
Nachhaltig und regional: So geht der FC Aarau in die Zukunft
Quo vadis, FC Aarau? In den vergangenen Jahren erhielten Interessierte auf die Frage, wohin der Verein gehen und für was er stehen will, keine schlüssige Antwort. Verständlicher Hauptgrund, aber auch eine beliebte und überstrapazierte Ausrede für den sportlichen Blindflug: die Ungewissheit, ob das Stadionprojekt im Torfeld Süd am Leben bleibt und somit auch der Profifussball am Standort Aarau – ohne laufendes Neubauprojekt hätte die Swiss Football League dem Verein die Lizenz entzogen.
Am 24. November 2019 haben die Aarauer Stimmbürger Ja gesagt zum neuen Quartier mit Wohntürmen und Stadion im Torfeld Süd. Dass der FCA dort dereinst seine Spiele austragen wird, ist damit zwar nicht gesichert. Doch das Ja war überlebenswichtig: Die Verantwortlichen des FC Aarau haben dank der Lebenserhaltung des Neubauprojektes die Sicherheit, dass im altehrwürdigen Stadion Brügglifeld professioneller Fussball weiterhin einen Platz hat.
Nach dem Ende der Amtszeit des langjährigen Präsidenten Alfred Schmid, der den Verein durch die lange Zeit der Ungewissheit geführt hat, ist seit Ende Mai 2020 Philipp Bonorand das neue FCA-Oberhaupt. Er will die neu gewonnene Planungssicherheit nutzen, dem Klub endlich die lang vermisste Handschrift zu verleihen. Dazu wurde klubintern in den vergangenen Monaten ein Handbuch mit der Vision, den Werten und dem sportlichen Konzept für die kommenden Jahre verfasst.
Auch in Zukunft ambitioniert trotz latenter Unsicherheit
Laut Bonorand entstand dieses Handbuch unter Einbezug aller Interessensgruppen im und um den FC Aarau – Fans, Mitarbeiter, Sponsoren, Gönner. «Wegen Corona ist unklar, ob uns auf Dauer alle der zahlreichen Sponsoren erhalten bleiben und ab wann wir wieder mit normalen Zuschauereinnahmen rechnen können. Das Budget wird im Vergleich zu den vergangenen Jahren tiefer sein. Trotzdem wird der FC Aarau auch in Zukunft ein ambitionierter Klub sein», so der Präsident. Was «ambitioniert» bedeutet, verrät der erste Satz der FCA-Vision, die der AZ vorliegt: «Der FC Aarau ist das sportliche Aushängeschild in der Region und in der Super League etabliert.»
Eine Frist, bis zu deren Ende der Aufstieg gelingen soll, will Bonorand nicht nennen. Doch dürfte die Vertragsdauer des neuen Cheftrainers Stephan Keller, der bis 2023 unterschrieben hat, in etwa die Antwort sein. In der Vision sind nicht nur sportliche Ziele, sondern auch die Art und Weise, wie diese erreicht werden, festgehalten. «Der FC Aarau spielt einen dynamischen, schnellen und leidenschaftlichen Fussball», steht da. Oder: «Der FC Aarau bietet im Brügglifeld und im neuen Stadion Torfeld Süd ein einzigartiges Stadionerlebnis mit Hexenkessel-Atmosphäre.»
Und: «Der FC Aarau fördert und fordert junge Talente. Er hat ein Gerüst von erfahrenen Spielern und Identifikationsfiguren, welche den jungen Spielern ein Vorbild sind.» Wirtschaftlich und strukturell soll die Arbeit von Bonorands Vorgängern fortgeführt werden: «Der FC Aarau ist ein unabhängiger Fussballklub mit breiter Aktionärsstruktur, in der Region und im Kanton gut verankert, und er wirtschaftet nachhaltig.»
Bonorand sagt: «Als grösster Sportverein der Region und des Kantons wollen und müssen wir vorangehen. Die Ziele sind hoch, aber realistisch: Einen Klub wie den FC Thun, der über lange Zeit in der Super League etabliert hat, betrachten wir vom wirtschaftlichen und Fanpotenzial her auf Augenhöhe – was sie erreicht haben, ist auch in Aarau möglich.» Wäre im Frühjahr die Super-League-Aufstockung ab 2021 von 10 auf 12 Teams beschlossen worden, hätte der FCA in der kommenden Saison mit der Brechstange den Aufstieg erzwingen wollen. Mittlerweile, so Bonorand, sehe er die abgelehnte Modusänderung nicht mehr als Niederlage, sondern als Chance, wegen der gleichbleibenden Ligagrösse das Projekt «Super-League-Etablierung» auf einem soliden Fundament aufzubauen. «Das neue Konzept ist keine Notlösung wegen Corona oder der gescheiterten Ligaaufstockung – sondern in unseren Augen der beste Weg des FC Aarau in die Zukunft. Wenn die Super League erreicht ist, wird am eingeschlagenen Weg festgehalten. Der FC Aarau wird immer ein familiärer Verein sein, bei dem der Präsident nicht nur in der Lounge, sondern auch am Bierstand anzutreffen ist.»
