Gute Nachrichten zur Immunität: Nach vier Monaten hatten die Isländer immer noch Antikörper im Blut

Island macht sich sein enormes Corona-Testvolumen für die Forschung zunutze. Auf die Anzahl Einwohner umgerechnet, hat die Atlantikinsel seit Februar fünf Mal mehr Tests als die Schweiz durchgeführt. Und noch immer werden alle, die in Island einreisen, innerhalb von vier Tagen zweimal getestet. Möglich macht das die Infrastruktur der auf Genforschung spezialisierten Firma Decode Genetics aus Reykjavik.

Für eine neue Studie, die das Unternehmen zusammen mit Krankenhäusern und der Universität in Island durchführte, galt der Fokus nun Antikörpertests. Von diesen wurden über 30000 durchgeführt; die im «New England Journal of Medicine» publizierte Studie ist damit weltweit eine der grössten und längsten dieser Art.

Fast die Hälfte hatte nie Symptome

Untersucht wurden bestätigte Covid-19-Fälle, Personen in Quarantäne sowie zufällig ausgewählte Isländerinnen und Isländer. Aufgrund der Antikörper-Ergebnisse schätzen die Forscher, dass 44 Prozent der Erkrankten gar nie Symptome hatten.

Bloss ein Drittel dieser 44 Prozent waren in Quarantäne gewesen (und dies trotz des in Island sehr intensiv betriebenen Contact-Tracing). Ziemlich viele Infizierte haben sich also unbemerkt in der Gesellschaft bewegt – ein beträchtliches Ansteckungsrisiko und ein Hinweis auf die grosse Dunkelziffer bei den Ansteckungen. Ein Ergebnis, das auch anderen Ländern zu denken geben müsste.

Je kränker, desto mehr Antikörper im Blut

Die Studie ergibt aber hoffnungsvolle Resultate bezüglich Antikörper. Bisherige Studien gingen davon aus, dass deren Wirkung nur relativ kurz anhält. Denn mit der Zeit wurden immer weniger Antikörper im Blut gemessen. Die isländische Studie widerspricht dem nun, indem sie eine grosse Stichprobe über vier Monate hinweg untersuchte.

91 Prozent der Testpersonen wiesen auch nach dieser Zeit eine bedeutende Anzahl Antikörper auf, wobei ältere Personen sowie solche mit schwerem Krankheitsverlauf am meisten hatten, Raucher dagegen weniger. Frauen hatten ebenfalls weniger: «Sie brauchen offenbar weniger, denn Frauen erkrankten generell weniger an Covid-19», sagt Studienleiter Kari Stefansson. Hinweise auf eine doppelte An­steckung fand er nicht.

Bei 9 Prozent der positiv getesteten Personen waren keine Antikörper vorhanden. Dies könne auf fehlerhafte Tests hinweisen oder darauf, dass T-Zellen bei der Corona-Abwehr eine wichtige Rolle spielen, so Stefansson. T-Zellen sind weisse Blutkörperchen, die von Viren befallene Zellen zer­stören können und damit einen zweiten Abwehr­mechanismus gegen Corona bilden. Laut einer Studie des schwedischen Karolinska-Instituts ist T-Zellenschutz bei Covid-19-Patienten doppelt so verbreitet wie Antikörper.

Immunität gegen Corona «wie bei anderen Viren-Infektionen»?

Die Studie aus Reykjavik zeigt also erstmals die Stabilität der Anti­körper-Abwehr gegen Corona über längere Zeit. Generell löst der menschliche Körper bei Infektionen zwei Wellen aus: Die erste besteht aus kurzlebigen Immunzellen und wenig spezifischen Antikörpern gegen eine akute Infektion. Nach ein bis zwei Monaten werden langlebige Abwehrzellen und spezifische Antikörper produziert, die eine dauerhafte Immunität gewährleisten. Laut der Studie stieg die Menge der Corona-Antikörper etwa zwei Monate lang an, ehe sie auf diesem Niveau blieb.

Zwei Doktoren der Universität Harvard sowie der US-Gesundheitsbehörde haben die isländische Studie beurteilt. Laut ihrem Kommentar macht die Untersuchung Hoffnung, dass die Immunität gegen Corona «nicht von kurzer Dauer ist, sondern ähnlich wie bei anderen bekannten Virus-Infektionen». Gute Nachrichten auch für die Erfolgsaussichten von Impfstoffen.