
Wie Aargauer Läden mit dem Lockdown umgehen – und wie sie dem Bundesratsentscheid entgegen bangen
Leserei Zofingen: «Ich denke, dass wir überleben werden»
Corina Friderich, Inhaberin des Zofinger Büchergeschäftes «Leserei». © zvg
Die Inhaberin des Zofinger Büchergeschäfts «Leserei» lässt sich von der behördlichen Schliessung den Mut nicht nehmen: «Wir machen das Beste daraus und ich denke, dass wir es überleben werden», sagt Corina Friderich. Die Leserei hat einen Onlineshop, der vorher schon gut lief. «Nun haben wir einen Lieferservice und ein Abholfenster eingerichtet.» Vom Bund wünscht sie sich vor allem eine einheitliche Regelung für alle Kantone. Vom Kanton wünscht sie sich mehr Klarheit: «Die Verunsicherung ist auch im Aargau gross. Zum Beispiel hier in Zofingen darf die Papeterie offen haben und Bücher verkaufen, bei uns ist es aber ein Problem.» Die Fachgeschäfte hätten im Moment keinen grossen Stellenwert, obwohl sie die Stadt belebten. Corina Friderich fordert, dass die kleinen Geschäfte finanziell unterstützt werden. Dabei denkt sie auch an die anderen Geschäftsinhaber: «Gerade diejenigen, die nicht online verkaufen können.»
Uhrenbijouterie Droz Zofingen: «Jetzt hängen wir in der Luft»
Rainer Sorg, Geschäftsführer der Uhrenbijouterie Droz in Zofingen © zvg
«Im Sommer haben wir gut gearbeitet. Aber die Tage kurz vor Weihnachten hätten wir noch gebraucht, das hätte uns ein Polster gegeben.» Dieses ist nun weggefallen – und die zwei Uhren- und Schmuckläden von Rainer Sorg in Zofingen und Bremgarten «hängen in der Luft.» Er hat Kurzarbeit beantragt, wartet aber immer noch auf die Genehmigung seines Gesuches.
Der Goldschmied bedauert die Ungerechtigkeit der Situation: «Sie haben die Altstädte geschlossen – also jene Standorte, die vorher schon am Kämpfen waren.» Unterdessen wachsen Online-Händler, Grossverteiler haben weiterhin offen und verkaufen nicht nur Lebensmittel. «Es kann einfach nicht sein, dass diese Pandemie auf Kosten der Kleinläden und der Gastronomie geht», sagt Sorg.
Münzen Huber Aarau: «Nicht mit Almosen abspeisen, sondern entschädigen»
Patrick Huber in seinem Geschäft Münzen Huber an der Vorderen Vorstadt 9 in Aarau.
© Chris Iseli
«Eine ganze Branche wird geopfert, und niemand widerspricht.» Auf dem Bau, bei Banken oder Versicherungen: Nirgends sei ein Lockdown ein Thema, sagt Patrick Huber vom Münzen Huber in Aarau. Dafür beim Gewerbe, wo sich, laut offiziellen Zahlen des Kantons, kaum jemand anstecken würde. «Da fehlt doch die Verhältnismässigkeit.» Auf Anfrage können bei Münzen Huber immer noch Münzen gekauft oder verkauft werden. Damit macht Huber aber nur einen Bruchteil des Umsatzes. Er ist auf Laufkundschaft angewiesen. Huber bekommt Erwerbsersatz. Dieser sei aber ein vielfaches tiefer als die Kosten, die er noch habe. Und privat leben, das müsse er ja auch noch irgendwie. Permanent schliessen muss Huber sein Geschäft zwar nicht gerade, auch nicht wenn der Lockdown bis Ende Februar verlängert wird. Er lebt von den Reserven, die er in den vergangenen 30 Jahren angespart hat. «Es ist an der Zeit, dass man die Opfer der Massnahmen wirklich entschädigt, und nicht mit Almosen abspeist.»