Sportchef Sandro Burki als zentrale Figur beim Neustart
Eine zentrale Figur beim Neustart des FC Aarau ist Sportchef Sandro Burki. Kürzlich sagte dieser im AZ-Interview: «Ich hatte bisher den Auftrag, schnellstmöglich für Erfolg zu sorgen, und konnte innerhalb der finanziellen Leitplanken meine Handschrift einbringen. Jetzt aber lancieren wir eine Strategie, nach der sich von den Junioren über die Geschäftsstelle bis zum Profiteam in den nächsten Jahren der ganze FC Aarau richtet. Unabhängig von Einzelpersonen: Künftig müssen sich die Mitarbeiter dem FC Aarau anpassen, nicht umgekehrt.» Burki hat während der dreimonatigen Coronapause den sportlichen Bereich des neuen Konzepts zu Papier gebracht.
Gleich der erste Punkt ist der wohl am schwierigsten umsetzbare. «Wir (der FC Aarau; d. Red.) entscheiden langfristig und nachhaltig. Entscheidungen werden überlegt gefällt und nicht emotional.» Was, wenn im Resultatbusiness Fussball der Erfolg ausbleibt und der externe Druck steigt? Können Emotionen, das wichtigste Verkaufsargument eines Fussballklubs, in der Entscheidungsfindung einfach so ausgeblendet werden? Man darf gespannt sein.
Die zwei zentralen Punkte im Konzept des FC Aarau betreffen die Nachwuchsförderung und die künftige Struktur des Profikaders. «Wir leisten bereits heute sehr gute Arbeit im Nachwuchsbereich», so Burki, «das Team Aargau zählt mehr Juniorennationalspieler als Vereine aus der Super League, die bedeutend grössere Mittel zur Verfügung haben.» Künftig soll das Team Aargau neben den bisherigen Aarau, Baden und Zofingen um zusätzliche Standorte erweitert, vom internen Wissen profitiert und die Nachwuchsarbeit professionalisiert werden – einhergehend mit einer einheitlichen Ausbildungsphilosophie: «Das Talent lernt bei den Junioren, was im Fall des Aufstiegs zu den Profis von ihm verlangt wird», so Burki. Die konsequente Förderung des regionalen Nachwuchses soll darin münden, dass künftig mindestens 12 Spieler des FCA-Profikaders eine Vergangenheit im Team Aargau haben. Was übrigens bereits in der vergangenen Saison der Fall war.
Neuzugänge nicht älter als 24 – aber es gibt Ausnahmen
20 gesunde Feldspieler und drei Goalies lautet der Richtwert der Kadergrösse – wobei «gesund» bedeutet, dass ein verletzter Spieler spätestens in vier Monaten wieder einsatzfähig ist. Neuzugänge sollen künftig neben ihrer sportlichen Tauglichkeit noch besser auf ihren Charakter geprüft werden – passen sie zu den Werten des FC Aarau? Und: Neuzugänge sind nicht älter als 24 Jahre alt, ausser sie sind für einen der fünf Kaderplätze für Führungsspieler vorgesehen. Externe Spieler sollen hauptsächlich in der Challenge League /Promotion League/1. Liga oder in den Nachwuchsabteilungen der Super-League-Klubs rekrutiert werden, im Ausland ist aktuell der Balkan das Gebiet, in dem der FCA im Wettbieten um gute Fussballer mit der Konkurrenz noch mithalten kann.
Den Machern des Konzepts war auch das Thema «Zielsetzung» einen Abschnitt wert; sie war in den vergangenen Jahren oft Ursprung der Kritik, weil sie mit der Kaderqualität nicht kongruierte. Nun gilt: «Realistische Ziele setzen und diese konsequent verfolgen. Wir beobachten die Konkurrenz und positionieren uns klar und transparent.»
Quo vadis, FC Aarau? Auf Papier ist die Antwort vielversprechend – entscheidend ist, wie die Antwort auf dem Platz ausfällt.