
Die Grossrätinnen und Grossräte aus dem Bezirk Zofingen im Leistungscheck
Wer Zeit und Musse hat, die Wortprotokolle des Grossen Rates durchzugehen, lernt allerhand über das Kantonsparlament. Auf den ersten Blick ist beispielsweise ersichtlich, welche Volksvertreter den Sitzungen entschuldigt – oder unentschuldigt – ferngeblieben sind. Auch wer nicht die ganze Sitzung anwesend war, ist auf die Minute genau nachvollziehbar.
Insgesamt 56 entschuldigte Absenzen häuften die 19 verschiedenen Zofinger Grossrätinnen und Grossräte in den 89 Sitzungen der Legislatur 17/20 an. Spitzenreiterin ist die SVP, welche mit sechs Sitzen und neun verschiedenen Kandidaten insgesamt 35 Absenzen aufzuweisen hat und so für knapp zwei Drittel aller Zofinger Abwesenheiten verantwortlich ist. Generell muss aber für alle Parteien relativiert werden, dass es sich häufig um Doppelsitzungen – eine Sitzung am Morgen, eine Sitzung am Nachmittag – handelt. Ein Fehltag bringt also oft gleich zwei verpasste Sitzungen.
Unentschuldigte Absenzen ohne wirkliche Konsequenz
Bei der SVP spielte in der vergangenen Legislatur mehrmals das Schicksal mit. So wurde Benjamin Giezendanner am 5. Juni 2018 Vater und verpasste die zwei für diesen Tag angesetzten Sitzungen. Von Rothrist flog der Storch direkt weiter nach Aarburg. Am 1. Juli 2018 wurde Martina Bircher Mutter und verpasste im Rahmen von Schwangerschaft und Mutterschaftsurlaub insgesamt sieben Sitzungen. Im Dezember 2019 schliesslich verstarb Hans Pauli, der für den in den Nationalrat gewählten Benjamin Giezendanner nachgerückt war. Pauli verpasste vor seinem Tod drei Sitzungen. Nach Abzug dieser zwölf Absenzen bleiben 23 übrig. Damit ist die wählerstärkste Partei punkto Absenzen durchaus mit den anderen Parteien vergleichbar. Zudem: Martina Bircher – sie sammelte die meisten Abwesenheitseinträge – schaffte 2019 den Sprung in den Nationalrat und kandidiert vorläufig nicht mehr für den Grossen Rat.
Eine unentschuldigte Absenz hat der einzige Grossrat der EVP, Urs Plüss, zu verzeichnen. Konsequenzen hat das nicht wirklich, wie der Parlamentsdienst mitteilt. Die einzige Folge ist, dass dies im Protokoll so vermerkt wird und für die Stimmberechtigten ersichtlich ist. Sollte ein Grossrat aber wiederholt unabgemeldet fehlen, würde die Ratsleitung auf das Mitglied zugehen. Auf den Tolggen im Reinheft angesprochen, muss Urs Plüss erst einmal lachen: «Zuerst dachte ich, ‹ich und gefehlt, das kann doch nicht sein›.» Der Kalender brachte aber zum Vorschein, dass damals die erste Sitzung der Steuerkommission in Zofingen stattgefunden hat. Von der alten Kommission war diese auf einen Dienstag festgelegt worden. Als neues Mitglied habe er gedacht, dass er den Termin nicht gleich stürzen könne, so Plüss. Die nachfolgenden Sitzungen wurden dann so gelegt, dass Plüss im Grossen Rat anwesend sein konnte. «Für mich ist es wichtig, hinzugehen. Schliesslich habe ich mich zur Verfügung gestellt und wurde gewählt.» Da die
EVP über den ganzen Kanton verteilt nur sechs Sitze hat, sei es zudem besonders wichtig, anwesend zu sein. «So kann der Informationsfluss aus den Kommissionen sichergestellt werden.»
Gar nie abwesend – und mit 18 Vorstössen am fleissigsten – war Sabina Freiermuth der FDP. Als Musterschülerin will sie aber nicht gelten. «Einerseits gibt es eine gesetzliche Verpflichtung, anwesend zu sein. Andererseits bin ich Fraktionspräsidentin.» Damit sei die Anwesenheitspflicht zumindest subjektiv noch einmal grösser als bei einem normalen Ratsmitglied. Dafür erhalte sie einen Einblick in jedes Departement, was ihr wiederum erlaubt, bei vielen Vorstössen mitzuwirken. «Von den 18 Vorstössen waren natürlich nicht alles persönliche Vorstösse.» Besonders im Bereich der Digitalisierung machte sich Freiermuth in den letzten vier Jahren stark und reichte drei Vorstösse ein. Auch die Schaffung von besseren Rahmenbedingungen für Unternehmen liegt ihr am Herzen. Als Fraktionspräsidentin ist es ihr zudem wichtig, dass ihre Fraktion geschlossen auftritt – Politik sei schliesslich eine Frage der Mehrheit. «Natürlich gibt es immer wieder Gründe, weshalb jemand nicht anwesend sein kann. Das bringt auch unser Milizsystem mit sich.» Grundsätzlich sieht sie es ähnlich wie Urs Plüss: «Wer sich aufstellen lässt und gewählt wird, geht eine Verpflichtung ein.»
Was ist schon wieder …
… ein Postulat? Damit wird der Regierungsrat beauftragt, zu prüfen, ob beispielsweise ein Entwurf zu einem Gesetz zu erarbeiten, eine Massnahme zu treffen oder ein Bericht vorzulegen ist. … eine Interpellation? So können vom Regierungsrat schriftliche Auskünfte zu Fragen verlangt werden, die den Kanton betreffen. … eine Motion? Mit einer Motion erhält der Regierungsrat den Auftrag, für den Grossen Rat in einer bestimmten Angelegenheit einen Erlass oder einen Beschluss auszuarbeiten, eine Massnahme zu ergreifen oder ihm einen Bericht zu unterbreiten. (rew)