Radio TV Bolliger Aarau: «Wenn nur in einzelnen Kantonen die Läden zu sind, bringt das doch nichts»
2018 übernahm Michael Ulrich (links) das Geschäft Radio TV Bolliger in Aarau von Mark Bolliger, Enkel des Gründers. © Chris Iseli
Der Betrieb bei Radio TV Bolliger in Aarau steht nicht gänzlich still. Radios und Fernsehgeräte für Kunden werden repariert, wer per Telefon etwas bestellt, darf es abholen kommen und zu Hause bei den Kunden Geräte installieren, das darf das Team rund um Geschäftsleiter Michael Ulrich weiterhin. «Damit machen wir immerhin ein klein wenig Umsatz», sagt Ulrich. In existenzielle Nöte bringt der Lockdown Ulrich nicht. Auch nicht, wenn er bis Ende Februar verlängert werden sollte. «Wir haben in den vergangenen Jahren gut gearbeitet und sind deshalb gut aufgestellt.» Die Hälfte der Mitarbeiter ist in Kurzarbeit, er selbst bekommt aber nichts. Ein Hauptproblem für Ulrich: Die Bestimmungen, wer wie lange öffnen darf, und wer wie viel Unterstützung bekommt, ändern sich ständig. So etwa auch, wen er alles für Kurzarbeit anmelden darf. «Damit kann man die Zukunft nicht wirklich planen.» Dass er bald wieder öffnen kann, daran glaubt Ulrich nicht. Doch wenn der Lockdown schon verlängert werde, dann immerhin schweizweit, sagt Ulrich: «Wenn nur in einzelnen Kantonen die Läden zu sind, dann bringt das doch nichts.»
Knecht Schuhe Frick: «Ich werde mit Standardantworten vertröstet»
Cécile Knecht vor ihrem geschlossenen Laden «Knecht Schuhe» in Frick. © Britta Gut
Cécile Knecht hat ihren Schuhladen im April 2020 übernommen, mitten in der Pandemie. Finanziell ist es schwierig: «Es ist unglaublich, welche Steine die Behörden einem in den Weg legen.» Ununterbrochen schreibt sie und fragt nach, wie es mit der finanziellen Unterstützung aussieht. Bisher ist keine Auszahlung erfolgt: «Ich werde mit Standardantworten vertröstet.» Dass nur einzelne Läden und vor allem auch nur in gewissen Kantonen von der Schliessung betroffen sind, versteht sie nicht. «Weshalb ein Blumenladen oder eine Papeterie lebensnotwendiger sind als Schuhe, sehe ich nicht ein. Ich bekomme viele Anrufe von Menschen, die Winterschuhe brauchen.» In Frick gäbe es auch viele ältere Menschen, die nicht online einkaufen. Sie durfte zwar Schuhe bereitstellen, aber das sei nur ein Tropfen auf den heissen Stein. «Ich erwarte vom Bund, dass einheitlich und gesamtschweizerisch entschieden wird. Und zudem soll er es für kleine Geschäfte einfacher machen, was die finanzielle Unterstützung betrifft.»
Green Diamond Frick: «Ich lebe von Laufkunden»
René Diem vom CBD-Laden Green Diamond in Frick. Thomas Wehrli
Kein Hanf mehr im CBD-Laden «Green Diamond» in Frick. René Diem hat zwar ein Online-Angebot, aber sein Geschäft lebt von der Vitrine und den Hanfdüften in seinem Laden an der Widengasse 16. Der Gewerbler versteckt seine Wut gegen den Kanton nicht: «Wieso haben sie das Weihnachtsgeschäft vernichtet?» Der Alleingang des Aargaus ist für ihn unverständlich. Ihm bleibt ein fahler Geschmack von Ungleichheit im Mund – einige Läden dürfen Kunden empfangen, andere wiederum nicht, das scheine alles so willkürlich.
Er steckt seine Hoffnung in einem vereinfachten Zugang zur Kurzarbeit: Wenn ich nur schon diese beziehen könnte, wäre mir sehr geholfen.» Unterdessen versucht er, sich auf seine Stammkundschaft abzustützen: «Die Kunden können mich einfach anrufen, und ich schicke ihnen die Ware zu. Zuhause hocken bringt nichts.»
gutschlafen.ch Möriken-Wildegg: «Werden dafür bestraft, dass wir gut gearbeitet haben»
Bea Weber in ihrem Bettenhaus gutschlafen.ch; noch an der alten Adresse in Birr, seit einem Jahr ist das Geschäft in Wildegg.
