Sind wir auf dem Weg zum totalitären Staat?

Kaum zu glauben, wie der deutsche Publizist Florian Coulmas in einem Gastbeitrag in der «NZZ» das Kabul der 1970er-Jahren schildert. Er schreibt von Nachtklubs, von jungen Frauen in T-Shirts, von Weinkellern in der Umgebung, die man besuchen konnte. Warum war das vor fünfzig Jahren möglich und heute nicht mehr? Wer ist dafür verantwortlich? Nur die barbarischen Taliban?

Auch in der Schweiz kommen Freiheiten mehr und mehr unter Druck. Nein, hier geht es nicht um das Thema Impfgegnerinnen und -gegner. Wobei auch diese sich wieder einmal des liberalen Fundaments unseres Staates erinnern sollten, welches es ihnen ja erst ermöglicht, zu protestieren. Liberalismus hat viele Facetten. Falsch ist jedoch die Aussage, der Liberalismus lehne den Staat ab. Dies tut nicht der Liberale, sondern der Anarchist.

Der Liberalismus steht zwar für möglichst wenig Staat und möglichst viele individuelle Freiheiten. Er benötigt den Staat jedoch als Garanten für Freiheit, Sicherheit und Eigentum. Verknappt skizziert lässt sich daraus ableiten, dass jeder Bürger tun und lassen kann, was er will – solange er mit seinem Tun nicht die Freiheiten und Rechte anderer Menschen beschneidet. Ein Beispiel ist der Nichtraucherschutz. Auch wenn Rauchen nicht sozial ist (gemeint sind die durch das Rauchen den Krankenkassen anfallenden Kosten) – der liberale Staat lässt Rauchen zu, schützt aber gesundheitsbewusste Bürgerinnen und Bürger vor dem blauen Qualm.

Laut einer repräsentativen Umfrage ernährten sich im Juni 2020 in der Schweiz rund 6 Prozent der Bevölkerung vegetarisch, 2,6 Prozent der Leute vegan. Vegan bedeutet, auch auf Milchprodukte und Eier zu verzichten. Als Nachfahre der steinzeitlichen Jäger und Sammler kann ich mir persönlich ein Leben ohne Fleisch und Fisch nicht vorstellen und habe auch Angst vor einer Unterversorgung mit Eisen, Zink, Eiweiss, Jod und dem Vitamin B12.

Gegen Vegetarier habe ich absolut nichts. Aber einige Vegetarier haben offenbar etwas gegen Leute, die eine Wurst, Kutteln oder ein feines Schnitzel mögen. Sie kämpfen mit den Argumenten des Klimaschutzes und des Tierwohls gegen den Fleischkonsum – gegen die Verfügbarkeit von Fleisch in Kantinen und Restaurants. Wie es scheint mit Erfolg.

Ab heute Montag ist die Mensa, ja der gesamte Campus der Universität Luzern fleischlos – es stehen nur noch vegane und vegetarische Speisen zur Verfügung. Wo bleibt da die individuelle Freiheit? Es gehe nicht «um eine Erziehungsmassnahme», sagte letzte Woche der Mediensprecher der Uni. «Das neue Mensa-Konzept ist Teil des Bestrebens, den Uni-Betrieb nachhaltiger zu gestalten.» Wird der Essenstisch zu einem weiteren Altar der Klimaaktivisten?

Was hier geschieht, ist eine «Ausschliessung» und «Diskriminierung» bestimmter Personen wegen ihren Essgewohnheiten. Hätte man den in der statistischen Summe rund neun Prozent fleischlos lebenden Mensa-Gästen keine Vegi-Menüs mehr angeboten – wäre das von denen einfach so «geschluckt» worden? Vielleicht protestieren die Diskriminierten «ökonomisch» – bleiben der Mensa fern und drücken diese tief in die roten Zahlen.