
Auf dem Grund des Cocktailglases
Beinahe habe ich es vermisst, dieses verschmitzte Grinsen, das unweigerlich den Worten «das da habe ich aber nicht mitbestellt» folgt, wenn ich die Rechnung unter den Bierdeckel schiebe, ehe ich das Getränk sauber darauf abstelle und den unoriginellen Spruch mit einem Lächeln quittiere. Die Lockerungen des Bundesrats haben mich (zur Arbeit) sowie zahlreiche Gäste zurück in die Bars gespült. Und während die einen auf ihr tausendstes Bier bestehen, wagen sich andere an teurere Variationen. Besonders beliebt: Cocktails oder – wie ich sie gerne zu nennen pflege – Feriengefühle in einem Glas. Denn sehe ich ein Cocktailglas, höre ich in meinem Kopf bereits die Wellen rauschen, fühle den Sand zwischen den Zehen – und in der Ferne sind Gesprächsfetzen zu hören in Sprachen, die ich nicht verstehe.
Denn, privilegiert wie ich bin, habe ich zahlreiche Sommerferien am Strand verbracht. Ein fruchtiger Cocktail rundete jeweils den Abend ab. Vielleicht ist es gerade das, was die Leute dazu animiert, vermehrt tiefer in die Geldbörse zu fassen und was sie auf dem Grund des Cocktailglases zu finden hoffen: ein bisschen Sommer. Für einen Moment vergessen, dass die 20er Jahre des 21. Jahrhunderts nicht so gestartet sind, wie wir uns das vorgestellt haben. Ich für meinen Teil hatte da mehr an eine Rückkehr von Filzhüten und Fransenkleidern gedacht anstelle von Mundschutzen und schwarzen Quadraten.