Der FC Chiasso: Die neuen Unabsteigbaren

Coronaprofiteure im Fussball? Ja, die gibt es. Während die meisten Klubs unter den ausbleibenden Zuschauereinnahmen und der drohenden Verschuldung ächzen, hat das Virus dem FC Chiasso in die Karten gespielt. Und aus sportlicher Sicht auch dem FC Aarau.

Als Ende Februar die Challenge-League-Saison abrupt unterbrochen wird, liegt Chiasso auf dem Abstiegsplatz, sieben Punkte hinter dem rettenden Ufer. In der viermonatigen Pause werden die Meisterschaften aller Ligen unterhalb der Challenge League abgebrochen – mit der erfreulichen Folge für Chiasso, dass der Klassenerhalt kampflos gesichert ist.

Die Aussicht auf die Rettung war zwar trist, aber wer weiss: Vor dem Lockdown zeigte Chiasso aufsteigende Tendenz, während der FC Aarau in vier Spielen nur einen Punkt holte und davor stand, in den Abstiegskampf zu geraten. Dieser wäre angesichts der liederlichen Mannschaft wohl zum Horrorszenario geworden – so gesehen darf sich auch Aarau als Coronagewinner fühlen.

Doch zurück zu den Tessinern: Erneut lagen sie scheinbar aussichtslos zurück, erneut bleiben sie dem Profifussball erhalten. Erneut dank fremder Hilfe. Somit übernehmen sie langsam aber sicher vom heutigen Gegner den Nimbus der «Unabsteigbaren»: Zwischen 1981 und 2010 rettete sich der FC Aarau mehrmals auf wundersame Art und Weise vor dem Gang in die Zweitklassigkeit, 2002 etwa profitierte er, sportlich abgestiegen, vom Konkurs Luganos.

Aarau geht 180 Grad anderen Weg als Chiasso

Der FC Chiasso spielte nach dem Aufstieg in die Challenge League 2010 in den ersten drei Saisons noch vorne mit, ehe das alljährliche Zittern begann: Zwei Mal gelang die Rettung erst am letzten Spieltag, drei Mal profitierte das in der Tabelle weit hinten klassierte Chiasso vom Rückzug oder Zwangsabstieg eines Konkurrenten, in der laufenden Saison heisst der Schutzengel Corona.

Während im Tessin der wundersame Klassenerhalt stets gefeiert wird wie der Meistertitel, rümpft man in der Deutschschweiz die Nase. Es ist ein offenes Geheimnis, dass niemand, nicht einmal die Kontrolleure der Swiss Football League, das Konstrukt «Chiasso» genau durchschauen – geschweige denn gutheissen: In jeder Sommerpause, je nach Tabellenstand auch im Winter, wird das Kader kräftig umgekrempelt. Den Sinn und Zweck der Challenge League als Ausbildungsliga führen die Tessiner ad absurdum – zu ihrer Verteidigung gilt dies auch für andere Vereine, zum Beispiel Stade Lausanne-Ouchy.

Welche Ziele Chiasso hegt, wie im südlichsten Fleck der Schweiz, wo sich der Zuschauerschnitt um die 500 bewegt, professioneller Fussball rentiert, welche Personen nicht nur in der Theorie, sondern in der Praxis die Fäden in den Händen halten – alles ein grosses Rätsel. Der FC Chiasso ist auch für bestens informierte Insider der weisse Fleck auf der Schweizer Fussballlandkarte, dennoch erhalten die Tessiner jedes Jahr die Spiellizenz.

Um Geld zu sparen, hat sich der Klub am 30. Juni von allen Spielern mit auslaufendem Vertrag getrennt – darunter die Ex-Aarauer Rossini, Aquaro und Martignoni. Der FC Aarau ist diesbezüglich den umgekehrten Weg gegangen. Die Folge: Chiasso bekommt das Matchblatt nicht mehr voll, in den letzten Partien schwankte die Zahl der Ersatzspieler zwischen drei und fünf, möglich wären sieben.

Ein Rumpfteam, das in den neun Partien seit der Coronapause nur einen Punkt geholt hat und mittlerweile nur noch halb so viele Punkte wie der FCA auf dem Konto hat (18:36) – alles andere heute Abend als der erste Sieg unter dem neuen Cheftrainer Stephan Keller wäre das nächste Armutszeugnis des FC Aarau.