Mein neues Hobby: das Reduzieren

Seit bald einem Jahr ist der Alltag nicht mehr so, wie er war. So viel wie möglich zu Hause bleiben, lautet das Motto. Gut, ist in Ordnung. Ich bin eigentlich gerne zu Hause. Aber je länger die Pandemie dauert, desto mehr fällt mir die Decke auf den Kopf. Und was macht man dann? Genau, man sucht sich für die Freizeit eine Beschäftigung – bewusst oder unbewusst, sinnvoll oder nicht.

Irgendwann merkte ich, dass der Griff nach der Zigi immer öfters erfolgte. «Aber das kann es nun wirklich nicht sein», dachte ich mir, während ich den Glimmstängel betrachtete. Also zwang ich mich, die Anzahl der Zigis zu reduzieren. Erfolgreich. Tut der Gesundheit gut, ebenso dem Portemonnaie.

Aber dann fiel mir auf, dass ich nun zwar weniger rauchte, dafür aber gefühlte 50 Mal am Tag in der Küche stand. Kennen Sie das auch? Kühlschrank öffnen, unentschlossen schauen, manchmal was rausnehmen, manchmal aber auch einfach wieder schliessen und zurück aufs Sofa. Lust? Frust? Langeweile? In den meisten Fällen aber wohl kein Hunger. «Herrje! In Zeiten, in denen die Fitnesscenter geschlossen sind, sind die zahlreichen Kühlschrankbesuche auch keine gute Idee», huschte mir durch den Kopf. Also: Reduzieren. Auch die Waage wird es mir danken.

«Es hat ja auch etwas Gutes, wenn die Läden geschlossen sind. Dann kannst du nicht shoppen gehen und sparst Geld», sagte mir eine Freundin während eines Telefonats. Was für ein Trugschluss, dachte ich mir. Seit der Pandemie habe ich fürs Online-Shopping mehr Geld ausgegeben, als ich dies in den Läden gemacht hätte. Anfangs waren es nur Kleidung und Schuhe, dann kamen Kosmetika dazu und inzwischen bin ich bei meiner Wohnungseinrichtung angelangt. «Dieser rosarote Teppich ist einfach zum Niederknien», fand ich. Ab in den Warenkorb damit! Als es mit der Bestellung aber nicht auf Anhieb klappte, fiel es mir wie Schuppen von den Augen: «Halt, stopp! Was machst du da wieder?» Ich liess es sein und sah mich in meiner Wohnung um. «Eigentlich hast du viel zu viele Sachen», sagte die Stimme in meinem Kopf. Was kam dann? Genau: Reduzieren! Inzwischen habe ich die eine oder andere Sache verkauft.

Ich war eigentlich recht gut unterwegs mit meinem neuen Hobby, dem Reduzieren – bis vor Kurzem. Per Videocall hielten meine Freundinnen und ich einen Schwatz ab. Am Tag zuvor noch hatten wir uns gegenseitig ausufernd gelobt, wie gut wir unsere Kauflust im Griff hätten. Dann aber sagte eine meiner Freundinnen diesen einen Satz: «Übrigens, heute bis Mitternacht ist Sale bei Zalando.»

Sie können sich nun vorstellen, was passiert ist. Alle Dämme sind gebrochen. Ich war am Kühlschrank, habe mir während dem Naschen Kleider im Wert von mehreren Hundert Franken bestellt – und natürlich auch den rosafarbenen Teppich. Anschliessend war ich zuerst happy, nach und nach aber kam das schlechte Gewissen; ich war gefrustet. «Was ist nun mit deinem neuen Hobby, dem Reduzieren?!», warf ich mir selber vor. Die Antwort liess einen Moment auf sich warten.

Ich zündete mir eine Zigi an und fand: «Dann fang ich jetzt halt an zu stricken.»