
SVP-Grossrat im Interview: «Ich begrüsse es, dass der Regierungsrat bei Maskenhysterie nicht mitmacht»
Pascal Furer empfängt die Journalistin in seiner «Mosti» in Staufen. Der Tisch ist 1,6 Meter breit – der geforderte Corona- Mindestabstand ist also gewährleistet. Als die 2-Meter-Regel noch galt, habe er die Tische für Sitzungen jeweils 40 Zentimeter auseinandergeschoben, erklärt der designierte Grossratspräsident des Jahres 2021. Zwei Sachen will Furer vor dem Interview klarstellen. Erstens: «Ich habe mich immer an die Coronaregeln gehalten.» Zweitens: «Ich bin kein Coronaskeptiker.»
Welche Emotion löst das Wort «Corona» in Ihnen aus?
Pascal Furer: Keine. Ich gehöre nicht zu jenen Menschen, die «Corona» nicht mehr hören können. Emotional werde ich eher bei den Massnahmen, die gegen das Virus ergriffen wurden. Sie sind unverhältnismässig und teilweise kontraproduktiv. Sie versetzen Leute unnötigerweise in Panik.
Nehmen Sie die Maskenpflicht in den Läden. Der Kanton Zürich hat sie eingeführt, damit sich die Leute weiterhin daran erinnern, dass das Virus noch da ist. Das ist einfach «bireweich»! Wenn man sich im Laden anstecken würde, wären die Zahlen während des Lockdowns – als man ausser Einkaufen nichts tun durfte – ja nicht gesunken.
Furer steht auf und geht zu einem aufgeschlagenen Buch mit Zeitungen aus dem Jahr 1920. Er liest sie, weil die SVP Aargau dieses Jahr ihr 100-jähriges Bestehen feiert.Der Zufall will es, dass vor genau 100 Jahren die Spanische Grippe aktuell war. Furer blättert und liest vor:
«Die Schutzmasken scheinen sich nicht bewährt zu haben.» Zu diesem Schluss kam man also schon vor 100 Jahren.
Die Masken sind in den letzten 100 Jahren sicher besser geworden.
Das Material ist sicher besser als damals. Andererseits: Wenn ich sehe, was für Masken die Leute heute tragen und wie sie sich damit schützen, bin ich nicht mehr sicher, ob das wirklich besser ist als vor 100 Jahren.
Im Grossen Rat steht Maskentragen auch zur Debatte, wenn das Parlament nach Aarau zurückkehren soll. Was ist Ihre Meinung dazu?
Ich hätte es befürwortet, wenn wir schon letzte Woche im Grossratssaal in Aarau getagt hätten. Als Parlament haben wir Vorbildfunktion. Wir müssen den Leuten zeigen, was möglich ist. Die einzige Vorschrift im Moment ist, die Leute in 100er-Sektoren einzuteilen. Das hat an der Delegiertenversammlung der SVP Schweiz in Brugg mit 500 Personen geklappt, und das würde auch im Grossratssaal gehen.
Sind Sie noch im öffentlichen Verkehr unterwegs, seit dort die Maskenpflicht gilt?
Wenn es nötig ist, reise ich schon mit öffentlichen Verkehrsmitteln und trage selbstverständlich auch eine Maske. Nicht, weil ich finde, sie nützt etwas, sondern weil ich mich an die Regeln halte. Aber in der Regel bin ich mit dem öffentlichen Verkehr unterwegs, wenn ich an Veranstaltungen gehe, und solche gibt es im Moment ja kaum.
Haben Sie Angst vor dem Coronavirus?
Nein. Ich habe Respekt, wie vor jeder anderen Krankheit, an der man ernsthaft erkranken kann. Ich habe aber das Gefühl, die Leute haben mehr Angst, dass sie in Quarantäne müssen.
Macht Ihnen das auch Angst?
Angst ist ein schlechter Ratgeber. Aber für mich wäre es sehr ungünstig, wenn ich jetzt im Herbst in die Quarantäne müsste. Wer würde die Äpfel ernten und mosten? Wer die Trauben? Das Problem im Moment ist die Quarantäne und nicht die Krankheit. Es ist unmenschlich, wie die Leute eingesperrt werden.
Sie werden ja nicht grundlos eingesperrt. Ziel der Quarantäne ist es, zu verhindern, dass Leute, die engen Kontakt zu einer infizierten Person hatten, weitere Leute anstecken.
