
Erste Kantone geben nach: Wo Massnahmen verschärft werden und wo (noch) nicht – die grosse Übersicht
Am Dienstag trifft sich der Bundesrat zu einer Sondersitzung. Einziges Traktandum: Die Corona-Situation. Am Freitag hat der Bundesrat den Kantonen ein Ultimatum gestellt. Reagieren sie nicht, werde der Bundesrat am Freitag die Massnahmen im Kampf gegen die Pandemie verschärfen. Vorbild sind die Westschweizer Kantone. Sie haben dank eines Mini-Lockdowns, inklusive Schliessung der Restaurants, die Fallzahlen runtergebracht. Auch bei den Romands hatte Bundesrat Alain Berset Druck aufgesetzt – allerdings nicht öffentlich. Sie hätten besser gespurt, als die Deutschschweizer Kantonsregierungen, heisst es in Bundesbern.
Bersets Strategie ist nicht ohne Risiko. Zum einen hat ihm der Bundesrat offiziell ein Mandat erteilt, um den Kantonen Druck aufzusetzen. Diese Rückendeckung gibt ihm Glaubwürdigkeit. Zum andern können die Kantone die Verantwortung nun auch bequem auf den Bundesrat abschieben und ihm die unpopulärsten Entscheidungen überlassen.
In den sechs Kantone Aargau, Basel-Land, Solothurn, St. Gallen, Tessin und Thurgau gilt die epidemiologische Lag als besonders problematisch. Der Bundesrat wird am Dienstag entscheiden, ob die getroffenen und geplanten Massnahmen der Kantone genügen oder nicht. Klar ist: Im Innendepartement beurteilt man die epidemiologische Lage als sehr kritisch. Bundesrätin Karin Keller-Sutter sagte am Montagabend im Tele Ostschweiz: «Es ist fünf vor zwölf.»
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Aargau: Nur nicht vorpreschen
Der Kanton Aargau hat zwar zu einem Point de Presse geladen, dabei aber nicht über neue Massnahmen informiert. Ob und wie der Kanton die Massnahmen verschärfe, darüber werde er am Donnerstag informieren, sagte Gesundheitsdirektor Jean-Pierre Gallati (SVP). Eine überstürzte Anordnung von Massnahmen fände er in der aktuellen Situation falsch. Die epidemiologische Lage im Aargau ist zwar angespannt, aber laut Gallati besteht kein dringender Handlungsbedarf, weil die Zahlen seit mehreren Wochen stabil sind. Wichtig ist ihm, allfällige Massnahmen mit den umliegenden Kantonen abzustimmen. «Der Aargau darf nicht zur Insel werden – also nicht viel strengere oder laschere Massnahmen beschliessen als die Nachbarkantone.»
Gesundheitsdirektor Jean-Pierre Gallati am Point de Presse.© Britta Gut
Basel-Stadt: Kann schon wieder gelockert werden?
Der Kanton Basel-Stadt befindet sich seit zwei Wochen in einem «Lockdown Light». Geschlossen sind alle Restaurants, Bars, Freizeiteinrichtungen und Sporteinrichtungen. Unklar ist noch, ob der Kanton nächste Woche nach Ablauf der ursprünglichen Frist für den Lockdown Light die Massnahmen wieder lockert. Zwar konnte der Aufwärtstrend der Infektionszahlen gebrochen werden.
Allerdings zeigen sich keine erkennbaren Unterschiede im Vergleich zur nationalen Entwicklung.
Baselland: Am Dienstag wird wohl verschärft
Der Nachbarkanton Baselland zog bei den Verschärfungen nicht mit und liess Gastrobetriebe offen. Das, obwohl auch hier die Fallzahlen auf hohem Niveau stagnieren. Das nicht geeinte Vorgehen stiess auf Kritik. Nun könnte der Landkanton mit Verschärfungen nachziehen: Die Kantonsregierung berät am Dienstag über weitergehende Massnahmen. Wie weit die Nordwestschweizer Kantonen ab jetzt einen gemeinsamen Weg fahren, ist aber noch offen: «Es hat ein intensiver Austausch auf Ebene der Gesundheitsdirektoren der Kantone Aargau, Basel-Landschaft, Basel-Stadt und Solothurn stattgefunden», betont Regierungssprecher Nic Kaufmann. Das Ziel indes sei klar: «Die Fallzahlen müssen runter».
Solothurn: Spitäler entlasten mit neuen Massnahmen
Die Solothurner Regierung wird am Dienstagnachmittag an einer Medienkonferenz über die schärferen Massnahmen im Kanton informieren. Die neuen Regeln habe man mit den umliegenden Kantonen abgesprochen und ein gemeinsames Vorgehen beschlossen, erklärt die Gesundheitsdirektorin Susanne Schaffner. Oberstes Ziel sei es, die Spitäler zu entlasten und die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung sicherzustellen. «Wenn das Gesundheitssystem überlastet wird, dann trifft das nicht nur Covid-Patienten. Das muss der Bevölkerung bewusst sein», so die Regierungsrätin. Um den Ernst der Lage zu zeigen, werde die gesamte Regierung an der Medienkonferenz anwesend sein und gemeinsam über die Wichtigkeit der zusätzlichen Massnahmen informieren. Die neuen Regeln im Kanton Solothurn sollen bis in den Januar gelten.
