Silvan Bärtschi: «Ich wünsche mir manchmal mehr konstruktive Kritik»

Herr Bärtschi, Sie mussten mitten im Lockdown den Job als neuer Gemeindeammann antreten. War das besonders schwierig – oder erleichterte es die Sache eher, weil es kaum Termine gab?

Silvan Bärtschi: Gerade am Anfang war es natürlich schon speziell, es wurde alles abgesagt – auch die regionalen Treffen. Aber wir haben unsere Gemeinderatssitzungen – Gott sei Dank – immer physisch durchführen können. Ich würde nicht sagen, dass Corona meine Tätigkeit als Gemeindeammann komplett auf den Kopf gestellt hat. Gewisse Dinge haben wehgetan. Die Bundesfeier haben wir dieses Jahr zum zweiten Mal absagen müssen. Und ich hätte gerne meiner Nachbarin diesen April zum 99. Geburtstag gratuliert – was leider auch nicht möglich war. Es fehlte der Kontakt zur Bevölkerung, das merkte man schon.

Nach rund 16 Monaten als Gemeindeammann: Was ist für Sie das Beste am Job? Und was eher schwierig?

Ich bin für alle Mitarbeiter, Organe der Gemeinde wie auch für die Bevölkerung eine zentrale Ansprechperson. Das ist natürlich eine sehr schöne Aufgabe. Eine grosse Herausforderung ist, neben diesem Amt ein 100-Prozent-Arbeitspensum zu bewältigen.

Sie sind selbstständig und führen ein Bauleitungsbüro.

Ich habe eine gewisse Freiheit, mir die Arbeit selbst einzuteilen, ich kann auch mal tagsüber für die Gemeinde da sein und am Abend die Arbeit nachholen. Solche Freiheiten sind wichtig, um das Amt des Gemeindeammanns überhaupt ausüben zu können.

Gab es etwas, was Sie überrascht hat im neuen Amt?

Ja, es ist sicher so, dass die Figur des Gemeindeammanns sehr zentral ist. Wenn irgendwo Konfliktherde sind, dann kommen diese immer bis zu mir.

Der gesamte Gemeinderat von Bottenwil geht bei den Wahlen erneut an den Start. Ein Signal von Kontinuität?

Ja, es freut uns sehr, dass alle fünf Gemeinderäte wieder zur Wahl antreten. In der aktuellen Legislatur hatten wir zwei vorzeitige Rücktritte, und das merkt man. Wir haben jedes Mal wieder gute Leute gewinnen können. Aber es braucht wieder Zeit, bis der neue Rat eingearbeitet ist und man sich als Gremium auf die strategische Arbeit konzentrieren kann. Kontinuität ist wichtig für die Gemeinde. Wir hatten Ressorts, die in den letzten drei Jahren drei verschiedene Ressort-Vorsteher gesehen haben. Das ist nicht gut für die jeweiligen Abteilungsleiter.

Was sind in der neuen Legislatur die grossen Mocken – also die wichtigen Ziele und Herausforderungen?

Die grossen Herausforderungen sind die stetigen Herausforderungen. Wir werden uns immer bemühen müssen, das Haushaltsgleichgewicht zu erreichen. Das bedeutet auch, dass Strukturen laufend überprüft werden müssen. Das wird auch bedeuten, dass wir in der nächsten Legislatur regionale Zusammenarbeiten vermehrt prüfen werden – in verschiedenen Bereichen.

Wo konkret prüfen Sie regionale Zusammenarbeit?

Im Bereich der Schule wie auch im Bereich der Verwaltung möchten wir in den kommenden Jahren weitergehende regionale Zusammenarbeiten prüfen.

Wohin will der Gemeinderat die Gemeinde in baulicher Hinsicht steuern?

Für den Gemeinderat wäre es wünschenswert, dass es in Bottenwil ein Angebot für möglichst jede und jeden in jeder Lebenssituation gibt. Es ist schade, wenn Leute im Alter von 65 Jahren aus Bottenwil wegziehen müssen, nur weil sie sich nicht mehr um ihre Umgebung kümmern können und es in der Gemeinde keine passende Wohnung gibt. Da wünschen wir uns eine Verbesserung. Die Möglichkeiten in diesem Bereich sind aber begrenzt; wir haben nur noch eine Mehrfamilienhaus-Parzelle, ansonsten besitzt die Gemeinde kein Bauland mehr. Wir sehen uns in diesem Bereich primär in einer koordinierenden und vermittelnden Rolle zwischen den privaten Grundeigentümern, die noch ein beschränktes Mass an Bauland haben. Klar ist, dass wir mit diesen Baulandreserven kein grosses Wachstum erzielen können – was auch nicht das Ziel ist.

Welche Herausforderungen stehen im Hochwasserschutz an? Hat das Hochwasser vom Sommer nochmals etwas in der Einschätzung geändert?

