Corona und Persönlichkeit: Welcher Krisen-Typ sind Sie?

Jetzt ist die Krise da, und mit ihr ein gesellschaftlicher Graben. Kein Tag vergeht, an dem wir ob des Verhaltens anderer nicht den Kopf schütteln. Wie ist es möglich, dass wir eine Krisensituation so anders wahrnehmen? Uns, trotz Regeln, die doch für alle gelten sollten, so unterschiedlich verhalten? Alles so unterschiedlich auslegen?

Da sind die einen, die sich strikt an die Regeln halten und vor lauter Angst, sich anzustecken, seit Monaten das Haus nicht mehr verlassen. Da sind die anderen, die sich nichts vorschreiben wollen. Da sind solche, die denken, die Welt breche bald zusammen, während andere hoffnungsfroh die guten Seiten der Krise sehen. Das ist kein Zufall.

Und vieles, was auf den ersten Blick wie Provokation oder Verweigerung daherkommt, ist gar nicht böse gemeint. Die Wenigen, die partout keine Maske tragen, mag es geben. Die meisten Menschen aber handeln jedoch aus einer Mischung aus Prägung, Persönlichkeit und momentaner Lebenslage heraus. Der Mensch ist zwar sehr anpassungsfähig und kann sein Verhalten verändern, wenn die Umstände es von ihm fordern. Sein «Typ» bleibt aber erstaunlich stabil – ein Leben lang.

Forscherinnen haben sich seit Jahrzehnten zur Aufgabe gemacht, unsere Persönlichkeit zu entschlüsseln. Eines der wichtigsten Modelle in der Psychologie ist das Big-Five-Modell, auch Fünf-Faktoren-Modell (FFM) genannt. Dieses geht von fünf Persönlichkeitsdimensionen aus, die wir alle in uns tragen.

Das sind: Offenheit für Erfahrungen, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, sprich Geselligkeit, Verträglichkeit, also wie empathisch und rücksichtsvoll wir beispielsweise sind, sowie Neurotizismus, also unsere emotionale Labilität und Verletzlichkeit.

Jeder Mensch hat alle fünf Ausprägungen. Doch in welchem Masse?

Jeder Mensch hat alle fünf Ausprägungen. Doch in welchem Masse?

© CH Media

Genau dieses Modell haben Forscher der Universität Köln zur Grundlage genommen, um einen Corona-Persönlichkeitstest zu erschaffen. Sie wollten analysieren, welche Neigung zu welchem Verhalten in der Krise führt. Auch mit dem Hintergedanken, dass mehr Wissen über Persönlichkeit helfen kann, das Verhalten des Gegenübers besser zu verstehen – und entsprechend mehr Mitgefühl und Toleranz dafür zu entwickeln.

Drei der fünf Persönlichkeitsausprägungen spielen dabei in der Krise eine besonders starke Rolle.

 

Neurotizismus – sind Sie stoisch oder drehen Sie schnell mal am Rad?

Wer hohe Neurotizismuswerte hat, ist salopp gesagt mental nicht der Stabilste. Das klingt schlimmer, als es ist – und ist per se kein Fehler. Es bedeutet lediglich, dass die Person emotional stärker schwankt, sensibler und feinfühliger auf Veränderungen reagiert und viel Gefühl in kurzer Zeit empfindet. Kommt eine Krise wie Corona, kann das einen noch schneller aus der Bahn werfen. Und dazu führen, dass wir beim Anblick eines vermeintlichen Maskenverweigerers komplett austicken – weil unsere eigene Unsicherheit zusätzlich getriggert wird.

Das Ergebnis: Man reagiert gereizter, ängstlicher, hat stärkere Gefühlsschwankungen. «Das Wissen darüber, dass man von der Persönlichkeit her anfälliger ist auf emotionale Achterbahnfahrt, kann helfen, sich selbst besser stützen zu können», sagt Andreas Glöckner, Professor für Sozialpsychologie an der Universität Köln. So kann man mit nahen Bekannten besser über seine Ängste sprechen und bewusster Nachrichten konsumieren. «Meiden Sie Foren im Internet, die bloss Ihre Ängste schüren», sagt Glöckner. Achtsamkeitsübungen, Meditation und Spaziergänge in der Natur beruhigen das vegetative Nervensystem und wirken ausgleichend.

