Maskenpflicht im Grossen Rat? Die SVP-Spitze ist sich total uneinig

Heute tagte der Grosse Rat in der Umwelt Arena Spreitenbach, wo die Corona- Abstände zwischen den Ratsmitgliedern problemlos eingehalten werden können. Nach den Herbstferien will das Parlament ins angestammte Grossratsgebäude nach Aarau zurückkehren. Damit dort Sitzungen möglich werden, braucht es entweder eine Maskenpflicht für alle Grossräte oder die Installation von Plexiglasscheiben im Saal.

Wohl die erste Politikerin, die in der Coronapandemie eine Maske trug, war SVP-Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher. Als sie im März mit der Schutzmaske im Bundeshaus ans Rednerpult trat, wurde sie von Nationalratspräsidentin Isabelle Moret zurechtgewiesen und aufgefordert, die Schutzmaske wieder abzusetzen.

Heute wäre dies undenkbar, Masken sind in der Wandelhalle des Bundeshauses dringend empfohlen, wobei sich Nationalrat und SVP-Kantonalpräsident Andreas Glarner am Dienstag nicht an die Empfehlung hielt. Auch andere SVP-Vertreter sind kritisch gegenüber Masken eingestellt. So hat sich Regierungsrat Jean-Pierre Gallati mehrfach gegen eine Maskenpflicht in Aargauer Läden ausgesprochen.

SVP-Fraktionschefin sieht Masken als günstige Lösung

Désirée Stutz, SVP-Fraktionschefin im Grossen Rat, könnte sich Parlamentssitzungen mit Maske indes vorstellen. Sie weist darauf hin, dass das Pflegepersonal in Spitälern und Heimen den ganzen Tag Masken trage. «Wir zahlen immer einen Preis, entweder finanziell mit Kosten für Sitzungen in Spreitenbach, für die Installation von Plexiglas in Aarau oder dann mit einer persönlichen Einschränkung durch das Tragen einer Maske», sagt Stutz.

Für Grossräte sei es wichtig, Kontakte zu pflegen und persönliche Gespräche zu führen. Dies wäre laut der SVP-­Fraktionschefin schwierig, wenn alle Ratsmitglieder hinter Plexiglas sässen. «Ich möchte zurück nach Aarau und soweit möglich zurück zur Normalität», sagt Stutz. Sitzungen mit Maskenpflicht in Aarau wären die günstigste Lösung.

Die Installation von Plexiglasscheiben im Grossratssaal würde einmalig 60000 Franken kosten, jeder Sitzungstag in der Umwelt Arena schlägt mit 40000 bis 50000 Franken zu Buche. Die sechs Sitzungen, die in Spreitenbach stattfinden (am nächsten Dienstag tagt der Grosse Rat wieder dort), verursachen also Gesamtkosten von 240000 bis 300000 Franken. Heute wisse aber niemand, wie die Coronasituation nach den Herbstferien aussehen werde. «Ich möchte deshalb zuerst das vollständige Schutzkonzept der Ratsleitung sehen, bevor wir am kommenden Dienstag an der Bürositzung entscheiden», hält sie fest.

SVP Aargau für Sitzungen ohne Plexiglas und Maske

Noch während die Grossratssitzung am Dienstag in Spreitenbach lief, verschickte die SVP Aargau eine Medienmitteilung mit dem Titel «Zurück zur Normalität». Darin hält Kantonalpräsident Andreas Glarner fest, Veranstaltungen in der Grösse des Ratsbetriebes – und viel grössere – seien bereits heute problemlos möglich. Dies habe die SVP Schweiz mit der Dele- giertenversammlung in Brugg gezeigt: «Mehr als 500 Personen in einem Raum, unterteilt in Sektoren à 100 Personen, und es kam weder zu einer bekannten Ansteckung noch musste jemand nachträglich wegen einer infizierten Person in Quarantäne», schreibt die SVP.

Genau so sollte aus Glarners Sicht auch der Grosse Rat tagen. «Ohne Plexiglas und ohne Masken, wer freiwillig eine tragen will, kann das ja gerne machen.» Die SVP Aargau ruft die Leitung des Grossen Rates auf, «ihren Spielraum auszunutzen».

Lutz Fischer-Lamprecht (EVP, Wettingen) trug auch in der Umwelt Arena in Spreitenbach eine Maske.

Lutz Fischer-Lamprecht (EVP, Wettingen) trug auch in der Umwelt Arena in Spreitenbach eine Maske. © Sandra Ardizzone Photography

Der einzige Grossrat, der bei einer Sitzung bisher eine Maske trug, ist Lutz Fischer-Lamprecht (EVP, Wettingen). «Ich habe sie nur dort getragen, wo sich die Abstandsregeln nicht einhalten liessen, zum Beispiel bei der Essensausgabe», sagt er. «Masken tragen ist nicht sonderlich angenehm, aber es gibt viele Menschen im Gesundheitsbereich, die täglich Masken tragen müssen, für unsere Gesundheit», gibt der EVP-Grossrat zu bedenken. Und er sagt mit Blick auf die Ratsmitglieder: «Dann können wir das auch.»

Plexiglas sei sicher angenehmer, und die Kosten seien im Vergleich zu weiteren Rats­sitzungen in Spreitenbach nicht so hoch, ergänzt Fischer-Lamprecht. Gerade für Grossräte aus dem östlichen Kantonsteil hat der Tagungsort Vorteile, weil die Anreise kurz ist. «Spreitenbach ist am angenehmsten und für mich als Grossrat aus dem Bezirk Baden ein kleiner Luxus», sagt Fischer-Lamprecht.