
Interessante Behördenantworten: Kommen unterklassige Klubs wie der FC Aarau um die Sitzplatzpflicht herum?
Ab Oktober gilt: Masken- und Sitzplatzpflicht in den Stadien der Fussball- und Eishockeyligen. Als „Gegenleistung“ dürfen die Klubs wieder mehr als 1000 Personen auf die Zuschauertribünen lassen – 2/3 der Sitzplatzkapazität darf benutzt werden.
Was auf den ersten Blick als kleiner Befreiungsschlag für die professionellen Sportklubs tönt, könnte sich für einige von ihnen als Rohrkrepierer entwicklen – etwa für den FC Aarau: Der Zuschauerschnitt im Stadion Brügglifeld belief sich vor Corona auf weit über 3000 Fans pro Heimspiel, bereits hat der FCA annähernd 2000 Saisonkarten für die Saison 2020/21 verkauft. Doch Sitzplätze gibt es im Brügglifeld nur gerade 1187. Will der FCA alle Saisonkarten-Inhaber und all diejenigen, die spontan ein FCA-Spiel besuchen wollen, ins Stadion lassen, müsste er auf die Stehrampen in Sitzplätze umwandeln.
Zumindest musste man davon ausgehen, als Bundesrat Alain Berset am Mittwoch die Auflagen für die Überschreitung der 1000er-Grenze erklärte. Auf die Nachfrage eines Journalisten, ob die Sitzplatz-Pflicht auch für unterklassige Ligen wie die Challenge League (Heimat des FCA) gelte, bejahte Berset mit der saloppen Zusatzbemerkung, dass alle Profiklubs das so gewollt hätten.
Das stimmt so natürlich nicht – kein Fussball- und Eishockeyklub verzichtet freiwillig auf Stehplätze. Die Swiss Football League bat zudem bei den Bundesbehörden darum, die unterklassigen Klubs der Challenge League von der Sitzplatzpflicht zu befreien, weil die meisten Stadien nur wenige Sitzplätze haben. Item. Entscheidend in der Frage, ob der FC Aarau das Brügglifeld umbauen muss oder nicht, dürfte nach neusten Erkenntnissen die Einschätzung der kantonalen Behörden sein.
Die Aargauer Zeitung hat beim Departement Gesundheit und Soziales des Kanton Aargau (DGS) folgende Frage eingereicht: Ist der Kanton Aargau bemächtigt, dem FC Aarau für das Brügglifeld eine Sonderbewilligung zu erteilen, gemäss dieser Sitzplätze nicht nötig sind? Antwort DGS: „Das ist gestützt auf die Ausnahmeklausel in Abs. 2 «Die Kantone können bei Freiluftveranstaltungen für bestimmte Zuschauerbereiche, namentlich im freien Gelände, ausnahmsweise Stehplätze bewilligen, sofern diese in Sektoren unterteilt werden und zusätzliche Schutzmassnahmen vorgesehen sind» grundsätzlich denkbar.
Dürfte heissen: Sollte der FCA ein Schutzkonzept für das Brügglifeld einreichen, welches das DGS überzeugt, könnte er eine Ausnahmebewilligung für Stehplätze erhalten. Theoretisch. Wie realistisch diese Einschätzung tatsächlich ist, werden die nächsten Tage zeigen, die Abklärungen laufen auf Hochtouren. Das Ganze könnte sogar zum Juristenfutter werden. Einen kleinen Hoffnungsschimmer am Horizont sieht der FCA jedoch: Denn beim Umbau der Steh- in Sitzplätze könnte eine Baubewilligung nötig werden, gegen Einsprachen der Anwohner fast schon garantiert wären.
Womit wir bei der nächsten Frage wären: Müsste das Brügglifeld umgebaut werden – lohnt sich das überhaupt? Denn ob bewilligungspflichtig oder nicht: Vor einem allfälligen Umbau müssten die FCA-Verantwortlichen eine Kosten-/Nutzenrechnung machen. Übersteigt der Preis für den Umbau, der schnell in den mittleren sechsstelligen Bereich schnellen wird, den Ertrag, den mehr anwesende Zuschauer mit sich bringen?
Falls ja, dürfte der FC Aarau im Brügglifeld an der bestehenden 1000er-Grenze festhalten: Bei Anlässen mit weniger als 1000 Zuschauern nämlich gibt es nämlich auch in Zukunft keine Masken- und Sitzplatzpflicht. Das geht aus der Antwort des DGS auf die entsprechende Frage der AZ hervor – das DGS schreibt: „Sitzplatzpflicht gilt nur über 1000 Personen, die Unterschreitung des Abstands von 1,5 Meter ist nur mit Masken zulässig.“ Die gleiche Antwort auf die gleiche Frage kommt von Bundesebene, vom Bundesamt für Gesundheit BAG: „Bei Veranstaltungen unter 1’000 Zuschauern gilt weder eine Masken- noch eine Sitzplatzpflicht. Solche Veranstaltungen dürfen nach den bisherigen Schutzkonzepten durchgeführt werden.“
Zudem wollte die AZ vom DGS wissen, wie die Aargauer Behörden „Sitzplatz“ definieren. Ein Sitzkissen auf den Beton legen und mit Farbe ein Viereck sprayen – das wird nicht genügen. Doch sind Sitzschalen auf einer Tribüne wirklich nötig? Reicht eine simple Holzkonstruktion? Die Antwort des DGS: „Die Verantwortlichen des FC Aarau stehen mit den zuständigen kantonalen Behörden in Kontakt. Vorbereitungsarbeiten zur Umsetzungsplanung der bundesrätlichen Verordnung sind erfolgt. Entsprechende Entscheide werden zu gegebener Zeit publiziert.“