturen runtergingen, bekommen wir die Zertifikatspflicht zu spüren», sagt Gery Maurer vom Restaurant Sonne in Kölliken. Solange gutes Wetter geherrscht habe, habe es den Gästen nichts ausgemacht, draussen Platz zu nehmen. «Jetzt will abends niemand mehr draussen sitzen, bei Regen schon gar nicht.» Wer kein Zertifikat habe, komme nicht mehr. Für die Mittagsgäste steht bereits ein Zelt mit Heizstrahlern auf der Terrasse, ein grösseres ist bestellt. Ähnlich klingt es von Betreibern eines Restaurants in Walterswil. Ausser den Mittagsgästen, die draussen essen würden, käme niemand mehr ohne Zertifikat. Ein Zelt sei bereits bestellt.

In ländlichen Gebieten ist die Lage am prekärsten. «Wenn es so weitergeht, gibt es uns in einem halben Jahr nicht mehr», heisst es aus dem Restaurant Sternen in Moosleerau. Anders als in grösseren Gemeinden gibt es dort keine spontan hereinschneiende Kundschaft, man ist auf Stammkunden und Mittagsgäste wie Transportfahrer angewiesen. Vor dem ersten Lockdown hätten sie pro Tag 70 bis 90 Essen ausgegeben, momentan seien es 20 bis 25. In jeder Gruppe, die früher manchmal abends essen gekommen sei, habe es nun mindestens eine Person ohne Zertifikat. Nur durch gutes Zureden könne ab und zu erreicht werden, dass wenigstens ein Teil der Gruppe trotzdem in den «Sternen» komme. Man wisse derzeit nicht, ob man in Heizkörper für die Wintersaison investieren will, denn bisherige covidspezifische Investitionen hätten sich nicht gelohnt. (sif)

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Restaurant Moosersagi: «Mehr Aufwand als sonst irgendetwas»

Bei seinen Gästen, die sich nicht impfen lassen wollen, habe sich die Meinung verhärtet, sagt Oskar Urech, Wirt des Restaurants Moosersagi in Wiliberg. Der Druck löse das Gegenteil aus; sie würden sich eben ­wegen der Covid-Zertifikatspflicht umso weniger impfen lassen. Persönlich lehnt der Wirt die Zertifikatspflicht ab, denn sie sei eine «gefährliche Entwicklung, die unsere Gesellschaft spaltet».

Urech fährt fort: «Meine Gäste nehmen in Kauf, dass sie draussen sitzen müssen.» Den Aussenbereich seines Restaurants habe er deswegen mit einem Zelt und Wärmelampen ausgestattet, was von den Gästen geschätzt werde. Im Innern müssen nur Mitarbeitende, die nicht über ein Covid-Zertifikat verfügen, eine Maske tragen. Eine Spaltung zwischen geimpften und ungeimpften Mitarbeitern erlebe er nicht. «Wir sind ein gutes Team, in welchem verschiedene Meinungen respektiert werden.»

In seinem Geschäft führe die Zertifikatspflicht zu «mehr Aufwand als sonst irgendwas», so Urech. Wer zuvor aus Angst vor dem Virus nicht bei ihm einkehrte, würde es auch jetzt nicht tun. Umsatzmässig habe er im vergangenen Monat, seitdem die Zertifikatspflicht gilt, einen Rückgang von gut einem Drittel gespürt. Die Gäste ohne Zertifikat würden für ein Café oder ein Bier vorbeikommen, aber nur noch ­selten, um zu Abend zu essen, Gäste mit ­Zertifikat kämen trotzdem nicht. (ilp)