Wie sich ein findiger Unternehmer «www.coronavirus.ch» gesichert hat

Mitte Januar war Corona vor allem eines: sehr fern. In der Schweiz hielt man das Virus noch für ein Problem Chinas. Selbst die Nachricht, dass sich Corona von Mensch zu Mensch überträgt, hatte sich kaum herumgesprochen. Doch es war am 22. Januar, als hierzulande bereits die Goldgräberstimmung ausbrach. An besagtem Mittwoch wurde die Internetadresse «www.coronavirus.ch» registriert – von der Wäfler Diagnostics AG, einem pharmazeutischen Handelsunternehmen aus dem luzernischen Kastanienbaum. Es war das grosse Los. Ein Volltreffer, auf den später sogar die Behörden neidisch sein sollten.

In den kommenden Wochen schossen Domains – landläufig auch Internetadresse genannt – mit Bezug zur Coronakrise nur so aus dem Boden. Die Stiftung Switch verwaltet in der Schweiz die Domain-Registrierung im Auftrag des Bundes. Gegenüber der Redaktion CH Media nennt sie erstmals eine Zahl: Allein seit Mitte Februar wurden rund 1200 Domains mit der Endung «.ch» registriert, die «Corona» oder «Covid» enthalten.

Da war etwa auch der Waadtländer, der sich «www.covid19.ch» sicherte. Der Berner, dem jetzt die Adresse «www.stopcorona.ch» gehört. Oder das Zürcher Unternehmen, das «www.corona-immun.ch» sein Eigen nennen darf. Die naheliegenden, selbsterklärenden Adressen waren bald vergeben. Doch sogar «www.corona-party.ch» ist nicht mehr zu haben: Die Adresse gehört einem Veranstaltungstechniker aus der Zentralschweiz.

Geschäftskontakte nach Asien halfen

Was bezwecken die Inhaber der Domains damit genau? Nicht wenige von ihnen dürften in die Kategorie «Glücksritter» fallen. Es handelt sich um Adressinhaber, «die von der Bekanntheit der Begriffe finanziell profitieren möchten», wie man beim St. Galler Adresshändler «Domains.ch» schon zu Beginn der Coronakrise vermutet hat. Findige Geschäftsleute sichern sich die Internetadressen auf Vorrat, um sie naheliegenden Interessenten weiterzuverkaufen. Das virtuelle Gut, es ist eine begehrte Ware. Während die Registrierung weniger als 20 Franken kostet, wechseln Domains schon mal für mehrere zehntausend Franken den Besitzer.

Andere verfolgen mit ihrer Corona-Domain selbst einen Geschäftszweck. Zu diesen zählt auch die Firma Wäfler Diagnostics, die sich eben im Januar «www.coronavirus.ch» geschnappt hat – und damit die wohl attraktivste pandemiebezogene Domain. Damals, als in der Schweiz noch kaum jemand über Corona sprach und die Bedrohung eine abstrakte schien, vernahm Markus Wäfler, «dass da was auf uns zurollen könnte».

 
 

Der Firmeninhaber berichtet von seinen «guten Geschäftskontakten nach Asien», die ihm vom neuartigen Coronavirus erzählten, von diesem heimtückischen Erreger. Und weil sein Unternehmen im Gesundheitsbereich tätig ist, schlug Wäfler zu. «Was dann kam», sagt er heute, «hätte ich mir nicht ausdenken können.»

Bald kamen die Kaufangebote

Aktuell vertreibt seine Firma über ihre Coronadomain unter anderem Schutzmasken und grosse Gebinde Desinfektionsmittel. Später könnten auch Antikörper-Schnelltests auf das Coronavirus dazukommen. Derzeit seien diese noch zu unzuverlässig, verweist Wäfler auf den Stand der Dinge. Medizinische Schnelltests sind eigentlich das Spezialgebiet seiner Firma. Solche für den Nachweis von Allergien oder Infektionen vertreibt sie ebenso wie einen HIV-Selbsttest. Bekannt geworden ist Wäfler einst mit seiner Idee, Schwangerschaftstests diskret und stets verfügbar über Selecta-Automaten zu verkaufen.

Dass der Luzerner Unternehmer «www.coronavirus.ch» besitzt, blieb nicht lange unbemerkt. Bald kamen erste Kaufangebote, sagt Wäfler:«Selbst das Bundesamt für Gesundheit meldete sich bei uns.» 

Trotz Eigenbedarf hätte er die Coronadomain gerne veräussert; «zu einem fairen Preis», wie er betont. Also bat er das Bundesamt nach eigenen Angaben, ihm ein Angebot zu unterbreiten. Darauf habe dieses dann allerdings verzichtet. Die Behörden müssen in ihrer Kampagne nun auf «www.bag-coronavirus.ch» zurückgreifen. Weil darin ein gesetzlich geschütztes Kennzeichen enthalten ist, kann ihnen immerhin diese Domain niemand streitig machen.

Schon lange vergeben ist übrigens «www.corona.ch». Die Adresse gehört einem Informatikunternehmen, das seit Jahren unter ebendiesem Namen firmiert. «Corona» wird viel mehr als das gefährliche Virus genannt. Darum findet sich die Bezeichnung nicht erst seit der Krise in Internetadressen. Eine Biermarke und ein Automodell tragen ebenfalls diesen Namen, dazu kommen ein Fussballklub oder verschiedene Gastrobetriebe. Kein Wunder: Seinen Glanz hat das schöne Wort erst mit der gegenwärtigen Krise verloren. Im Lateinischen beschreibt corona ringförmige Dinge wie eine Krone oder einen Kranz.

Wenn Domains missbraucht werden

Zu welchem Zwecken werden Domains mit einem Bezug zu Corona genutzt? Diese Frage umtreibt auch Swissmedic. Die Heilmittelbehörde bekommt vom Cyber-Sicherheitsdienst des Bundes regelmässig eine Liste mit entsprechenden Internetadressen und überprüft, ob diese gesetzeskonform genutzt werden. Nicht gestattet ist etwa der Direktvertrieb von Coronatests an Endverbraucher.

Beliebt ist bei Cyberkriminellen auch, Internetseiten aufzubauen, auf denen knappe Güter wie Desinfektionsmittel oder Schutzmasken zum Kauf angeboten werden – ohne dass dann die Ware je geliefert werden würde. Seit Mitte März betreibt die nationale Melde- und Analysestelle für Cyberkriminalität (Melani) ein Monitoring, um betrügerische Schweizer Internetdomains ausfindig zu machen. Man stehe in engem Kontakt mit Providern, um diese blockieren zu lassen, erklärte Melani jüngst gegenüber dieser Zeitung. (lfh/sva)