Dann kann man sagen, die Leute sollen einfach niemanden treffen und darauf achten, dass sie niemanden anstecken. Ein starkes Immunsystem schützt am besten vor dem Virus – und dieses wird neben gesunder Ernährung insbesondere durch Bewegung an der frischen Luft und Sonnenlicht gestärkt. Genau dies wird den möglicherweise Infizierten verboten. Ich finde, der Bund setzt im Zusammenhang mit dem Coronavirus einfach ganz andere Massstäbe, als bei allen anderen Krankheiten und Gefahren. Das ist mein Hauptvorwurf. Die Nebenwirkungen der Massnahmen werden nicht einmal angeschaut.
Haben Sie eine Erklärung dafür?
Wo genau der Ursprung liegt, ist schwierig zu sagen. Aber die Regierungen haben sich gegenseitig hochgeschaukelt. Und jetzt will keine Regierung diejenige sein, die am Schluss zu wenig gemacht hat. Es ist diese Angst, welche die Verantwortungsträger haben. Nur Schweden hat das einigermassen vernünftig durchgezogen. Und Schweden wurde immer angefeindet und diffamiert – doch jetzt zeigen die Zahlen, dass sie eben richtig lagen.
Wären Sie gerne in einer Position, in der Sie solche Entscheidungen fällen müssen?
Ich bin gerne in Führungspositionen, und da gehört es dazu, Entscheidungen zu fällen. Auch solche, die nicht angenehm sind. Es hätte mir daher nichts ausgemacht.
Wie hätten Sie entschieden?
Ich hätte den Fokus von Anfang an ausschliesslich auf den Schutz gefährdeter Personengruppen gelegt – aber natürlich, ohne sie einzusperren. Die Isolation von alten und insbesondere sterbenden Menschen war ausserordentlich unmenschlich. Dass der Lockdown Mitte März kam, kritisiere ich aber nicht. Damals war noch wenig über das Virus bekannt, und das Ziel war es, das Gesundheitswesen nicht zu überlasten. Diese Ansicht teile ich zu 100 Prozent. Aber nach zehn Tagen hat man gesehen, dass es nicht so dramatisch wird und sich die Experten getäuscht haben.
Nach zehn Tagen hat die Massnahme doch noch nicht gegriffen.
Doch – aber sagen wir nach 14 Tagen. Ende März war klar, dass es nicht so dramatisch wird, wie befürchtet wurde. Dann hätte der Bundesrat die Massnahmen sofort lockern und die Schulen und Läden wieder öffnen müssen.
Aber wären die Kantone damals bereit gewesen? Im Hinblick auf die Lockerungen wurden sie verpflichtet, Contact-Tracing aufzubauen – also die Infizierten zu isolieren, die engen Kontakte zu identifizieren und unter Quarantäne zu stellen. In nur zwei Wochen hätten die Kantone das doch nicht geschafft.
Ich stelle den Nutzen des Contact-Tracings in Frage. Es bringt vielleicht etwas, weil man so weiss, wo sich die Leute anstecken. Aber damit es funktioniert, muss man das Leben dermassen einschränken. Das wiederum hat massive Nebenwirkungen, zum Beispiel für die psychische Gesundheit der Menschen.
Wie schützen Sie sich selber vor dem Virus?
Ich muss mich nicht speziell vor dem Virus schützen, da es sehr unwahrscheinlich ist, dass ich daran schwer erkranken würde.
Sie haben aber gesagt, wenn Sie während der Erntezeit in Quarantäne müssten, wäre das schlimm.
Das ist etwas anderes. Ich muss mich davor schützen, dass ich in Quarantäne muss.
Und wie tun Sie das?
Ich halte mich an die Regeln. Das heisst, ich halte Abstand, wasche mir regelmässig die Hände und versuche, mir etwas weniger ins Gesicht zu fassen. Ich setze in der «Mosti» und in unserem Laden die Schutzkonzepte um. Ich habe übrigens auch für die Branche ein Schutzkonzept erarbeitet. Das ist sinnvoll, und ich bin der Meinung, man könnte das überall machen und dafür zur Normalität zurückkehren. Und damit meine ich nicht irgendeine «neue Normalität», wie es immer heisst.
Würden Sie diese Regeln sowieso einhalten, oder tun Sie das nur, weil es der Bundesrat vorschreibt?
Abstand wo möglich und die normalen Hygieneregeln hält man hoffentlich so oder so ein. Wenn man weiss, dass die Ansteckungsgefahr höher ist, macht das auch Sinn.
Sie haben einleitend gesagt, Sie seien kein Corona-Skeptiker. Was ist ein Corona-Skeptiker überhaupt?
Das wüsste ich auch gerne. Das ist ein Begriff, den die Medien erfunden haben. Ich bin ein Skeptiker der Massnahmen. Das macht mich aber weder zum Coronaleugner noch zum Verschwörungstheoretiker.
Auf Facebook verlinken Sie zum Teil aber auf Seiten, denen Nähe zu Verschwörungstheoretikern nachgesagt wird.
