
Welcher Lockdown-Lockerung-Typ sind Sie?
1. Die Nostalgiker
Corona: Stadt Grenchen, der Marktplatz war während des harten Locckdowns fast leer.
© Oliver Menge / D5
Kaum ist der harte Lockdown vorbei, schon vermissen ihn die Ersten. Die Corona-Nostalgiker befällt beim Anblick von mehr als fünf Menschen an einem Ort eine bittersüsse Traurigkeit. Mit weniger Menschen, weniger Möglichkeiten und mehr Regeln hat ihnen das Leben besser gefallen. Die Zwangsentschleunigung fanden sie toll. Unter ihnen finden sich auffallend viele Landbewohner, Klimaschützer und ältere Semester. Dass das von ihnen bevorzugte Lebensmodell des Verzichts und Rückzugs per Dekret zum Überlebensmodus erklärt wurde, das hat ihnen doch gefallen. Die Nostalgiker sitzen darum etwas missmutig auf ihren Balkonen und warten auf die zweite Welle. Es war doch gerade so schön ruhig.
2. Die Skeptiker
Demonstration gegen den wegen dem Coronavirus verhängten Lockdown, am Samstag, 16. Mai 2020, in St. Gallen.
© Benjamin Manser
Als der Bundesrat die harten Massnahmen ankündigte, ging das den Skeptikern viel zu schnell. Als übertrieben und übergriffig empfanden sie die Vorschriften. Und jetzt mit den Lockerungen geht es ihnen wieder viel zu schnell. Den Skeptikern kann es niemand je recht machen, zu zweifeln ist ihr Daseinsgrund. Sie misstrauen aus Prinzip jedem, ausser ihrer inneren Stimme. Die Coronazeit ist für Skeptiker ein harter Brocken, weil sie es ablehnen, abhängig zu sein. Gerade aber ist ihre persönliche Freiheit arg abhängig von Politikern im Notrechtmodus, von Virologen im Alarmzustand und täglich aktualisierten Ansteckungszahlen. Allen dreien misstraut der Skeptiker aus Überzeugung. Man wird ja wohl noch selber denken und gegebenenfalls auch sterben dürfen, findet er. Mit den Lockerungen geht er gewohnt skeptisch ins Gericht. Gönnt sich aber gerne wieder ein Bier in der Stammkneipe, um dort über die Politiker, Virologen und Ansteckungszahlen zu poltern.
3. Die Fatalisten
Die einzige Theorie zu Corona, die Fatalisten überzeugt, ist jene, dass wir es eh alle kriegen werden. Insgeheim neigen sie zur Ansicht, dass sie das Virus schon längst in sich tragen, natürlich fast ohne Symptome, vom leichten Kratzen im Hals mal abgesehen. Der Versuch, eine Krankheit aufzuhalten, die nicht nur extrem ansteckend ist, sondern auch oft unauffällig verläuft, erscheint ihnen lächerlich und vergeblich. Sterben müssen wir alle, ob an Covid-19 oder Krebs, Fatalisten machen da keinen grossen Unterschied. Sie verhalten sich unauffällig und schicksalsergeben, denn das Virus ist überall, seine Wege unergründlich. Da würde nur Beten helfen, aber an Gott glauben Fatalisten eher selten. Aber wenn, dann liegt alles in seiner ewig ungewaschenen Hand.
4. Die Vorsichtigen
Sicher ist sicher und am sichersten ist mit Maske.
© Bernd Friedel / www.imago-images.de
Sie brauchen immer einen Plan. Sie wollen wissen, was als Nächstes passiert, um sich sorgfältig darauf vorbereiten zu können. Atemschutzmasken haben diese Persönlichkeitstypen schon bestellt als andere noch dachten, Corona sei nur eine Biermarke. Desinfektionsmittel benutzen sie wie andere Handcreme, den Zwei-Meter-Abstand haben sie intuitiv im Griff. Ihr Sicherheitsbedürfnis ist gross, Regeln befolgen sie streng und weisen auch gerne mal andere auf deren Regelbrüche hin, dabei meinen sie es ja nur gut. Vorsichtige wollen nichts falsch machen, sich nichts zuschulden kommen lassen. In der Schweiz fühlen sie sich normalerweise gut aufgehoben, in unserem Land sind die Vorsichtigen zahlenmässig auch gut vertreten, aber in Zeiten wie diesen, wo Gesetzte und Regeln jeden Tag neu zur Verhandlung stehen, geht es ihnen nicht gut. Sie würden sich wünschen, es könnte einfach alles mal ein bisschen bleiben, wie es ist. Gerade hatten sie sich mit dem Homeschooling und dem Homeoffice eingerichtet, gerade daran gewöhnt, auf Social Distance sozial zu bleiben, und nun soll wieder alles anders sein? Aber niemand weiss so recht, wie! Überall gelten andere Regeln. Ein Horror! Darum bleiben die Vorsichtigen einfach weiterhin zu Hause. Soll der Bundesrat doch lockerer werden, sie schauen sich das mal aus der Ferne an.
5. Die Überschwänglichen
Ausgang in Baden nach der Verschärfung der Regeln durch den Bunderats im Umgang mit Virus Covid-19, Baden, 14. März 2020.
© Alex Spichale / AGR
Dieser gefühlsbetonte Typus neigt zu Extremen. Lief er in den ersten Wochen noch im Angst-Panik-Modus und sah seine Verwandtschaft schon an seinem eigenen Covid-19-Grab versammelt (obwohl ohne jegliche Vorerkrankungen und deutlich unter 40 Jahre, versteht sich), so verkündete er ab der vierten Woche, dass dieser Lockdown das Beste sei, was ihm je passiert wäre. Das Joggen habe er entdeckt, das Bananenbrotbacken und mehr Achtsamkeit beim Online-Yoga auch. Seine Hamsterkäufe kochte er mit aufwendigen Rezepten weg. In der Lockerungsphase neigt er nun ebenfalls zum hedonistischen Überschwang, umarmt, was ihm in die Quere kommt, verteilt Küsschen, und nach zwei Bier lässt er jegliche Social Distance vermissen. Getreu dem Motto: Ist die Zukunft ungewiss, dann lass uns hier und jetzt darauf anstossen.
6. Die Pragmatiker
Humor muss sein: Aushang im Whisky-Laden Cadenheads.
© Sandra Ardizzone / AGR
Sie geben sich stets betont locker, jegliche Panik scheint ihnen fremd. Das Virus ist da, nun gilt es, mit Besonnenheit und Vernunft darauf zu reagieren, so ihr Credo. Zumindest, solange das eigene Lebens- und Wohlfühlmodell davon nicht zu sehr tangiert wird. Denn die Pragmatiker sind vor allem in einem ganz gross: die Regeln so auszulegen, dass diese sie nicht zu sehr einschränken. Homeoffice ja, solange die Kinder in der Krippe notbetreut werden. Die eigene Familie isolieren ja, bis das erste Kind an die Decke steigt und dann doch besser mit der Nachbarschaft tobt. Sich von den erwachsenen Kindern den Wocheneinkauf bringen lassen, aber dann doch jeden Tag selber zum Bäcker spazieren. Die Pragmatiker nehmen das Leben und das Virus, wie es kommt, und Regeln sind für sie immer Interpretationssache.