
Der Angriff von SVP und FDP auf die Meinungsfreiheit
Was nicht bekannt ist: Auch die FDP hat einen ähnlichen Antrag eingereicht. Er ist noch hängig – und nennt die Taskforce explizit: Sie dürfe nicht mit der Öffentlichkeit kommunizieren. Das gelte für die Gruppe als Ganzes wie für die einzelnen Mitglieder.
Die FDP ist die Partei, die «alle wichtigen Institutionen» schuf
Es erstaunt, dass SVP, FDP und Teile der Mitte gegen Ende der Pandemie einen so weitreichenden Maulkorb für die Wissenschaft fordern. Gerade erst hat die SVP vor einer Diktatur des Bundesrates gewarnt. Die FDP wiederum ist die Partei, «die alle wichtigen Institutionen in diesem Land geschaffen und entwickelt hat», wie sie in ihrer Vision von 2018 selbst schreibt. Die ETH ist ein Beispiel dafür.
Die Taskforce ist zwar kein demokratisch gewähltes Gremium. Sie ist aber demokratisch legitimiert. Sie hat ein Mandat von Innendepartement (EDI) und Bundesamt für Gesundheit. Die Behörden haben aber eines verpasst: klare Regeln aufzustellen in der Kommunikation nach aussen. In ausserparlamentarischen Kommissionen ist es üblich, dass sich nur der Präsident äussert. Die Mitglieder schweigen.
Die Politik nahm die Kritik auf Twitter als Kritik der Taskforce wahr
Das Covid-Mandat gesteht den Taskforce-Mitarbeitern aber weitgehende Rechte zu: Sie dürfen sich frei äussern, wenn sie dies privat als Forschende tun – und deklarieren. Die Trennung erwies sich als Illusion. Die Politik nahm die Kritik auf Twitter von Wissenschaftern wie Christian Althaus und Marcel Salathé als Kritik der Taskforce wahr. Auch für die Öffentlichkeit war schwer erkennbar, wer in welcher Rolle spricht.
Dass SVP und FDP das Kind mit dem Bade ausschütten und die Taskforce mundtot machen wollen, lässt ungute Vorahnungen aufkommen – an autoritäre Staaten wie Ungarn, die immer stärkeren Einfluss auf die Wissenschaft nehmen. Die Taskforce hat unter Präsident Martin Ackermann an Glaubwürdigkeit zugelegt. Ohne sie gäbe es keine akzeptierten Kriterien wie R-Wert, 14-Tages-Inzidenz und Test-Positivitätsrate. Die Wissenschaft liefert wichtige Entscheidungsgrundlagen für den Bundesrat.
Wer schlechte Nachrichten überbringt, wird bestraft
Nur sind das halt oft schlechte Nachrichten. Und wer solche überbringt, läuft Gefahr, bestraft zu werden. Das ist eine alte Weisheit, die schon der Gelehrte Galileo Galilei zu spüren bekam. Er erbrachte im 17. Jahrhundert den Nachweis, dass sich die Erde um die Sonne dreht. Die katholische Kirche zwang Galilei, seine Lehre zu widerrufen. 1992 wurde er rehabilitiert.
Als nächstes könnten Medienschaffende davon betroffen sein. Das hat schon die Pandemie verdeutlicht. Es wurden nicht nur über sieben Grundrechte ausser Kraft gesetzt. In den Kantonen gab es auch Probleme mit der Medienfreiheit: mit Zugangssperren, Aussageverweigerungen bis hin zu Zensur. Das zeigte eine Umfrage der Gewerkschaft Impressum.
Ausgerechnet ein Freisinniger rüttelt an einem Pfeiler der Pressefreiheit
Nun rüttelt ausgerechnet ein Freisinniger an einem Pfeiler der Pressefreiheit. Ständerat Andrea Caroni, ein Verfassungsrechtler, der in Anspruch nimmt, für die Grundrechte einzustehen, stellt die Aufhebung des Quellenschutzes zur Diskussion. Weil die Gerichtskommission, die er präsidiert, bei der Suche nach einem neuen Bundesanwalt mit massiven Lecks kämpft.
Doch – werden hier die Dinge nicht in viel zu düsteren Farben gemalt? Leider nein. Die Pandemie hat uns vor Augen geführt, dass Grundrechte, Freiheit und Demokratie auch in der Schweiz labiler sind, als wir uns je hätten vorstellen können. Die neuen anti-demokratischen Tendenzen von SVP und FDP stimmen deshalb nachdenklich.
Denn: Freiheiten sind schneller verschenkt als erkämpft.