
Spitzensportler haben gar keine Wahl – oder doch? – MIT AUDIO
Michael Wyss: Diese Woche werden bei uns die ersten Menschen gegen Covid-19 geimpft. In den folgenden Monaten sollen möglichst viele Schweizerinnen und Schweizer den Weg zum Impfen finden, um dem Virus – so schnell wies geht – Herr zu werden. Unter anderem leiden derzeit in der Schweiz auch der Spitzen- und der Breitensport unter den Massnahmen gegen die weitere Ausbreitung von Covid-19. Wie wäre es, wenn die Profisportler relativ bald – und selbstverständlich nach dem Gesundheitspersonal und den Risikopatienten – an die Impfreihe kämen? So könnten alsbald die verschiedenen Profiligen ihren Betrieb wieder einigermassen geordnet durchführen. Es wäre noch nicht die Rettung, weil grössere Zuschauergruppen dadurch noch keine Legitimation erhalten, aber zumindest bestünde etwas Planungssicherheit, was die Kosten auch beeinflussen würde. Dabei wäre klar: Wer sich impfen lässt, darf wieder uneingeschränkt am Training und den Spielen teilnehmen. Wer nicht, muss mit Restriktionen leben.
Pascal Kamber: Ich bin mit deinem Vorschlag insofern einverstanden, als Spitzensportler in der Reihenfolge eher früher als später einen Zugang zum Medikament erhalten. Ich bin aber der Meinung, dass die Impfung für die Athletinnen und Athleten freiwillig bleiben muss und sie nicht von Verbänden oder politischer Seite vorgeschrieben und dadurch als Druckmittel verwendet wird. Erstens geht es um die Gesundheit, und über diese soll jeder Mensch selber entscheiden dürfen. Und zweitens ist es dem «gewöhnlichen» Schweizer auch selber überlassen, ob er diesen Weg einschlagen will. Wieso sollten für die besten Eishockeyaner und Fussballer des Landes andere Regeln gelten? Abgesehen davon lösen sich die Probleme mit einer Impfung nicht in Luft auf. Anne Lévy, Direktorin vom Bundesamt für Gesundheit, sagte letzte Woche, dass die Quarantäne weiterhin notwendig sein wird. Es könne sein, dass auch eine geimpfte Person noch infektiös sei.
mwy: Dass die Impfung das Allheilmittel sein wird, habe ich nicht behauptet – und das sehe ich auch nicht so. Aber es könnte uns helfen, den ganzen Albtraum schneller und damit auch mit weniger Opfern hinter uns zu bringen. Von Impfzwang ist nicht die Rede, es soll mehr eine Belohnung für diejenigen sein, die persönlich Verantwortung übernehmen und damit auch mithelfen, die Mitmenschen zu schützen. Einen Anreiz zu schaffen, ist doch nicht verkehrt und ausserdem werden wir so oder so mit solchen Vorgängen konfrontiert werden. Spätestens, wenn eine Schweizerin oder ein Schweizer ins Ausland will, gelten vor allem die Vorschriften des anderen Landes. Daher ist es nicht undenkbar, dass man in näherer Zukunft nur mit Impfnachweis verreisen kann.
pka: Auch wenn es nur als Belohnung deklariert wird: Faktisch bleibt den Klubs nichts anderes übrig, als die Spieler beim Arzt anzumelden. Wer will unter solchen Voraussetzungen schon auf eine Impfung verzichten und sich dadurch einen Nachteil gegenüber der Konkurrenz verschaffen? In der Not frisst der Teufel eben Fliegen.
mwy: Faktisch bleibt grundsätzlich niemandem etwas anderes übrig, wenn er wie ein Profisportler von seinem Körper lebt. Ich gebe zu, wir wissen alle noch nicht, wie sich diese Impfung auf unseren Organismus auswirkt, aber wir wissen jetzt schon, dass eine Ansteckung mit dem Corona-Virus langfristige Probleme hervorrufen kann. Also bleibt nur die Wahl zwischen Unsicherheit und der Gefahr, den Körper dauerhaft zu schädigen.
pka: Natürlich stecken die Spitzensportler in einer Zwickmühle, weil sie ihr Geld mit ihrem Körper verdienen. Streikt dieser, ist die Karriere vielleicht früher zu Ende als gedacht, was so manchen Spieler in existenzielle Nöte bringen kann. Umso mehr stehen die Verbände und Vereine in der Pflicht, sich um ihre Angestellten zu kümmern und ihnen faire Bedingungen zu bieten. Denn wer die Gesundheit aufs Spiel setzt, zahlt je nachdem einen hohen Preis.