© Chris Iseli
«Das Team hat sich unglaublich eingesetzt. Wir haben gearbeitet, um den verlorenen Umsatz aufzuholen. Und dafür werden wir jetzt bestraft.» Weil das Team vom Bettenfachgeschäft gutschlafen.ch sich so eingesetzt hat, hat der Betrieb vergangenes Jahr gut überstanden. Der Umsatz ging nicht zurück, so dass sie jetzt Anspruch auf finanzielle Unterstützung hätten, sagt Geschäftsführerin Bea Weber. Jeden Monat, den das Geschäft zu ist, verliert es einen sechsstelligen Betrag. Und dies bei gewissen Fixkosten, die gleich geblieben sind. «Das geht auf Dauer nicht gut», sagt Weber. Das Problem: Online kann Weber nicht wirklich geschäften. Sie muss die Kunden im Laden haben, sehen wie sie liegen, was für Probleme sie im Schlaf haben, damit sie ihnen helfen kann. Einen Antrag, um einzelne «Notfälle» in den Laden lassen zu dürfen, hat sie deswegen gestellt. Der Umstand ist für Weber und ihr Team aber auch Glück im Unglück: «Wer jetzt Probleme mit dem Schlaf hat, wird die auch noch im Frühling haben.» Webers Geschäft soll es dann so oder so noch geben: «Ich werde nie schliessen. Das kommt für mich nicht in Frage.»
Möbel Meier Brugg: «Der Kunde verreist in die anderen Kantone»
Das Möbelhaus «Möbel Meier» in Brugg ist ein Familienbetrieb: (von links) Martin und Marlis Kamber, Christoph und Marianne Kamber. © Mario Heller
Das familiengeführte Möbelgeschäft in Brugg trifft der zweite Lockdown gleich doppelt, denn im Kanton Solothurn betreibt Christoph Kamber ein zweites Möbelgeschäft. «Bereits seit Einführung der Maskenpflicht im November hatten wir einen Frequenzrückgang bei den Kunden.» Dass die Ladenschliessungen nicht gleich schweizweit eingeführt wurden, versteht er nicht: «Der Kunde ist mobil und verreist natürlich in die anderen Kantone.» Seine Angestellten sind seit Dezember erneut in Kurzarbeit: «Es ist für uns extrem hart, denn die letzte Woche im Dezember und die ersten drei Wochen im Januar sind Hochfrequenzwochen.» Online verkaufen sei keine Option: «In unserem Preissegment ist die persönliche Beratung das A und O.» Vom Bund fordert er eine einheitliche Handhabung der Schliessungen: «Sie sollen den Lead übernehmen», so Christoph Kamber.
Citymode Waeber Wohlen: «Der Bund muss übernehmen»
Roger Waeber aus Wohlen führt das Damen- und Herrenmodegeschäft «Citymode Waeber».
© zvg
Bisher musste Citymode Waeber 12 Wochen wegen des Coronavirus schliessen. Das Damen- und Herrenmodegeschäft in Wohlen wird in dritter Generation von Roger Waeber und seiner Schwester Conny geführt. Das Traditionsunternehmen besteht seit 65 Jahren. Nebst dem Lockdown musste Waeber auch Umsatzeinbusse einstecken, da sich Leute generell weniger Kleider kaufen, unter anderem wegen abgesagten Hochzeiten. Die Covid-Kredite der ersten Welle belasten ihn zusätzlich.
Nun verlangt Waeber à-fonds-perdu-Beiträge, eine Vereinfachung der Gesuchsprozesse und dass der Bund wieder Klarheit schafft: «Das Vorgehen, dass jeder Kanton eigene Regeln und Verschärfungen bestimmt, ist nicht zielführend. Aus epidemiologischer Sicht macht es ja keinen Sinn, wenn die Aargauer nach Zürich, Basel oder Luzern einkaufen gehen.»
Brockenhaus Wohlen: «Ich bin eigentlich Konkurs»
Angelika Wernli vom Brockenhaus in Wohlen an der Zentralstrasse 64.
© Marc Ribolla
«Eigentlich wären Brockenstuben gerade in jener Zeit wichtig, in der viele Menschen in Geldnöte geraten», sagt Angelika Wernli. Sie verkaufe schliesslich ja auch für den Alltag wichtige Gegenstände, die auch der Coop gegenüber ihrer Brocki in Wohlen weiterhin anbietet – Pfannen und Kleider etwa.