Zürich: Am Mittwoch wird entschieden
Der Zürcher Regierungsrat wird an seiner Sitzung am Mittwoch entscheiden, ob er allenfalls neue, härtere Massnahmen ergreifen will. Spätestens am Donnerstag sollen diese bekanntgegeben werden. Der Zürcher Ständerat Ruedi Noser (FDP) hatte in der «Sonntagszeitung» die Zürcher Regierung aufgefordert, schärfere Massnahmen zu ergreifen, um die Fallzahlen zu senken. Die Fallzahlen im Kanton Zürich stiegen in den letzten Tagen an. Gestern vermeldete der Kanton 747 neue Corona-Fälle. Auch die Anzahl Hospitalisierter steigt: Gestern lag sie neu bei 456, am Freitag waren es noch 393. Geordnet nach Postleitzahlen war die Anzahl der Neuansteckungen in den vergangenen sieben Tagen in den Städten Winterthur und Dietikon am höchsten. An dritter und vierter Stelle folgen die Städte Zürich und Uster
Thurgau: Homeoffice-Pflicht und Zwei-Haushalte-Regel
In der Ostschweiz geht der Kanton Thurgau voran. Für Restaurants und Bars gilt ab 22 Uhr Lichterlöschen. Ausserdem beschliesst die Kantonsregierung, dass nur noch maximal zehn Personen aus zwei verschiedenen Haushalten an privaten Veranstaltungen teilnehmen dürfen. Für nichtkommerzielle sportliche und kulturelle Anlässe wie auch für Ansammlungen im öffentlichen Raum gilt ebenfalls eine Limite von zehn Personen. Und der Kanton führte eine Homeoffice-Pflicht ein, «sofern es die betrieblichen Umstände zulassen», wie der Thurgauer Regierungsrat am Montag vor den Medien erklärte. Diese verschärften Massnahmen gelten ab Mittwoch, 9. Dezember. Sie sind vorerst bis 23. Dezember festgelegt. Oberstes Ziel sei es, das Spitalpersonal zu entlasten.
St. Gallen: Neuer Corona-Hotspot und eine Regierung unter Druck
Am Dienstag entscheidet die St. Galler Regierung über neue Massnahmen, kommunizieren will sie diese am Mittwoch. Klar ist: Die St.Galler Regierung steht unter Druck. Die Zahlen haben sich im schweizweiten Vergleich übers Wochenende nochmals verschlechtert. Mit aktuell 844 Corona-Fällen auf 100’000 Einwohner in den letzten zwei Wochen weist der Kanton den mit Abstand höchsten Wert aller Deutschschweizer Kantone auf. Zum Vergleich: Im Thurgau sind es 640 Fälle, in Zürich 617, im Aargau 633. Es dürfte nur noch eine Frage von Tagen sein, bis St. Gallen bei den Fallzahlen das Tessin (866) überholt.
Tessin: Die Restaurants bleiben offen – müssen aber früher schliessen
Die Südschweiz ist das derzeit am stärksten von Corona betroffene Gebiet der Schweiz. Die Regierung hat dort bereits reagiert: Neu müssen alle Bars bereits um 19 Uhr, alle anderen Restaurants um 22 Uhr schliessen. Damit sollen die Kontakte in der Vorweihnachtszeit reduziert werden, wie der Tessiner Regierungspräsident Norman Gobbi am Montagnachmittag erklärte.
Genf: Hurra, die Restaurants gehen wieder auf
Aufatmen in Genf: Die Kantonsregierung hatte angekündigt, die derzeit geschlossenen Restaurants per Donnerstag, 10. Donnerstag, wieder öffnen zu wollen. Tatsächlich fielen die Fallzahlen nach dem zweiten Lockdown, der im November verhängt wurde – allerdings auf hohem Niveau. Genf war zeitweise sogar Spitzenreiter im negativen Sinn, was die Anzahl Neuinfektionen in Europa anbelangt.
Deshalb war plötzlich nicht mehr sicher, ob die Restaurateure tatsächlich bald wieder Gäste am Tisch empfangen dürfen. Demonstrationen waren die Folge und der Branchenverband schickte der Regierung gar einen Protestbrief mit der Androhung des zivilen Ungehorsams.
Am Montag kündigte Gesundheitsminister Mauro Poggia aber an, dass die Zahlen genügend stark gesunken seien. Aktuell zähle man weniger als 150 Neuinfektionen pro Tag, knapp 20 Patienten befänden sich auf der Intensivstation. Dies erlaube es, dass die Restaurants, Bars, Cafés wieder öffnen können, jeweils bis 23 Uhr.
Hinsichtlich der Familienfeste an Weihnachten wird die 5-Personen-Regel für private Zusammenkünfte gelockert. Vom 23. Dezember bis 4. Januar sind 10 Familienmitglieder in einem Raum zulässig. Für Hochzeiten und Taufen gilt diese Ausnahmeregel hingegen nicht.