
Die Fallzahlen steigen: Das warme Wetter vermag die Pandemie nicht einzudämmen
Das Wetter ist gerade zu schön, um dunklen Szenarien nachzuhängen. Die Tage sind endlich länger und die Mütze, die man morgens noch trägt, verschwindet am Mittag in der Tasche. Nächste Woche soll das Thermometer auf 20 Grad klettern.
Doch von zwei Dingen, die uns in den letzten Wochen aufs Gemüt geschlagen haben, verschwindet nur das eine: der Winter. Die Pandemie hingegen baut sich gerade zu einer dritten Welle auf. Trotz Frühling.
Denn das Wetter hat in der jetzigen Situation (jedenfalls noch) keinen Effekt. Anders war es im Oktober, wo nach einem Temperatursturz exakt zwei Wochen später die Fallzahlen nach oben schnellten. Damals trafen sich die Leute plötzlich öfter drinnen. Doch nun, da man sich ohnehin schon wenig oder mit Vorsichtsmassnahmen drinnen trifft, vermag das Wetter wenig auszurichten. Es könnte sich sogar negativ auswirken: Die Leute vereinbaren endlich mal wieder ein Treffen mit Freunden – draussen zwar, doch dort kann man sich beim Sprechen ohne Maske zu nahe kommen und anstecken.
In warmen Ländern wütet die Pandemie genauso
In den Ländern auf der Südhalbkugel vermochte die warme Jahreszeit der letzten Monate die Pandemie nicht einzudämmen. Zwar begann beispielsweise in Südafrika die erste Welle erst im Juni 2020, als es dort kühler wurde, doch die zweite Welle kam mitten in der heissesten Jahreszeit im Januar. Falls es einen saisonalen Effekt gibt, wurde er von den neuen, ansteckenderen Mutationen ausradiert. So auch im aktuellen Herbst von Südamerika, wo Brasilien, Peru, Chile oder Uruguay ebenfalls stark steigende Fallzahlen verzeichnen.
Dass das Wetter die Pandemie nur gering einzudämmen vermag, zu diesem Schluss kommt auch die «World Meteorological Organization» (WMO) in Genf. Sie wertete verschiedene Studien aus und schrieb vergangene Woche in einem Bericht: «Die Infektionsdynamik im letzten Jahr und Anfang 2021 scheint primär von den Massnahmen der Regierungen beeinflusst worden zu sein – nicht von meteorologischen Faktoren.»
Andere relevante Treiber seien das Verhalten der Leute und neu die Virusmutationen. «Wir haben letztes Jahr Infektionswellen in warmen Jahreszeiten oder warmen Regionen ansteigen sehen, und es gibt keinen Grund anzunehmen, dass dies nicht wieder passieren könnte.»
Sars-Cov-2 ist noch lange keine saisonale Krankheit
Dennoch könnte Sars-Cov-2 einst eine saisonale Atemwegsinfektion werden, wie es die Grippe ist. Der Einfluss der Temperatur und des UV-Lichts auf die Überlebensdauer der Viren in der Luft, der Einfluss der trockenen Luft auf die Abwehrfähigkeit der Schleimhäute, sowie dass sich die Leute im Winter mehr drinnen aufhalten, wird wohl aber erst sichtbar, wenn die Fallzahlen tief sind.
Zu beachten ist auch, dass nicht nur Kälte, sondern auch extreme Hitze das Immunsystem schwächen kann – und sich Leute in heissen Ländern dann vermehrt in klimatisierten Innenräumen aufhalten.
Anfang März sagte Virginie Masserey, Leiterin Infektionskontrolle beim BAG, noch, das Wetter habe positive Auswirkungen auf die Lage. Und Rudolf Hauri, Präsident der Vereinigung der Kantonsärzte, pflichtete ihr bei: «Wir alle freuen uns über den in der Luft liegenden Frühling. Damit wir es geniessen können, müssen wir uns weiter an die Massnahmen halten.»
Jetzt hilft nur noch impfen
Doch nun scheinen diese nicht auszureichen: Am Mittwoch zählte man erstmals wieder mehr als 2000 Neuinfektionen. Aktuell verdoppeln sich die Zahlen alle drei Wochen laut Taskforce-Mitglied Tanja Stadler. Im Mai wären es demnach 8000 wie in der zweiten Welle im November. Allerdings sollen im April grosse Impfstofflieferungen eintreffen. So soll es gelingen, die dritte Welle zu drücken.
Masserey und Hauri lobten den Frühling dennoch nicht zu Unrecht: Der hinausgeschobene Restaurantbesuch, ein Pieks in den Oberarm oder gar Schulschliessungen – das alles lässt sich besser ertragen, wenn die Sonne scheint und die Blumen spriessen. Denn viele in der Bevölkerung sind von der Pandemie vor allem stimmungsmässig betroffen.