Sportmythen: Was steckt eigentlich hinter den pauschalen Behauptungen?

Wer im Internet Antworten zum Thema Sportmythen sucht, findet die unterschiedlichsten Ausführungen. Was aber hat es mit den pauschalen Behauptungen auf sich? Diese Zeitung hat bei Duathletin und Sportwissenschaftlerin Melanie Maurer, die mit der diplomierten Physiotherapeutin Susanne Schlachter seit Januar die Praxis «Steadystate» in Zofingen betreibt, nachgefragt und sie mit zwölf bekannten Sportmythen konfrontiert.

1) Sport hilft beim Abnehmen
Grundsätzlich stimmt das, wobei es die Kombination von Ernährung – was und welche Menge – und Bewegung ausmacht. Beginnt man frisch mit Sport, kann man initial sogar an Gewicht in Form von Muskeln zulegen, bevor die Muskeln beginnen, mehr Energie zu verbrennen und man schliesslich abnimmt.

2) Die Fettverbrennung beginnt erst nach 30 Minuten
Der Fettstoffwechsel beginnt sofort, aber in sehr geringem Ausmass. Bei längeren Belastungen mit geringerer Intensität kommt vor allem der Fettstoffwechsel zum Tragen. Nach zirka 30 Minuten wird der Fettstoffwechsel jedoch dominanter.

3) Nach dem Sport verbrennt man weiterhin Fett
Das hängt von der Intensität und Dauer der Leistung ab. Nach einem Marathon kann dies bis zum nächsten Tag der Fall sein. Nach einer gewöhnlichen Joggingrunde oder dem Handballtraining ist das jedoch noch nicht der Fall.

4) Auf nüchternen Magen keine sportlichen Aktivitäten
Eine kürzere, lockere Einheit kann gut morgens auf nüchternen Magen gemacht werden, ausser man hat beispielsweise Kreislaufprobleme ohne ein Frühstück. Bei intensiveren oder längeren Belastungen sollte vorgängig etwas gegessen werden, damit der Körper auch die nötige Energie hat.

5) Vor dem Sport sollte man genug trinken, am besten isotonische Getränke
Genügend zu trinken ist immer wichtig. Die Referenzmenge ohne Sport beträgt eineinhalb bis zwei Liter Flüssigkeit pro Tag. Entscheidend ist das Füllen der Speicher – der sogenannte Elektrolytenhaushalt – nach dem Sport, um dem Körper die über den Schweiss ausgeschiedenen Salze und das Wasser wieder zuzuführen.

6) Kalte Luft schadet der Lunge und den Bronchien
Fühlt sich der Sport draussen noch als angenehm an und wird dieser nicht zu intensiv betrieben, besteht keine Gefahr. Die Einatmung kann helfen, die kalte Luft aufzuwärmen. Mit einer Vorerkrankung wie zum Beispiel Asthma sieht es ein wenig anders aus. Zudem ist unter einer Temperatur von minus zehn Grad die Luft zu kalt und kann durch den Körper nicht mehr genügend aufgewärmt werden, bis diese die Bronchien erreicht.

7) Seitenstechen entsteht durch falsche Atmung
Die Ursachen sind nicht restlos geklärt. Tatsache ist, dass durch eine bewusstere Atmung das Seitenstechen reduziert werden kann. Die Einatmung durch die Nase ist ebenso hilfreich wie sich einen gewissen Atem-Rhythmus anzueignen.

8) Joggen ist ungesund für die Gelenke
Nein, entscheidend sind die Technik, Bein- und Rumpfkraft. Als Einsteiger empfiehlt es sich, langsam den Umfang zu steigern und gleichzeitig Krafttraining zu machen für eine gute Basis. So kann Joggen Gelenke und Muskeln auch kräftigen.

9) Dehnen schützt vor Verletzungen
Nein. Der Effekt von Dehnungen ist ein viel diskutiertes Thema. Dehnen hilft, wenn es darum geht, beweglicher zu werden. Zur Verletzungsprophylaxe oder gar Leistungssteigerung verhilft es aber nicht, da bringt beispielsweise Krafttraining deutlich mehr Nutzen.

10) No pain, no gain: Erst wenn es schmerzt, wirkt das Training
Es kommt immer auf die Intensität und das Ziel an. So ist es nicht schlimm, wenn die Muskeln bei einen harten Training brennen. Man muss an die Grenzen gehen, um als Sportler leistungsfähiger zu werden. Gleichzeitig sollte ein lockeres Training schmerzfrei sein, weil dieses eher der Regeneration oder der Grundlagenausdauer dient. Bewegung von geringer Intensität hilft zudem bei Muskelkater. Magnesium kann als Mittel gegen Krämpfe helfen, wobei es sehr viele Ursachen für Krämpfe gibt. Entscheidend ist der Elektrolytenhaushalt sprich Salze.

11) Wer fit ist, schwitzt weniger stark als Untrainierte
Ja und nein. Ist der Fitnesszustand höher, kommt man bei einer geringeren Intensität noch nicht so stark ins Schwitzen, weil das Herz-Kreislaufsystem weniger gefordert ist. Bei einer höheren Intensität kommt es zu einem vermehrten Schweisstreiben, wobei sich die Zusammensetzung des Schweisses im Vergleich zu einer untrainierten Person verändert und weniger Salze verloren gehen.

12) Krankheiten kann man mit Sport ausschwitzen
Geht man trotz ein wenig Schnupfen locker Joggen, ist dies nicht problematisch. Hat man Fieber oder ist ernster krank, sollte dringendst auf Sport verzichtet werden, weil man ansonsten eine Ausbreitung des Infektes riskiert, was auf das Herz schlagen kann.

Melanie Maurer und Susanne Schlachter betonen, dass ein suboptimales Training in einem gewissen Rahmen in Ordnung sei. «Sind aber Schmerzen oder andere Probleme die Folge, muss man reagieren», sagt Maurer. Ausserdem gelte es zu unterscheiden, ob jemand zweimal pro Woche nur eine kurze Joggingrunde absolviert oder sich täglich «kaputt» trainiert. «Letzteres schadet dem Körper definitiv», so Maurer. Um einen positiven Effekt auf die persönliche Gesundheit zu erzielen, sollte die jeweilige Sportart zwei- bis dreimal pro Woche ausgeführt werden, optimalerweise ergänzt mit einer Kräftigungseinheit. «Generell wichtig ist», sagt Susanne Schlachter, «dass man auf den Körper hört und weiss, wo die eigenen Grenzen liegen.»

Zur Person


Melanie Maurer (31) ist in Wikon aufgewachsen und spielte bis 2011 Handball beim TV Zofingen. Danach wechselte die Sportwissenschaftlerin zum Ausdauersport. Maurer wurde 2017 Schweizer Duathlon-Meisterin und holte Silber über die EM-Mittel- und WM-Langdistanz. Seit Januar betreibt sie mit Partnerin Susanne Schlachter (32) in Zofingen die Praxis «Steadystate» und bietet Trainingspläne für Ausdauersportler an. Schlachter ist diplomierte Sport-Physiotherapeutin und betreut unter anderem Melanie Maurer und das Eishockey-Nationalteam der Frauen. Das Duo will aktive Menschen ansprechen oder Personen, die wieder aktiv werden möchten, wegen Unfall oder Krankheit aber nicht mehr dazu in der Lage sind.