
Sie nehmen uns die Zuversicht – die Mutanten: Jede Woche gibt es doppelt so viele
Die Fallzahlen sinken laufend, doch die mutierten Coronaviren nehmen uns die Zuversicht. Ganze Schulklassen werden in Quarantäne geschickt, weil ein Schulkind oder die Lehrperson an einem mutierten Virus erkrankt ist. Einem Virus, das dem Begriff «variant of concern» (VOC) zugeordnet wird. Concern steht für bedenklich und besorgniserregend. Zwar ist nicht jedes veränderte Coronavirus, das etwa alle zwei Wochen mutiert, ein Problem. Wenn dabei gegenüber dem Wildtyp von Sars-CoV-2 schädlichere biologische oder epidemiologische Eigenschaften beobachtet werden, aber schon.
Noch keine brasilianische Variante in der Schweiz
Solche VOC’s sind die im Dezember in Grossbritannien und Südafrika entdeckten Varianten, die eine deutlich erhöhte Übertragbarkeit des Virus zeigen. Gefürchtet wird auch die brasilianische Variante. Diese ist in der Schweiz bis heute noch nicht festgestellt worden. Das bestätigt aktuell auch der Chef des Labors Risch, Lorenz Risch.
Die südafrikanische Variante spielt noch keine Rolle
Dafür breitet sich vor allem die britische Variante B.1.1.7 weiter aus, weniger die südafrikanische Variante B.1.351. Das Departement Biosysteme der ETH Zürich berechnet laufend aus den Stichproben wie hoch die Anteile der Mutanten sind. Die aktuelle Schätzung zeigt, dass zehn Prozent aller Infizierten in der Schweiz eine mutierte Variante aufweisen. Genauer gesagt 9,9 Prozent der britischen Variante und 0,14 Prozent der südafrikanischen.
Die britische Variante verdoppelt sich wegen ihrer 40 bis 70-prozentigen höheren Ansteckungsrate ungefähr jede Woche. So lässt sich nach Aussage von Taskforce-Chef Martin Ackermann die Ausbreitung der britischen Variante B.1.1.7 in der Schweiz nicht mehr verhindern. Im März dürfte diese Variante in der Schweiz wohl etwa die Hälfte der Infektionen ausmachen, vermutet Ackermann. Deshalb müsse die Gesamtzahl der Neuinfektionen vermindert werden, um die Mutationen nicht aufkommen zu lassen.
Am Donnerstag hat das Bundesamt für Gesundheit (BAG) 1548 Infizierte mit einer gefährlichen Variante aufgelistet. Davon tragen 654 die britische Variante B.1.1.7 und 35 die südafrikanische Variante B.1.351. 859 Fälle sind noch unklar, gehören aber auch zu den VOC’s. Auf Kantonsebene sieht man in Genf mit 239 Fällen deutlich am meisten Mutationen. Hohe Zahlen weisen Zürich mit 213, Bern mit 203, Waadt mit 141 und Graubünden mit 122 auf. Tiefer liegen nach dieser Auflistung des BAG die Kantone St.Gallen, Aargau, Luzern und Thurgau mit VOCs von 87, 49, 30 respektive 26 Fällen.
Diese Zahlen sagen nicht sehr viel aus. Die Stichproben zeigen in erster Linie, dass es abgesehen von Uri und Obwalden in allen Kantonen Infizierte mit Varianten gibt. Und mit hoher Wahrscheinlichkeit gibt es die auch in diesen Innerschweizer Kantonen. Die aufgelisteten Summen seien nicht repräsentativ, erklärt Yann Hulmann vom BAG. Die Zahlen seien in den Kantonen zu tief angesetzt, in denen nur wenig oder gar kein Proben-Material sequenziert wurde.
Sequenzierungen an wenigen Orten in der Schweiz
Die Mutanten sind nicht so leicht zu finden. Das Labor Risch untersucht durchschnittlich zwischen 2000 bis 4000 Proben pro Tag, Daraus müssen allfällige VOC erkannt werden. Das Labor arbeitet mit elf verschiedenen Methoden und schon mit der Hauptmethode sei es möglich, zu Beginn einen Hinweis darauf zu erhalten, ob die britische Variante ausgeschlossen werden könne. «Wir prüfen jede in der ersten Testung positive Probe mit einer weiteren spezifischen PCR-Analyse, sodass wir erkennen, ob es sich um eine VOC aus Grossbritannien, Südafrika oder Brasilien handelt. Für die VOC’s arbeiten wir bezüglich Sequenzierung mit der Mikrobiologie des Universitätsspitals Basel und dem Nationalen Referenzzentrum CRIVE in Genf zusammen.», sagt Risch.
Rätsel um die brasilianische Variante
Die grösste Gefahr der VOC’s sind deren hohe Ansteckungsrate. Bei der brasilianischen Variante wird eine verminderte Effektivität von neutralisierenden Antikörpern vermutet. Das könnte die Wirkung der Impfung beeinflussen. «Im Moment finden sich In-vitro-Daten, welche solche Mechanismen möglich erscheinen lassen. Ob sich das im realen Leben bewahrheitet, werden letztlich epidemiologische Studien klären», sagt Lorenz Risch.
Keine schwereren Erkrankungen
Die Pharmafirma Moderna hat erste Untersuchungen in dieser Richtung gemacht und dabei zwar eine Verringerung der Antikörperpotenz bei der südafrikanischen Variante festgestellt. Der Gehalt an neutralisierenden Antikörpern bleibe aber über dem Niveau, der für einen Schutz notwendig sei. Die britische Variante ist für die Impfung kein Problem. Bei all diesen VOC’s zeigt sich auch, dass sie nicht zu schwereren Covid-19-Erkrankungen führen als der Sars-CoV-2-Wildtyp.