Der Gemeinderat ist nach dem Unwetter im 2017 zur Erkenntnis gekommen, dass es keine verhältnismässigen Massnahmen gibt, um das Dorf flächendeckend zu schützen. Wir haben uns damals entschieden, nur geringe Massnahmen zu ergreifen. Diesen Summer haben wir in erster Linie Bachböschungen gehabt, die es abgeschwemmt hat. Wir prüfen nun, ob man dies hätte verhindern können, wenn man den Bach besser unterhalten hätte. Wir sind mit den zuständigen kantonalen Stellen in Kontakt. Aber mehr ist nicht vorgesehen.

2023 feiert die Badi ihr 50-Jahr-Jubiläum. Was ist die Bedeutung und der Stellenwert der Badi für die Gemeinde und deren Umgebung?

Es ist eine sehr beliebte Badi, und sie bringt sehr viel Lebensqualität ins Tal. Das Uerkental wird oftmals unterschätzt. Es ist ein sehr schönes Tal – ruhig, beschaulich und trotzdem nahe zu den Zentren. Für uns ist die Badi eine tolle Werbung, vor allem um Leute aus der Region ins Uerkental zu locken und damit man uns auch ein bisschen wahrnimmt.

Es soll in zwei Jahren ein richtig grosses Fest geben. Weiss man da schon etwas mehr dazu?

Wir hoffen, dass es ein grosses Fest gibt. Der Badiverein lässt sich da noch nicht allzu detailliert in die Karten blicken. Aber wir hoffen selbstverständlich, dass wir das 50-jährige Bestehen der Badi feiern können.

Was wünschen Sie sich von den Bottenwilerinnen und Bottenwilern? Und was für Bottenwil?

Ich wünsche mir manchmal mehr Kritik. Konstruktive Kritik. Denn das bedeutet, dass die Leute mitdenken, sich für das Dorf interessieren und bereit sind, die Gemeinde mitzutragen. Konstruktive Kritik ist bei uns sehr willkommen, denn sie gehört zu einer Gemeinde wie Bottenwil.

Kann man diese Betonung auf konstruktiv so verstehen: Wenn Kritik kommt, ist sie nicht sehr konstruktiv, oder es kommt nichts?

Es geht schon in diese Richtung. An unseren Gemeindeversammlungen gab es fast keine Fragen oder Wortmeldungen. Das zeugt davon, dass die Leute uns vertrauen, was ja sehr schön ist. Auf der anderen Seite wünschen wir uns, dass sich die Leute ein wenig mehr interessieren für die Sache – und auch Fragen stellen. Denn diese sind an einer Gemeindeversammlung willkommen. Und natürlich gibt es auch die berüchtigte herablassende Kritik. Das kommt nicht so oft vor, aber es kommt vor und dient der Gemeinde Bottenwil nicht.

Wo erleben Sie diese? Direkt oder in den sozialen Medien?

Sie ist oftmals relativ direkt und kommt von Leuten, die enttäuscht sind oder verärgert über einen Entscheid der Gemeinde. Sie melden sich oft telefonisch oder mündlich direkt bei den zuständigen Leuten. Wir haben da leider auch schon unsere Erfahrungen gemacht; das ist natürlich – gerade für die Gemeinderäte – nicht sonderlich lustig. Bis zu einem gewissen Mass muss man als Gemeinderat aber damit leben können, dass nicht alle zufrieden sind. Und auch mal ein böses Wort vertragen können.

Haben Sie ein dickes Fell?

Zu 95 Prozent: Ja. Aber es gibt natürlich auch bei mir die restlichen fünf Prozent; das falsche Thema im falschen Moment. Ich glaube, wir alle haben manchmal eine dünne Haut.

Zur Person

Seit dem 1. April 2020 ist Silvan Bärtschi (Jahrgang 1983) Gemeindeammann von Bottenwil. Der 38-Jährige ist seit 2014 im Gemeinderat und gehört keiner Partei an. Bei den Gesamterneuerungswahlen vom 26. September im Herbst tritt er wieder an. Bärtschi ist in Bottenwil aufgewachsen und hat dort die Schule besucht; heute lebt er mit seiner Frau, einem Sohn und einer Tochter in der 822-Seelen-Gemeinde (Stand Ende 2020). Im August 2020 hat er sich selbstständig gemacht – er führt ein Bauleitungsbüro in Bottenwil. Die Schutzmaske mit dem Gemeindewappen (Bild) hat seine Mutter angefertigt.

Ein junger Gemeindeammann für Bottenwil: Der parteilose Silvan Bärtschi steht seit April 2020 an der Spitze der Gemeinde. Bild: pp
Ein junger Gemeindeammann für Bottenwil: Der parteilose Silvan Bärtschi steht seit April 2020 an der Spitze der Gemeinde. Bild: pp