
Die Mehrheit der Gemeinderäte ist parteilos
Bereits in elf Wochen starten im Bezirk Zofingen die kommunalen Wahlen (die Stadt Zofingen eröffnet den «Wahlreigen» am 25. April). Es gilt insgesamt 17 Gemeindeammänner und Vizeammänner, weitere 51 Gemeinderatsmitglieder, die Steuer- und Finanzkommissionen, die Stimmenzähler und für Zofingen den Einwohnerrat zu bestellen. Da und dort wird es zu Kampfwahlen kommen, primär geht es aber darum, Bürgerinnen und Bürger zu finden, welche bereit und in der Lage sind, sich für ihre Wohngemeinde zu engagieren.
Schon seit Jahren können (oder wollen) es sich viele Arbeitgeber angesichts des wirtschaftlichen Drucks nicht mehr leisten, Angestellte für öffentliche Aufgaben freizustellen – etwas, was sich in der Corona-Krise verschärfen dürfte. Hinzu kommt eine schwindende Bereitschaft des Einzelnen, sich für die Gemeinschaft einzusetzen. Ein Phänomen, von welchem Gemeinden wie Vereine betroffen sind. Seine Ursache dürfte mit der zunehmenden Individualisierung unserer Gesellschaft zu tun haben, aber auch mit der Tatsache, dass wir uns in einer Zeit befinden, in welcher der ehren- oder nebenamtliche Einsatz für das Gemeinwohl mit immer weniger Ansehen verbunden ist. Glücklicherweise sank die Zahl der für ein kommunales Amt zu rekrutierenden Personen zwischen den Wahljahren 2017 und 2021 massiv. Mit der Abschaffung der Schulpflegen fallen gesamtkantonal 885 Mandate weg. Und die Zahl der Gemeinden ist im neuen Amtsjahr dank Gemeindefusionen um deren zehn kleiner geworden und beträgt am 1. Januar 2022 deren 200.
Zur Erinnerung: Im Jahr 2018 haben Lupfig und Scherz fusioniert, 2019 Attelwil und Reitnau, 2020 Brugg und Schinznach Bad. Am Neujahrstag 2022 sind die Hochrheinorte Bad Zurzach, Baldingen, Böbikon, Kaiserstuhl (eine Kleinstgemeinde mit Stadtrecht), Rekingen, Rietheim, Rümikon und Wislikofen eine Gemeinde. Die Gemeinderatswahlen für die neue Gemeinde Zurzach haben die acht Orte 2020 in zwei Wahlkreisen – ein Kuriosum – durchgeführt und für die Startphase eine siebenköpfige Behörde bestimmt.
Auch ohne Schulpflegen und mit zehn Gemeinden weniger: Die Zahl der für das Funktionieren unserer Kommunen benötigten Milizionäre ist noch immer gewaltig und beziffert sich auf rund 4000 Personen. Auf die Kandidatinnen und Kandidaten wartet nach ihrer Wahl keine leichte Aufgabe. Das gilt speziell für jene, die für Gemeinderatssitze gewonnen werden konnten. Die zu bearbeitenden Themen sind anspruchsvoll und komplex, der Arbeitsanfall beachtlich, und der auf den Behördenmitgliedern lastende Erwartungsdruck einer anspruchsvollen Bevölkerung ist enorm.
Zu einer immer grösseren Belastung wird die Aufgabenteilung zwischen Bund, Kanton und Gemeinden. In ihrem Rahmen werden Vollzugsaufgaben zum Hauptauftrag der Gemeinden. Die viel beschworene Gemeindeautonomie beschränkt sich immer mehr auf die Ausführung von Bundes- und Kantonsaufträgen. Das gilt speziell für den Umwelt- und Naturschutz, Bau und Planung. Hier ist der Vollzug brisanter als die Gesetzgebungsarbeit auf Bundes- respektive Kantonsebene.
Interessant im Zusammenhang mit dem aktuellen «Glarner-Knatsch» in den Reihen der SVP: Die traditionellen Parteien sind in den Gemeinden seit Jahren auf dem absteigenden Ast. 2017 galt es gesamtkantonal 1072 Gemeinderatssitze zu besetzen. 572 gingen an Parteilose oder Gemeindegruppierungen. Die SVP brachte es auf 173 Mandate, die FDP auf 154, die CVP auf 95 und die SP auf 60. 18 gingen an «andere Parteien», zu denen GLP, Grüne und EDU zählen.