Bleibt Sandro Burki nur der Wühltisch?

Frühling – normalerweise die Jahreszeit, in der Sandro Burki zwischen Gegenwart und Zukunft pendelt: Während sich in der laufenden Saison der Verdrängungskampf um die besten Plätze zuspitzt und das Urteil naht, ob der Sportchef des FC Aarau beim Kaderbau einen guten oder schlechten Job gemacht hat, muss er nebenbei die Mannschaft für die nächste Spielzeit zusammenstellen. Kurz: Der Frühling ist die intensivste Zeit im Jahr des Sportchefs.

Normalerweise. Aber was ist 2020 schon normal? Wegen Corona ruht seit drei Monaten der Ball, wir schreiben Anfang Juni und weder ist die laufende Saison beendet noch ist klar, mit welchem Budget Aarau die nächste in Angriff nehmen wird.

Zwangsläufig musste sich Burki also zuletzt anderen Dingen widmen. Das Gute: Es sind Dinge, die wichtig sind, aber die sonst in der Alltagshektik zu kurz kommen. So hat Burki die Pause genutzt, um das ins Wanken geratene kantonale Nachwuchskonstrukt «Team Aargau» neu aufzustellen und die bisherigen knapp drei Jahre als Sportchef zu reflektieren.

Seit gut einer Woche nun sind die Tore im Brügglifeld wieder geöffnet, es wird wieder trainiert und seit klar ist, dass ab dem 19. Juni die Saison fortgesetzt wird, ist bei Burki endgültig wieder Normalzustand eingekehrt. Aus seiner Erleichterung darüber macht er keinen Hehl: «Die vergangenen Wochen waren anders und darum auch reizvoll, trotzdem bin ich froh, wieder den normalen Aufgaben nachgehen zu können.»

Die erste ist die Verlängerung der am 30. Juni auslaufenden Spielerverträge bis zum neuen Saisonende am 2. August. Betroffen sind die Offensivspieler Neumayr und Schneuwly, die Verteidiger Mehidic, Affolter und Leo sowie Ersatzgoalie von Arx. Anfang dieser Woche hat die Klubleitung den Grundsatzentscheid gefällt, alle sechs bis am 2. August zu halten. Das müsste der FCA nicht.

Um in diesen finanziell unsicheren Zeiten Geld für das Kader der nächsten Saison zu sparen, hätte man ab sofort auf die Dienste des Sextetts verzichten können – oder zumindest auf jene, bei denen ausgeschlossen ist, dass sie auch in der nächsten, im September beginnenden Spielzeit das FCA-Trikot tragen werden.

Der neue Präsident Philipp Bonorand aber will das Kader beisammenhalten. Weil sich der FCA das leisten könne. Weil es für das Mammutprogramm von 13 Spielen in 45 Tagen möglichst viele Beine brauche. Und dem Einwand, dass es keinen Absteiger gebe und man das Kader für die bedeutungslosen Partien auch mit Junioren auffüllen könne, begegnet er mit dem Ziel, die Saison in der oberen Tabellenhälfte zu beenden.

Burki wird in den nächsten Tagen Neumayr, Schneuwly und Co. eine Vertragsverlängerung für 33 Tage anbieten. Zu gleichen Bezügen? «Wir machen ein faires Angebot.» Lohnreduktionen will er weder bestätigen noch dementieren. Die Spieler sollten das Angebot vor allem als Chance sehen, sich einen Arbeitsplatz für die nächste Saison zu sichern: «In den 13 Partien können sie sich für einen Platz in unserem oder im Kader eines anderen Vereins empfehlen.»

In Zukunft ein schmaleres Kader mit viel Lokalkolorit

Apropos nächste Saison: Einen Personalaufwand von über vier Millionen Franken (Stand Geschäftsbericht 2019) wird sich die FC Aarau AG nach Corona wohl nicht mehr leisten können. Da passt es, dass Burki künftig ohnehin ein schlankeres Kader will. Die neue Zauberformel lautet «20 Feldspieler plus 3 Goalies», wobei rund die Hälfte der FCA-Profis eine Vergangenheit im Team Aargau haben soll. Anfang dieser Saison waren es noch 26 Spieler, darunter 12 Eigengewächse.

Wie viele und auf welcher Position neue Spieler verpflichtet werden, ist unklar. Noch immer liegt kein Budget für die nächste Saison vor. Burki führt Gespräche mit Kandidaten, die Erlaubnis des Verwaltungsrats, neue Verträge abzuschliessen, hat er bislang nicht. Das sollte sich rasch ändern. Sonst droht dem FC Aarau das gleiche Szenario wie oft in den vergangenen Jahren: Auf dem Transfermarkt bleibt nur der Wühltisch übrig, während die Perlen bei der Konkurrenz gelandet sind.

Keller verlässt FC Aarau per sofort

Unabhängig davon, auf welchem Rang der FC Aarau die bislang enttäuschende Saison beenden wird – im Hinblick auf die neue Spielzeit (Beginn Mitte September) wird es personelle Veränderungen geben: Eine betrifft Assistenztrainer Stephan Keller, 41, dessen Ende Juni auslaufender Vertrag nicht verlängert wird.

Keller, der in der Saison 2017/18 und wieder seit Januar 2019 als Assistent amtete, nimmt bereits nicht mehr am Training teil. Ob sich der FCA einen Ersatz leisten will oder Kellers Pflichten auf Norbert Fischer und Petar Aleksandrov verteilt, ist offen.