Markus Neumayr: «Das ist selbstzerstörerisch»

Momentan läuft die Debatte, ob die Saison in den Profiligen fortgesetzt werden soll oder nicht. Ihr Arbeitgeber, der FC Aarau, spricht sich gegen den Abbruch aus. Was ist Ihre Meinung?

Markus Neumayr: Ich bin froh, dass Aarau die Zeichen auf Weiterspielen stellt und alles dafür unternimmt, die Vorgaben des Behörden umzusetzen. Ich bin loyal gegenüber meinem Arbeitgeber: Wenn er will, dass wir spielen, mache ich das.

Eine Umfrage der Spielergewerkschaft SAFP hat ergeben, dass von 140 Spielern 64 Prozent für den Saisonabbruch sind, die Mehrheit der 20 Profiklubs aber ist für die Fortsetzung. Droht ein Konflikt zwischen Spielern und Klubs?

Das hoffe ich nicht und das wäre fatal. Wir sind am Punkt angelangt, wo es einzig und allein um das Überleben der Fussballklubs geht. Ein Abbruch der Saison wäre selbstzerstörerisch und die Interessen der Spieler sind jetzt zweitrangig. Wir Profis sind mitverantwortlich, das Überleben des Schweizer Fussballs zu sichern. Mit Spielern, die für den Saison-Abbruch sind, habe ich Mühe: Sie denken viel zu kurzfristig und schneiden sich letztlich ins eigene Fleisch. Wo wollen sie in Zukunft Geld verdienen, wenn es keine Klubs mehr gibt? Die allerwenigsten Profis in der Schweiz haben finanziell ausgesorgt oder werden im Ausland einen Job finden.

Apropos: Auch Ihr Vertrag läuft im Sommer aus. Haben Sie Zukunftsängste?

Bis jetzt nicht. Aber es ist nicht der Zeitpunkt, um einen neuen Vertrag zu bitten. Ich und alle anderen Spieler müssen erst einmal mithelfen, dass es in der Schweiz weiterhin 20 Klubs gibt, bei denen man seinen Lebensunterhalt verdienen kann.

Die Spieler, die für den Saisonabbruch sind, dürften gesundheitliche Bedenken haben. So sagen Mediziner Langzeitschäden für Hochleistungssportler voraus, die an Covid-19 erkranken, im schlimmsten Fall bedeuten diese das Karriereende.

Zurzeit gibt es jeden Tag eine neue Studie – was soll man da noch glauben? Langzeitschäden haben ja an sich, dass sie erst weit im Nachhinein erkennbar sind, wie will man das jetzt schon wissen? Von den Fussballern, die bisher mit dem Coronavirus infiziert waren, ist noch keiner gestorben, alle haben sich schnell erholt oder keine Symptome gezeigt. Und sowieso, ein gewisses Gesundheitsrisiko gehört dazu: Jeder Fussballer nimmt vor jedem Training und vor jedem Spiel in Kauf, sich im schlimmsten Fall so schwer zu verletzen, dass die Karriere vorbei ist.

Sie haben in den sozialen Medien Ihre Skepsis an der Schweizer Corona-Strategie geäussert. Warum?

Ich hinterfrage grundsätzlich viele Dinge. Die Schweiz hat einen sehr vorsichtigen Weg bei der Corona-Bekämpfung gewählt, ob das richtig oder übertrieben war, werden wir nie genau wissen. Jetzt aber, wo sich die Gefährlichkeit des Virus relativiert hat, zum Beispiel mit dem Vergleich der Sterblichkeitsrate im gleichen Zeitraum in früheren Jahren, sollten wir schnellstmöglich zum normalen Leben zurückfinden. Natürlich, wo nötig, mit Schutzmassnahmen. Grundsätzlich gehören Risiken ein Stück weit zum Leben dazu, zum Beispiel, wenn ich mich ins Auto oder ins Flugzeug setze. Eine Wirtschaftskrise haben wir deswegen aber noch nie in Kauf genommen, also sollten wir das auch nicht wegen Corona tun.

Schlechte Karten vor Gericht

Die Nachricht sorgt für Aufsehen: Gemäss einer Umfrage der Schweizer Profifussballer-Gewerkschaft SAFP bei 140 Spielern der Super und Challenge League sind 64 Prozent dafür, die wegen Corona pausierende Saison abzubrechen. Hingegen will die Mehrheit der 20 Profiklubs die Fortsetzung mit Geisterspielen. Vorausgesetzt, die ablehnenden Spieler vertreten ihre Meinung auch gegenüber ihrem Arbeitgeber, droht Krach, sollte die Saison fortgesetzt werden. Können die Spieler ihre Teilnahme am Trainings- und Spielbetrieb verweigern mit der Begründung, das Risiko einer Corona-Infektion sei ihnen zu hoch? «Grundsätzlich nicht», sagt Martin Kaiser, Anwalt und Experte für Arbeits- und Sportrecht: «Der Bundesrat hat dem Profisport die Arbeitserlaubnis ab dem 11. Mai erteilt, unter der Voraussetzung der vom BAG abgesegneten Schutzkonzepte. Wenn der Arbeitgeber, also der Fussballverein, diese Schutzmassnahmen vollumfänglich umsetzt, besteht Arbeitspflicht für die Spieler.»

Aber es bestehe wohl Raum für Ausnahmen, so Kaiser: «Die Schutzkonzepte aller Berufsbranchen wurden für Personen ausserhalb der Risikogruppe erstellt. Ein Spieler, der nicht trainieren und spielen will, muss nachweisen, dass das Risiko einer Ansteckung in seinem Fall höher zu gewichten ist als die Arbeitspflicht. Etwa weil er unter dem gleichen Dach wohnt wie eine Person der Risikogruppe. Oder er hatte oder hat ein medizinisches Leiden, das ihn zum Risikopatienten macht.» Heisst: Sollte ein Spieler, weil ihm nicht wohl in der Haut ist, die Wiederaufnahme von Training und Spiel verweigern, aber auf Lohnfortzahlung pochen, hätte er gemäss Kaiser vor Gericht eher schlechte Karten.

Wie geht der FC Aarau mit Spielern um, die nicht wieder einsteigen wollen? Sportchef Sandro Burki sagt dazu: «Bei einer Umfrage haben alle Spieler ihren Willen und ihre Bereitschaft geäussert, die Saison fortzusetzen. Sollte sich das ändern, sind wir gesprächsbereit. Wir verlassen uns auf die Einschätzung des BAG: Wenn der FCA ab dem 11. Mai Trainings ansetzt, gilt für die Spieler Arbeitspflicht».