Renato Steffen: Vom Feuerwehrmann zur Teamstütze

Als Renato Steffen 2018 den Sprung vom FC Basel in die Bundesliga zum VfL Wolfsburg wagte, waren die Kritiker schnell zur Stelle. Er wurde als einer abgestempelt, der den Weg ins Ausland viel zu früh suche. Steffen hat sie alle eines Besseren belehrt. Der 28-jährige Erlinsbacher hat in seinem zweiten Wolfsburg-Jahr eine starke Rückrunde hinter sich, wurde in mehreren Partien zum Wolfsburger Mann des Spiels gewählt. 6 Tore und 3 Torvorlagen standen letztlich auf dem Konto des Schweizer Nationalspielers. Selbst in deutschen Medien sorgte Steffen für Schlagzeilen, indem er als kleinster Wolfsburger Spieler (1,7 m) vier der sechs Tore per Kopf erzielte. Steffen muss schmunzeln: «Im Team war das kein grosses Thema. Die Mannschaft weiss, dass ich einen guten Kopfball habe, man kann mit guter Sprungkraft und gutem Timing viel rausholen.»

Es sei gewiss sein bestes Bundesliga-Halbjahr gewesen, vollends zufrieden ist der Aargauer aber nicht: «Ich sehe nicht nur das letzte halbe Jahr, sondern schaue auf die ganze Saison. Hätte ich in der Hinrunde ebenfalls solche Leistungen wie zuletzt gezeigt, wäre es persönlich eine richtig gute Saison geworden.»

Probleme nach dem Trainerwechsel

Steffen, der einen speziellen Weg zum Fussballprofi ging, tat sich zu Beginn der Saison nach dem Trainerwechsel von Bruno Labbadia zu Oliver Glasner schwer. «Ich hatte das Gefühl, dass ich wieder bei Null beginnen musste.» Einsatzminuten bekam er kaum welche und wenn doch, dann nicht auf seiner Lieblingsposition auf dem rechten Flügel. «Ich bin so ein bisschen hin- und hergeschoben worden, war Feuerwehrmann hier, Feuerwehrmann dort.» Das sei keine Kritik am Trainer, aber halt schon ein Grund dafür gewesen, weshalb es zunächst persönlich nicht gut lief. Immerhin festigte Steffen dabei seinen Ruf als polyvalenter Spieler. Steffen suchte dennoch mit Glasner das Gespräch. «Ich war danach wieder frei im Kopf, was sich auch in meinen Leistungen widerspiegelte», sagt Steffen.

Doch just, als er den Tritt so richtig gefunden hatte, wurde er von der Coronapandemie ausgebremst. «Das war keine einfache Zeit. Wir waren sehr isoliert, hatten viele Auflagen zu erfüllen, sodass es schwierig war, den Fitnessstand auf hohem Niveau aufrecht zu halten», so Steffen. Trotzdem fand er gestärkt daraus, so sehr, dass er sich vom Feuerwehrmann zur Teamstütze entwickelte.

Wolfsburg schloss die Saison auf Platz sieben ab und muss in die Europa-League-Quali. «Unter dem Strich können wir zufrieden sein. Es war ein Jahr mit Höhen und Tiefen. Wir sind sehr gut gestartet, dann kam eine Phase, in der es nicht gut lief. Wollen wir nächste Saison erfolgreicher sein, müssen wir konstanter werden», sagt Renato Steffen. Als persönliches Highlight streicht der 28-Jährige den 4:0-Sieg gegen Mainz heraus, bei dem ihm ein Doppelpack gelang. Aber auch die anderen Treffer und Torvorlagen taten seinem Selbstvertrauen gut. Ein kleiner Schönheitsfehler ist, dass Steffen ausgerechnet in den Topspielen gegen Dortmund und die Bayern kaum Zugriff aufs Spiel fand. «Die Rückrundenspiele waren gut. Das ist das, was ich leisten kann. Gegen die Bayern habe ich zu viel nachgedacht – und dann war der Ball schon wieder weg.»

Rund um die überzeugenden Leistungen wird über die vorzeitige Vertragsverlängerung nachgedacht. «Renato Steffen hat bei uns eine gute Entwicklung genommen. Wir können uns eine weitere Zusammenarbeit grundsätzlich sehr gut vorstellen», sagte Jörg Schmadtke, Geschäftsführer Sport beim VfL, im Frühling. Steffens Vertrag läuft per Juni 2021 aus. Will auch er mit seiner Frau Qendresa und dem bald zweijährigen Sohn Lian bleiben? «Wir sind soeben in ein Haus gezügelt und fühlen uns in Wolfsburg sehr wohl. Ich kann mir deshalb gut vorstellen, hier zu bleiben. Ich weiss, was ich an Wolfsburg habe, hier kann ich spielen. Und ich hoffe auch, dass sie wissen, was sie an mir haben.» Konkrete Gespräche sollen nach der Sommerpause stattfinden.

Positive Signale erhielt er auch von Nationaltrainer Vladimir Petkovic. «Er hat mir zu einer starken Saison gratuliert, hat mir schöne Ferien gewünscht und erwähnt, dass wir uns bald wieder hören werden.» Steffen soll im Hinblick auf die Nations-League-Spiele im September zum Stammkader gehören.

Ferien in der Schweiz, Auftakt am 22. Juli

Vorerst sind aber bei Renato Steffen Ferien angesagt. Er freue sich, nach über fünf Monaten endlich wieder Zeit im Aargau bei Familie und Freunden zu verbringen. «Und vielleicht gehen wir spontan noch ein paar Tage ins Tessin. Aber auf jeden Fall nicht an einen Ort, wo wir uns Gefahren einer Coronavirus-Ansteckung aussetzen», so Steffen. Bereits am 22. Juli enden die Sommerferien, dann müssen alle Wolfsburg-Spieler zum Coronatest. Danach stehen über drei Tage hinweg Fitnesstests an, ehe Ende Juli der Trainingsauftakt des Teams auf dem Programm steht.

Via SC Schöftland in die Bundesliga

Renato Steffens Weg zum Fussballprofi ist ein ungewöhnlicher: Vom FC Erlinsbach gings als Junior zum FC Aarau. Dort als zu klein abgestempelt, fand er Unterschlupf beim SC Schöftland (2. Liga inter). Von dort wechselte er zum FC Solothurn (1. Liga), wo ihm dank Thuns Sportchef Andres Gerber als festangestellter Maler der Durchbruch in den Profifussball gelang. Von Thun wechselte weiter zu den Young Boys, worauf er mit dem FC Basel zwei Mal Schweizer Meister sowie ein Mal Cupsieger wurde. Seit 2015 zählt er zum Kader der Nationalteams und steht bei 10 Einsätzen.