Vom Kanton erhielt sie aber bis jetzt keine definitive Antwort, ob sie nun ihre Brockenstube öffnen dürfe oder nicht. Mit drei Kindern und einem Vollzeit arbeitenden Mann kann sie keine Hausräumungen durchführen. Weil die Brocki nun zu ist, hat sie gar kein Einkommen, während die Miete jeden Monat anfällt. «Die Brockenstube habe ich nach dem Tod meines Vaters übernommen – mir liegt viel an ihr.» Ihr Versuch, das Geschäft auf online zu verlagern harzt – und auf eine ausreichende Hilfe des Kantons zählt sie nicht.
Keedo Baden: «Ich fühle mich komplett allein gelassen»
Nina Hirzel (links) vom Kinderkleiderladen Keedo in Baden. © zvg
Nina Hirzel und ihre Mutter, Mirjam Strebel, die zusammen den Kinderkleiderladen Keedo in Baden führen, fallen überall durch. Kurzarbeit bekommen sie keine, weil ihnen das Geschäft gehört. Härtefall-Gelder gibts nicht, weil das vergangene Jahr zu wenig schlecht war, als dass sie jetzt Anspruch hätten. In der aktuellen Situation hilft ihnen das wenig. Umsatz machen sie praktisch keinen mehr, Miete, Lagerkosten und Versicherungen müssen sie trotzdem bezahlen. Und Hirzel traut sich nicht, die eine Mitarbeiterin, die in einem kleinen Pensum angestellt ist, für Kurzarbeit anzumelden. «Ich habe Angst, dass ich deswegen später, sollte es irgendwann doch Hilfe geben, keinen Anspruch mehr auf Unterstützung hätte.» Am schlimmsten trifft Hirzel aber, dass weder sie noch ihre Mutter aktuell einen Rappen sehen. «Ich fühle mich komplett allein gelassen.» Allein bis sie vom Kanton eine nicht ganz eindeutige Antwort bekam, ob sie ihren Laden schliessen muss oder nicht, brauchte sie drei Tage. Hirzel hat den Laden dann trotzdem temporär geschlossen, um nicht noch eine saftige Busse zu erhalten: «Jedes Geschäft muss seinen Beitrag leisten», findet sie. Es könne dann aber nicht sein, dass die Menschen Babykleider in Zürich oder aber in der Migros oder im Coop einkaufen können. «So gehen die kleinen Geschäfte kaputt.»
Miracoolix Baden: «Irgendwann ist einmal fertig»
Markus Hadorn vom Spielwarenladen Miracoolix in Baden.
© Severin Bigler
«Wenn wir irgendwann wieder aufmachen dürfen, müssen wir Spiele bestellen, um sie auch verkaufen zu können. Mit welchem Geld soll ich das tun?» Markus Hadorn, Mitinhaber vom Spielwarengeschäft Miracoolix in Baden, ist ratlos. Das vergangene Jahr war, trotz Lockdown im Frühling, eigentlich gar nicht so schlecht. Dann folgte kurz vor Weihnachten der zweite Lockdown, und die fürs Geschäft wichtigste Woche im Jahr fiel weg. Und auch der Januar, der für den Spielwarenladen wichtig ist – die Leute sind öfters zu Hause und kaufen sich deswegen Spiele – fällt komplett aus. «Wir müssen noch nicht gerade schliessen. Aber irgendwann ist einmal fertig.» Unterstützung gibts aktuell keine. Kurzarbeit ist beantragt, ob es sie geben wird, weiss Hadorn nicht. Was ihn besonders stört: «Wir können bei uns die Schutzmassnahmen wie den Abstand einhalten, besser auf jeden Fall als zum Beispiel ein Migros oder Coop. Das ist doch kein Argument, dass man die kleinen Läden zumacht.» Ausserdem: Die Leute sollen zu Hause bleiben. Spielwarenläden hätten nun genau die Ware, die den Menschen helfen würde, dass ihnen die Decke nicht auf den Kopf fällt, so Hadorn. «Und diese Ware dürfen wir nun nicht verkaufen.»