
Oppositionsführer in der Coronakrise: Die Blochers wenden sich jetzt gegen den Bundesrat
Die Politik des Bundesrats zur Eindämmung des Coronavirus geniesst bei allen Parteien Unterstützung. Offiziell auch bei der SVP, wenngleich diese den Bundesrat auffordert, die Schliessung weiter Teile der Wirtschaft so schnell wie möglich aufzuheben.
Selbst SVP-Doyen Christoph Blocher war bislang auf regierungsnahem Kurs. Nachdem der Bundesrat den Notstand ausgerufen hatte, sagte er klipp und klar: «Wir müssen uns hinter den Bundesrat stellen.»
«Zu spät reagiert», «gemogelt», «das Volk hintergangen»
Doch jetzt hat der ehemalige Justizminister eine Kehrtwende vollzogen. In der aktuellen Talk-Sendung mit Matthias Ackeret auf Teleblocher schiesst er aus vollen Rohren gegen den Bundesrat: Dieser habe in der Coronakrise «zu spät reagiert», «gemogelt» und «das Volk hintergangen». Sein Fernsehsender ist nicht der einzige Kanal, den Blocher nutzt, um seine Opposition zu starten: In der NZZ hat er einen Leserbrief publiziert mit der Hauptaussage: «Wer nur die Gesundheit schützt und die Wirtschaft zerstört, zerstört die Lebensgrundlage.»
Wem er diesen Vorwurf macht, wird auf Teleblocher klar: Dem Gesamtbundesrat, insbesondere aber Gesundheitsminister Alain Berset. Blocher diagnostiziert eine «Diktatur», aber «keine Führung». Er kritisiert, der Bundesrat habe kein Konzept, um aus dem Lockdown zu kommen: «Er hat nichts vorbereitet, keine Strategie. Die Firmen arbeiten mit Szenarien und Varianten, aber der Bundesrat hat nichts.»
Darauf, dass der Bundesrat just am kommenden Donnerstag bekannt geben wird, wie er die Massnahmen lockern möchte, geht Blocher nicht ein.
Die happigsten Vorwürfe macht Blocher dem Bundesrat aber in der Frage des Maskentragens. «Herr Berset hat gemogelt», poltert Blocher. Der Gesundheitsminister empfehle das Maskentragen der Bevölkerung einzig deswegen nicht, weil die Behörden zuwenig Masken hätten. Das sage er aber nicht so. «Berset will nicht zugeben, dass es zuwenig Masken gibt und er bei der Beschaffung versagt hat – also behauptet er jetzt die ganze Zeit, die Masken würden nichts nützen.» Obwohl klar sei, dass diese helfen würden. Für Blocher ist das nichts anderes als das Volk zu hintergehen. Er selber betont, er rede nur mit Mundschutz mit anderen Leuten. Er habe in der Dorfdrogerie eine 10er-Packung Masken gekauft: «Sie sind gar nicht so teuer.»
Martullo-Blocher promotet das chinesische Ausstiegs-Konzept
Magdalena Martullo-Blocher trug bereits am 3. März an der Session eine Maske im Parlament. Damals erntete sie dafür noch viel Hohn und Spott.
© Alessandro Della Valle / KEYSTONE
Was Schutzmasken betrifft, ist auch Blochers Tochter Magdelena Martullo mit fast missionarischem Eifer unterwegs. Den Auftakt machte die Bündner SVP-Nationalrätin in einem Interview mit der «Schweiz am Wochenende». Der Bund müsse, weil er bei der Beschaffung versagt habe, nun massenhaft Masken für die Bevölkerung einfliegen, sagte sie.
Martullo plädierte bei der Öffnung der Wirtschaft für den chinesischen Weg: «Wer dort arbeitet, muss eine Maske tragen. Das chinesische Ausstiegs-Programm übergab ich auch dem Schweizer Krisenstab und den Wirtschaftsverbänden.» In der heutigen «SonntagsZeitung »doppelt Martullo nach: Der Bundesrat sei auf dem Holzweg, sagt sie, und fordert, Geschäfte und auch Restaurants müssten viel schneller geöffnet werden.
Geht der Bundesrat in der Maskenfrage auf Blocher-Kurs?
Womöglich geht der Exit-Plan des Bundesrats bezüglich Masken aber genau in die Richtung, wie von den Blochers gefordert. In der aktuellen «Schweiz am Wochenende» sagt Gesundheitsminister Berset: «Ich schliesse nicht aus, dass wir mit der Lockerung in bestimmten Situationen eine Maske empfehlen.» Das Problem des Masken-Mangels sei bald behoben: «Der Bundesrat sorgt dafür, dass die finanziellen Mittel vorhanden sind, damit wir möglichst viele Masken kaufen können. Der Bund hat bereits etliche Millionen beschafft.»
Während Vater und Tochter den Bundesrat scharf kritisieren, geniesst dieser in der Bevölkerung zurzeit breite Unterstützung: Gemäss einer repräsentativen Umfrage des Link-Instituts geben nur gerade 11 Prozent an, die Notstandsmassnahmen seien übertrieben. 77 Prozent halten sie für angemessen.