
Lidl-Verteilzentrum: Die Gemeinden gehen auf die Barrikaden
Das geplante Lidl-Verteilzentrum in Roggwil im Kanton Bern beschäftigt die Gemeinden an den Autobahnauffahrten Reiden und Rothrist weiterhin. Nachdem in Roggwil die für das Verteilzentrum nötige Zonenplanänderung Brunnmatt öffentlich aufgelegen ist, haben Rothrist, Murgenthal, Brittnau, Reiden, Pfaffnau und Roggliswil dagegen Einspruch eingereicht. Durch diese sechs Gemeinden fährt der Verkehr vom Verteilzentrum zu einer Autobahnauffahrt in Richtung Norden oder Süden – und von der Autobahn zum Verteilzentrum. Durch Murgenthal und Rothrist fliesst der Verkehr, der in Richtung Norden zur Autobahnauffahrt Rothrist fährt. Ein Verkehrsgutachten von Lidl spricht von ungefähr 50 Prozent des Verkehrs, der in diese Richtung unterwegs sein wird. An Werktagen wird total mit 710 Lastwagen- und 520 Personenwagenfahrten von und zum Verteilzentrum gerechnet. Wenn der Verkehr in Richtung Süden unterwegs ist, wird die Autobahnauffahrt Reiden angefahren. Etwa 21 Prozent der Fahrten werden laut Verkehrsgutachten in diese Richtung unterwegs sein und dabei durch die Gemeinden Roggliswil, Pfaffnau, Brittnau und Reiden führen.
Kritikpunkt 1: Kein Richtplanverfahren
Einige der betroffenen Gemeinden sowie der Regionalverband Zofingenregio haben bereits im November 2019 im Rahmen des Mitwirkungsverfahrens zur Zonenplanänderung Anträge eingereicht. Diese Anträge seien nicht berücksichtigt worden, deshalb hätten die Gemeinden nun koordiniert Einsprache gegen die Zonenplanänderung erhoben, sagt Hans-Ruedi Hottiger, Präsident des Regionalverbands Zofingenregio. «Es scheint, als würden beim Kanton Bern und der Gemeinde Roggwil erhebliche Sachzwänge bestehen, das Lidl-Verteilzentrum unbedingt anzusiedeln. Nur so kann ich mir erklären, dass auf die gesetzlich vorgeschriebene, übergeordnete Planungsgrundlage im kantonalen bernischen Richtplan verzichtet werden soll.» Noch im vergangenen Jahr hat Hottiger im Grossen Rat eine Interpellation eingereicht. Thema: Überkantonale Abstimmung von raumwirksamen Tätigkeiten und deren Auswirkungen in Nähe der Kantonsgrenze. Hottiger wollte wissen, was der Kanton Aargau dazu sagt, dass im Kanton Bern ein Verteilzentrum geplant wird, dafür aber bloss eine Zonenplanänderung angestrebt wird und keine Richtplanänderung, die automatisch auch die betroffenen Nachbarkantone einbezogen hätte (ZT vom 11. Dezember 2019). Zofingenregio-Vize Thomas Grüter hat im Kantonsrat Luzern eine ähnliche Anfrage eingereicht. Während seine Anfrage im Rat bereits behandelt worden ist, steht die Interpellation von Hottiger für nächsten Dienstag auf der Traktandenliste des Grossen Rats.
Kritikpunkt 2: Keine Abklärung durch ASTRA
Die betroffenen Gemeinden in den Kantonen Aargau und Luzern sind überzeugt, dass weitere Abklärungen nötig gewesen wären, beispielsweise welche Auswirkungen der Mehrverkehr auf die Autobahnausfahrt Reiden hat. «Das Linksabbiegen nach der Ausfahrt Richtung Roggwil kann insbesondere für Lkws problematisch sein. Rückstaus auf die Autobahn und entsprechend gefährliche Situationen können nicht ausgeschlossen werden», sagt Willi Zürcher, Gemeinderat aus Reiden. Deshalb ist er der Meinung, dass es zwingend eine Einschätzung des Bundesamts für Strassen ASTRA braucht.
Kritikpunkt 3: Das Verkehrsgutachten von Lidl
In Frage gestellt wird auch das Verkehrsgutachten von Lidl. Die Grundannahmen und die Prognosen des Verkehrsgutachtens zur Zonenplanänderung seien schlicht falsch, sagt Ralph Ehrismann, Gemeindeammann von Rothrist. «Die offiziellen, aktuellen Zählungen des Kantons Aargau auf der Kantonsstrasse K101 Murgenthal-Rothrist übertreffen bereits heute den im Verkehrsgutachten geschätzten Prognosewert für das Jahr 2030.» Diese Zahlen seien von Lidl fürs Gutachten übernommen worden und von den Bewilligungsinstanzen nicht in der nötigen Tiefe kritisch überprüft worden.
Kritikpunkt 4: Keine Bahnanbindung
Obwohl das Gugelmann-Areal in Roggwil unmittelbar an der Bahnlinie liegt und über ein Anschlussgleis verfügt, ist keine Bahnanbindung vorgesehen. Dies ist ein weiterer Punkt, den die Gemeinden in ihren Einsprachen aufführen. «Das ist für mich besonders störend, und ich sehe hier einen Widerspruch zum Konzept für den Gütertransport auf der Schiene des Bundesrats», führt Thomas Grüter, Gemeindepräsident von Pfaffnau, stellvertretend für alle Gemeinden aus. Lidl-Sprecherin Corina Milz sagte im Dezember 2019 gegenüber dieser Zeitung, dass die Verteilung ausschliesslich über die Strasse erfolgen solle, weil Lidl Schweiz im Vergleich zu anderen nationalen Detailhändlern wenig Umlagerungen zwischen den eigenen Warenverteilzentren vornehme.
Die betroffenen Gemeinden in den Kantonen Luzern und Aargau hoffen nun, dass sie mit ihrer koordinierten Einsprache ein Zeichen setzen können. «Die Zonenplanänderung hat grosse Auswirkungen über die Gemeinde- und Kantonsgrenzen hinaus», sagt Hans-Ruedi Hottiger. Eine Richtplanänderung sei daher zwingend.