Drei Länder, eine Krise, viele Wege: Wie Europas Brennpunkte langsam zurück zur Normalität finden

Spanien, Frankreich, Italien: Das waren die tragischen Brennpunkte der ersten Welle der Coronapandemie in Europa. Und so ähnlich das Schicksal den drei Nationen mitgespielt hat, so unterschiedlich starten sie in die erste Phase nach der Krise.

Spanien hat die Tür einen Spaltbreit aufgemacht: Nach sechs Wochen Ausgangssperre durften die spanischen Kinder am Sonntag erstmals in Begleitung eines Erwachsenen für eine Stunde vor die Tür. In der Regierung aber bleibt die Sorge gross, dass eine zu schnelle Lockerung die Zahl der Infektionen wieder ansteigen lassen könnte. «Wir müssen sehr vorsichtig sein», sagte Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez am Dienstag. Das Königreich habe bereits einen zu hohen Preis bezahlt, um die Erfolge bei der Epidemie-Bekämpfung in Gefahr zu bringen: Fast 24000 Menschen sind bereits gestorben.

Dank der drastischen Einschränkungen ist die Infektionskurve inzwischen aber deutlich abgeflacht. Vom 2. Mai an sollen der erwachsenen Bevölkerung deshalb wieder sportliche Aktivitäten an der frischen Luft erlaubt werden. Am 11. Mai dürfen kleine Geschäfte, Hotels, Kirchen und gastronomische Aussenterrassen öffnen. Zwei Wochen später könnten Restaurants, Kinos, Theater, Museen und Sehenswürdigkeiten aufmachen. Schulen und Unis sollen erst im September wieder öffnen. «Wir werden nicht auf einen Schlag alle Aktivitäten erlauben können», sagte Sánchez gestern. Manche Regionen könnten schneller voranschreiten als andere. Das gilt etwa für Mallorca, wo die Lage inzwischen spürbar besser ist. Strandferien für ausländische Touristen bleiben dieses Jahr aber wohl ein Wunschtraum. Bis auf weiteres darf in Spanien nur einreisen, wer im Land seinen ersten Wohnsitz hat.

In Frankreich greift das Misstrauen um sich

Auch in Frankreich, wo offiziell mehr als 23000 Menschen an Covid-19 gestorben sind, ist eine Entspannung an der Coronafront erkennbar. Premierminister Edouard Philippe machte gestern erstmals konkrete Angaben, wie er die nationale Ausgangsbeschränkung beenden will. Die Schulen öffnen gestaffelt ab dem 11. Mai. Mittelschüler müssen Schutzmasken tragen. Die Klassengrösse wird auf 15 Schüler begrenzt. Die Rückkehr in die Primarschulen ist allerdings freiwillig. Ein weiser Beschluss: Viele Eltern haben erklärt, sie würden den schulischen Wiederbeginn schlicht missachten, da die Gesundheit ihrer Schützlinge Priorität habe.

Bistros und Restaurants dürfen frühestens im Juni öffnen. Schutzmasken werden im öffentlichen Verkehr obligatorisch. Diese Ankündigung sorgt in Frankreich für sarkastische Kommentare. Noch im Vormonat hatte die Exekutive den Gesichtsmasken jeden Nutzen abgesprochen. Das schlägt sich in den Meinungsumfragen nieder: 64 Prozent der Franzosen glauben nicht, dass die Staatsführung die Krise in den Griff kriegen kann.

Italien zögert, der Schock sitzt zu tief

Fast alles beim Alten bleibt vorläufig in Italien, dem mit fast 27000 Toten traurigen Corona-Rekordhalter in Europa. Am Sonntagabend hat sich Regierungschef Giuseppe Conte an seine Mitbürger gewandt und betont, dass die vor sieben Wochen eingeführten massiven Einschränkungen weitgehend bestehen bleiben. Einzige Lockerung: Ab dem 4. Mai dürfen die Italiener ihre Verwandten wieder besuchen – aber nur mit Schutzmasken.

Etwas grosszügiger sind die Lockerungen für die Wirtschaft, die in Italien nach dem Lockdown am Boden liegt. Ab dem 4. Mai dürfen einige Unternehmen «von strategischer Bedeutung» – etwa die stahlverarbeitende und holzverarbeitende Industrie – ihre Fabriken wieder öffnen. Auch Baustellen und exportorientierte Betriebe dürfen wieder aufmachen. Andere Branchen, allen voran die Gastronomiebetriebe und die Hotellerie, müssen sich noch mindestens bis zum 18. Mai gedulden. Alle Schulen bleiben bis im September geschlossen.

Die extreme Vorsicht der Regierung ist auf das Trauma von Anfang März zurückzuführen: Italien war als erstes europäisches Land, das von der Coronakrise erfasst wurde. Der Schock angesichts der überfüllten Spitäler und der Militär-LKWs, die die Toten abtransportieren mussten, sitzt noch immer tief.