Sie meinen die Beiträge von «Swiss Policy Research»? Ich vertraue ja nicht dem Kanal an sich, sondern den Quellen, die dort zusammengetragen werden. Covid-19 wird dort übrigens nicht verharmlost. Im Gegenteil: Es heisst, dass es sich um eine echte und ernsthafte Pandemie handelt, die vergleichbar ist mit den Grippepandemien der Jahre 1957 und 1968. Am Anfang hiess es, ein Schweizer Arzt stecke hinter dem Portal. Er wolle anonym bleiben, um nicht verunglimpft zu werden. Das finde ich schlimm, dass man angefeindet wird, wenn man bei der Panikmache nicht mitmacht.
Wurden Sie wegen Ihrer Äusserungen zu Corona auch schon angegriffen?
Nur auf Facebook. Sonst nicht. Dort wurde mir vorgeworfen, ich würde die Sache verharmlosen.
Sie sind ein Zahlenmensch. Als der Kanton noch regelmässig Lagebulletins verschickt hat, haben sie die neusten Zahlen täglich in einer Excel-Tabelle eingetragen und auf Facebook gepostet. Warum?
Ich habe einfach gemerkt, dass es keine Übersicht gibt. Dabei muss man doch die Entwicklung auf einen Blick sehen, um sich ein Bild von der Lage machen zu können. Vor allem die Anzahl der hospitalisierten Patienten muss man im Auge behalten, damit ein Kollaps des Gesundheitswesens verhindert werden kann. Im Aargau sind und waren wir davon aber immer weit entfernt. Es waren bisher nie mehr als 27 Coronapatienten auf der Intensivstation. Aktuell sind es nur gerade drei Personen. Die Aargauer Spitäler verfügen insgesamt über 100 Beatmungsplätze.
Wie sind Ihre täglichen Updates angekommen?
Ich hatte sehr, sehr viele positive Rückmeldungen. Die meisten nicht über Social Media, sondern persönlich oder telefonisch. Es hat den Leuten geholfen.
Welches Zeugnis stellen Sie dem Aargauer Regierungsrat aus?
Er macht das gut. Sehr gut sogar. Ich begrüsse es, dass er bei der Maskenhysterie nicht mitmacht. Auch bei der Quarantäne zeigt der Aargau Augenmass, beurteilt die Fälle einzeln und schickt wirklich nur die engen Kontakte in Quarantäne. Einzig bei der Regel mit den 100er-Sektoren bei Veranstaltungen geht der Aargauer Regierungsrat über die Vorschriften des Bundes hinaus. Das wäre meiner Meinung nach nicht nötig an Anlässen mit festen Sitzplätzen.
Wie hat Sie die Coronakrise als Winzer, Essigproduzent und Mostereibetreiber getroffen?
Dieses Jahr ist natürlich schon anders als andere Jahre. Normalerweise gibt es bei uns in der «Mosti» viele Betriebsführungen, wir gehen an Märkte und organisieren Degustationen. Aber wir haben als Unternehmen Lösungen gefunden und haben zum Beispiel die Öffnungszeiten unseres Ladens ausgeweitet. Wir machten und machen einfach das, was möglich war und ist – und gewisse Dinge behalten wir vielleicht auch in Zukunft bei.
Sie haben auch zwei Kinder. Wie haben Sie den Lockdown als Familie erlebt?
Meine Tochter hat diesen Frühling die Bezirksschule abgeschlossen. Sie hätte am Schluss noch eine Arbeit abgeben müssen, aber die Schule hat diese Arbeit gestrichen. Warum, weiss niemand. Sie war dann einfach zu Hause. Mein Sohn absolviert derzeit die Lehre als Winzer, er war auch mehr zu Hause, weil die Berufsschule ausfiel.
Es kann anstrengend werden, wenn man plötzlich so nahe aufeinandersitzt.
Das war bei uns kein Problem. Wir sind aber auch privilegiert. Wir haben ein grosses Haus mit integriertem Betrieb und genug Platz. In die Reben konnten wir ja auch immer. Und meine Kinder sind in einem Alter, in dem sie sich selber beschäftigen können. Mit kleineren Kindern wäre das sicher ein anderes Thema.
Ihre Eltern und Schwiegereltern gehören aufgrund Ihres Alters zur Risikogruppe, nehme ich an. Wie haben Sie Kontakt gehalten?
Ich fand es immer einen Blödsinn, dass man ab 65 Jahren automatisch zur Risikogruppe gehören soll. Ich habe während des Lockdowns mit dem Schwiegervater in den Reben gearbeitet. Dort ist Abstandhalten gut möglich. Wir gingen aber für sie einkaufen.