«Hey, lächle doch mal!»

Als Feministin in einer Familie voller – durch das Patriarchat privilegierter – Onkel aufgewachsen zu sein, hat mich vor allem eines gelehrt: zu diskutieren. Und wie viele Diskussionen ich zu diesem Thema – nicht nur mit meiner Familie – doch schon geführt habe … Die Ungleichstellung sei vorbei, das Lohngefälle ein Mythos und wir Frauen fänden es schliesslich schön, angemacht zu werden. Nun, der erste Punkt lässt sich gleich mit dem zweiten negieren. Wer einen Blick auf die Lohnunterschiede des Bundesamts für Statistik wirft, kann sehen, dass das Lohngefälle zwischen Mann und Frau 2018 im Schnitt noch immer über elf Prozent betrug. Im obersten, oberen und mittleren Kader der Berufe lag der Unterschied sogar bei über 18 Prozent. Was gibt es da noch zu diskutieren? 

Was den dritten Punkt betrifft: Nun, durch meinen Nebenjob, ich serviere in einer Bar, habe ich vermutlich schon jeden dummen Spruch gehört und nicht wenige davon haben mich zum Objekt heruntergestuft. Meine Lieblingsbemerkung hat allerdings nichts mit billiger Anmache zu tun: «Hey, lächle doch mal!» Erstens: Ich würde diejenigen Personen gerne mal lächeln sehen, die gerade ein schweres Tablett voller Getränke tragen. Zweitens: Wenn das so gemeint ist, wieso höre ich das nie eine Frau zu einem Mann sagen oder einen Mann zu einem anderen? Wenn die Gleichstellung erreicht ist, wieso spricht man dann noch immer von «starken Frauen», wenn sie Karriere und Kind unter einen Hut bringen? Und wieso unterscheiden sich die Ergebnisse einer Google-Bilder- Suchanfrage zwischen den Begriffen «Schuljunge» und «Schulmädchen» so stark? Bis die Gleichstellung erreicht ist, gibt es noch einiges zu tun. Also verzeiht, wenn ich auf die Bemerkung «Hey, lächle doch mal!» mein Gesicht höchstens zu einer missbilligenden Grimasse verzerre.