
Erstmals wieder über 300 Neuinfektionen: Die Zahl ist nicht das Wichtigste, sondern die Übertragungsorte
Herr Tanner, das Bundesamt für Gesundheit BAG meldet für den gestrigen Tag 311 Neuinfektionen für die Schweiz. Hat die Überschreitung der 300er-Grenze eine besondere Bedeutung?
Marcel Tanner: Ob 299 oder 311 spielt keine Rolle. Es geht nicht um eine präzise Obergrenze. Entscheidend ist, wie sich die Neuinfektionen im Land verteilen. Finden Hunderte Fälle an einem einzigen Ort statt, kann das Contact Tracing-System dort bereits bei 200 an seine Grenzen stossen, weil das System überlastet ist. Ist die Infektionszahl nur an einem Tag über 300, ist das noch machbar. Geht das aber über mehrere Tage oder steigt die Zahl der Neuinfektionen kontinuierlich an, dann kommt die Kapazität des Contact Tracings in den Kantonen an ihren Anschlag und wir kommen möglicherweise in eine Welle hinein. Geschieht das aber zum Beispiel nur an einem einzigen Ort, ergibt sich keine flächendeckende Welle für die ganze Schweiz.
Wann kann man bei Infektionen von einer Welle sprechen?
So wie am Meeresstrand, wenn eine Welle alles mitreisst. Der Volksmund spricht von Welle. Eigentlich geht es darum, dass unser System, das Covid-Tracing, dann nicht mehr feststellen kann, wo die Übertragungen stattfinden und wir nicht mehr gezielt eingreifen können.
Vor zwei Wochen sind viele aus den Ferien zurückgekehrt. Könnte die hohe Zahl damit zu tun haben?
Das kann sein, das ist sicher eine sehr wichtige Hypothese, die man nun auf jeden Fall prüft. Das macht das Contact Tracing. Zuvor kann ich dazu nichts wissenschaftlich Fundiertes sagen.
Wir gehen im Moment nicht von einer nationalen Welle aus, sondern von Hotspots.
Es handelt sich noch immer um Hotspots. Man muss nun herausfinden, wo diese sind. Dann kann man feststellen, ob das zum Beispiel Ferienrückkehrer aus Spanien sind oder Menschen, die in einer Partymeile in Basel oder Zürich gefestet haben. Die Frage, wo die Übertragungen stattfinden, ist wichtiger als die reine Infektionszahl.