Extraversion – lieber allein und in Frieden oder ständig unter Leuten?

Normalerweise sind die Extrovertierten an Parties die gern gesehenen Gäste: Humorvoll, kontaktfreudig, gesellig, offen. Doch jetzt, im Quasi-Lockdown, leiden sie oft stärker als ihre Freunde, die introvertierter sind und das Alleinsein positiver erleben. Menschen mit hoher Extraversion haben ein stärkeres Bedürfnis nach Kontakt – verbal, aber auch physisch. Und sind deshalb geneigter, Abstandsregeln nicht so stark einzuhalten oder auch spontane Umarmungen zuzulassen. Gar nicht aus bösem Willen heraus, sondern weil das schlicht ihr normaler Habitus ist.

 
 

Kombiniert mit tiefem Neurotizismus und tiefer Gewissenhaftigkeit sind Konflikte mit denen, denen es leichtfällt, sich an alle Regeln zu halten, vorprogrammiert. «Weil die Verordnungen für diese Menschen eine grössere Einschränkung bedeuten, sind es auch eher diejenigen, die sich schneller wieder mit Leuten treffen, und es sind eher diejenigen, die ein höheres Risiko haben, sich anzustecken», sagt Psychologe Glöckner. Auch hier hilft erstmal Bewusstmachung. Und sich dann zu überlegen, auf welche Art und Weise man sein Bedürfnis nach Kontakt spielerisch befriedigen kann. Kostümparty per Zoom? Briefe schreiben an seine liebsten Menschen? Mit Sicherheitsabstand an einen Ort, an dem im Freien noch einige Menschen unterwegs sind?

Gewissenhaftigkeit – Küche sauber, schon gejoggt oder gemütlich chaotisch?

Gewissenhaftigkeit, fanden die Forscher heraus, ist in der Corona-Krise ein besonders relevanter Faktor dafür, wie man sich durch die Krise manövriert – und wohl auch für die Verantwortlichen des Bundesamtes für Gesundheit Fluch oder Segen. Denn dieser Wert zeigt, wie leicht es einem Menschen fällt, sich an Regel und Routinen zu halten. Und wie sehr er diese Regeltreue als Teil seiner Persönlichkeit empfindet. Derjenige, der sich gerne pünktlich um die Steuererklärung kümmert und sowieso schon jeden Tag um die gleiche Zeit joggen geht, ist wohl auch eher derjenige, dem es nicht schwerfällt, sich an das Tragen einer Maske zu erinnern. Und die Hände desinfiziert die Person fast schon automatisch.

Menschen mit niedrigen Werten sind spontaner, lockerer und intuitiver, aber auch vergesslicher. In der aktuellen Krise ist das nun ein Nachteil. Auch, was das Erschaffen einer Tagesstruktur betrifft. Hier rät Psychologe Glöckner: «Planen Sie Routinen und Rituale für den Alltag.» Und helfen Sie sich mit «wenn-dann-Regeln». Zum Beispiel: Wenn ich meine Hände wasche, dann greife ich zum Desinfektionsgel. Oder: Wenn ich die Post hole, dann gehe ich kurz raus und laufe um den Block.

Übrigens: Dass Sie sehr schnell meinen, der Typ neben ihnen verhält sich gerade absichtlich nicht so, wie Sie das gerne hätten, ist normal. In der Psychologie nennt sich dieses Phänomen «fundamentaler Attributionsfehler». Bei einer guten Freundin denken wir, es seien grad die Umstände, bei einem Fremden sein fehlerhafter Charakter. Ob das Gegenüber also ein rücksichtsloser Unmensch ist, werden Sie nicht mit Sicherheit herausfinden. Aber Sie fahren gut, wenn Sie mal davon ausgehen: Alles gar nicht so gemeint.

Wo stehen Sie? Auf der Webseite der Universität Leipzig können Sie den Test machen – gratis und anonym.