«Ich wollte mich zuerst nicht impfen lassen»: Wie eine Lernende in der Pflege die Coronakrise erlebt

Im Süssbach herrscht derzeit reger Betrieb. Heute werden alle Kunden und Mitarbeitenden geimpft, die der Schutzmassnahme gegen das Coronavirus zugesagt hatten. Zwei Tage zuvor treffen wir auf der Station C1 Joana Cunha, eine junge, aufgestellte Frau, die ihre Lehre im Pflegezentrum macht.

Die 18-Jährige steht kurz vor ihren Abschlussprüfungen. Auch sie soll heute geimpft werden. «Ich wollte mich zuerst nicht impfen lassen. Aber nach einem Gespräch mit einem Arzt und meinem Onkel, der im Labor arbeitet, habe ich mich nun dafür entschieden», erzählt sie. Und: «Ich hoffe, dass dadurch die Lage bald bessert.»

Keine privaten Kontakte, dafür viele Kleiderwechsel bei der Arbeit während des Lockdowns

Das vergangene Jahr war nicht einfach, die Coronakrise hat den Alltag der Lernenden aus Riniken auf den Kopf gestellt. Durch die Arbeit mit stark gefährdeten Personen hatte die Pandemie einschneidende Auswirkungen auf alle Bereiche ihres Lebens. Sie schildert die Situation im letzten Frühling:

«Ich habe mich überhaupt nicht mehr mit Kollegen getroffen. Wir waren im Lockdown, das Pflegezentrum war geschlossen. Auf den Stationen war nicht viel los, alle Kunden mussten in ihrem Zimmer bleiben. Die Kleiderwechsel nach jedem Zimmerbesuch waren extrem aufwendig.»

Ihre Arbeit bezeichnet Cunha nichtsdestotrotz als ihren Wunschberuf. «Ich hatte schon immer den Traum von einer Tätigkeit im Gesundheitswesen», sagt sie. Nach einigen Schnuppertagen in der Apotheke, beim Tierarzt und im Kindergarten landete sie im Süssbach – dort hat ihr der Schnuppertag am besten gefallen. «Durch meinen Cousin, der hier ebenfalls gearbeitet hat, bin ich auf das Süssbach Pflegezentrum aufmerksam geworden und habe schliesslich hier meine Lehre begonnen», erzählt die gebürtige Portugiesin.

«Für mich ist der Kontakt zu den Kunden wichtig. Ich nehme mir immer vor, mit allen Bewohnern zu reden. Es ist immer schön, wenn man sich Zeit für die Menschen nimmt und sie sich darüber freuen. Daraus schöpfe ich die Kraft, um mit der schwierigen Lage zurechtzukommen, in der wir uns befinden.»

Nach dem Lockdown für eine zweiwöchige Auszeit nach Portugal zu den Grosseltern

Bei der Meisterung der Doppelbelastung aus Lehre und Coronakrise steht ihr ihre Familie bei. «Meine Eltern sind sehr hilfsbereit und unterstützen mich, wo sie können», meint Cunha. «Um Energie zu tanken, bin ich zudem nach dem ersten Lockdown für zwei Wochen zu meinen Grosseltern nach Portugal gereist – natürlich unter Einhaltung aller Schutzmassnahmen. So konnte ich Abstand gewinnen und einen Ausgleich schaffen nach der schwierigen Zeit im Lockdown», erklärt sie.

Seit sich die Krise wieder verschärft hat, gestaltet Cunha ihre Freizeit sehr bedacht. «Bei mir liegt die Priorität auf meiner Familie und meinen Freunden. Auch wegen ihnen bleibe ich zu Hause und setze mich keinem unnötigen Risiko aus. Jetzt lese ich lieber ein Buch oder schaue fern und gehe spazieren, anstatt Menschen zu treffen.»

Momente des Wiedersehens bescherten Bewohnern und Pflegenden grosse Freude

Besonders einprägsam erlebte die 18-Jährige den Moment, als die Bewohnenden des Pflegezentrums nach aufgehobener Isolation wieder ihre Angehörigen sehen durften:

«Unsere Kunden hatten so eine grosse Freude, dass sie auf uns übergesprungen ist. Ich arbeite neun Stunden am Tag mit diesen Menschen zusammen, da freut man sich bei solchen Ereignissen natürlich mit.»

Auch zwischen den Angestellten sei die Kommunikation und die Zusammenarbeit durch das gemeinsam Erlebte gewachsen. «Es mussten alle Ausdauer und Geduld beweisen, um die schwierigen Phasen zu überstehen – das hat sich bemerkbar gemacht. Man hilft sich gegenseitig aus», beschreibt Cunha die Stimmung unter dem Personal.

Lehrabschlussprüfungen stehen kurz bevor, der Fernunterricht erschwert die Vorbereitungen

Nun blickt die junge Pflegende nach vorne und will sich auf ihren Abschluss konzentrieren. Im März steht bereits die praktische Prüfung bevor, im Mai und Juni folgen dann die theoretischen Examen. «Der Fernunterricht in der Berufsschule erschwert das Ganze schon ein wenig. Gerade vor dem Abschluss tauchen viele Fragen auf. Das alles online zu klären, ist komplizierter, als wenn man einfach vor Ort bei der Lehrperson nachfragen kann.»

Für die Zeit nach dem Abschluss schwebt der jungen Pflegerin dann eine weitere Ausbildung an der höheren Fachschule vor. «Die Arbeit im Süssbach gefällt mir sehr, aber mich reizt die Aussicht auf mehr Abwechslung. Ich will gerne im Akut-Spital arbeiten und auf diese Weise noch mehr Erfahrungen sammeln.»