Patrick Rahmen und das Treffen mit Ottmar Hitzfeld

Nach 13 Runden auf Tabellenrang fünf – steht der FC Aarau dort, wo er hingehört?

Patrick Rahmen: Nein, wir haben Luft nach oben. Aber dass es nicht so weiterging wie im Frühling, damit musste man rechnen, der Substanzverlust mit den Abgängen von fünf Stammspielern und dem langen Ausfall von Olivier Jäckle waren gross. Die Challenge League ist zudem noch stärker und ausgeglichener geworden. Das sieht man auch daran, dass erstmals seit drei Jahren wieder zwei Challenge-League-Teams im Cupviertelfinal stehen.

Trotzdem: Die Leistungsunterschiede sind frappant. Zum Beispiel folgte im August auf den starken Auftritt gegen GC eine Woche später der Totalausfall in Chiasso.

Das war ganz einfach schlecht von uns, das hat die Mannschaft eingesehen und die Schuld nur bei sich gesucht. Solche Ausreisser hat jedes Team in jeder Saison, wichtig ist, dass sie nicht zu oft vorkommen.

Sind Sie enttäuscht über den bisherigen Saisonverlauf?

Enttäuscht wäre ich, wenn nicht alle Spieler mitziehen würden und den Willen mitbringen, es besser zu machen. Klar, wir haben etwa sechs Punkte zu wenig. Wobei es dafür neben unseren eigenen Unzulänglichkeiten weitere Gründe gibt: Es ist Fakt, dass uns in den ersten 13 Spielen fünf reguläre Tore und zwei Penaltys verweigert wurden. Stellen wir uns mal vor, das wäre dem FC Basel oder YB passiert, der Aufschrei wäre riesig.

Nach dem fälschlicherweise aberkannten Tor im Heimspiel gegen Stade Lausanne-Ouchy (1:1) haben Sie die Frage in den Raum gestellt, ob sich die Schiedsrichter gegen den FC Aarau verschworen haben. 
Glauben Sie das wirklich?

Das war damals eine Aussage in den Emotionen direkt nach Schlusspfiff. Ich möchte niemandem Absicht unterstellen, aber in 13 Spielen fünf zu Unrecht aberkannte Tore und zwei nicht gegebene Penaltys sind einfach zu viel – Punkt. Das spürt jede Mannschaft in der Tabelle. Das aber darf keine Ausrede sein, schliesslich gehören Schiedsrichter-Entscheidungen nicht zu den Dingen, die wir selber beeinflussen können.

Der FC Aarau stellt im Durchschnitt die älteste Startelf der Liga. Mit Rrudhani, Alounga, Spadanuda und Balaj stehen jedoch vier Offensivspieler im Kader, die man als Ausbildungsklub doch fördern, sprich mehr spielen lassen muss.

Den Vorwurf lasse ich nicht gelten: Wir haben mit Nicholas Ammeter einen 18-jährigen Goalie und uns im Sommer dazu entschieden, statt einen neuen Innenverteidiger zu holen, den immer noch jungen Giuseppe Leo und Marco Thaler mehr Vertrauen zu schenken. Rru-dhani und Balaj haben erst nach dem Saisonstart die Spielbewilligung erhalten, Balaj war seither verletzt. Spadanuda verpasste die komplette Vorbereitung verletzt und Alounga ist ein grosses Versprechen, ihn wollen wir aber Schritt für Schritt heranführen.

Der drittplatzierte FC Wil hat nicht einmal die Hälfte des FCA-Budgets, wechselte im Sommer 20 Spieler aus und stellt regelmässig die jüngste Mannschaft der Liga. Wird in Wil besser gearbeitet als in Aarau?

Sie machen das derzeit wirklich gut in Wil, doch die Saison ist noch lang. 

Der FC Aarau hat sieben Punkte mehr als zum gleichen Zeitpunkt der vergangenen Saison. Die Voraussetzungen sind also besser für eine ähnliche Aufholjagd wie damals.

Es wäre falsch, einfach nur darauf zu hoffen. Aber die Entwicklung in den vergangenen Wochen stimmt mich zuversichtlich, dass unsere Leistungen stabiler werden.

Die Klubführung versteckt sich – verständlicherweise – seit Jahren bei Fragen nach der Zukunftsstrategie hinter der ungelösten Stadionproblematik. Wünschen Sie sich vom zukünftigen Präsidenten Philipp Bonorand nach der Stadion-Abstimmung 
am 24. November Klartext, wie es danach weitergeht? 

Wir werden nach der Abstimmung die entsprechenden Gespräche führen.

Apropos hohe Ziele: Wie sehr nagt der turbulente Sommer noch an Ihnen? Zur Erinnerung: Erst der vergeigte Super-League-Aufstieg mit dem FC Aarau, zwei Wochen später erhielten Sie zum zweiten Mal nach 2017 im letzten Moment eine Absage von Ihrem Heimatklub FC Basel.

Den 2. Juni 2019 werden alle Beteiligten, ob auf dem Platz oder auf den Zuschauerrängen, ihr Leben lang nicht vergessen. Für mein Befinden habe ich beide Enttäuschungen schnell aufarbeiten und akzeptieren können.

Der Makel, einen 4:0-Vorsprung verspielt zu haben, wird Sie wie eine lästige Fliege bis ans Ende Ihrer Trainerkarriere begleiten, damals hat – böse gesagt – die ganze Welt über Sie und den FC Aarau gelacht. Wie gehen Sie damit um? 

Ich habe mich in den Tagen danach mit Ottmar Hitzfeld getroffen. Er hat mir erzählt, wie er 1999 mit der Last-Minute-Niederlage im Champions-League-Final mit Bayern gegen Manchester United umgegangen ist. Solche Erlebnisse gehören zu jeder Sportler- und Trainerkarriere dazu, entscheidend ist, die Enttäuschung so schnell wie möglich in positive Energie umzuwandeln.

Hitzfeld hat 2001, also zwei Jahre später, die Champions League mit Bayern doch noch gewonnen. Arbeiten Sie auch daraufhin, die Scharte vom 
2. Juni 2019 wettzumachen?

Neben dem Fakt, dass ich beim FC Aarau ein tolles Arbeitsumfeld habe, war dies sicher einer der Gründe, dass ich nach dem geplatzten Wechsel zu Basel keinerlei Motivationsprobleme hatte, wieder ins Brügglifeld zu kommen. Mein Weg ist noch nicht zu Ende hier und mitzumachen beim Ziel, den FC Aarau wieder dahin zu führen, wo er hingehört, ist sehr reizvoll.

Würden Sie rückblickend etwas anders machen zwischen dem 4:0-Hinspielsieg in Neuenburg und dem Rückspiel in Aarau – etwa bei der Startaufstellung, die Sie ohne Not auf zwei Positionen verändert haben?

Ich habe nie behauptet, alles richtig zu machen. Nach so einem Ergebnis muss man sich Fragen stellen. Wir haben das intern aufgearbeitet. Wer ein 0:4 aus der Hand gibt, hat Fehler gemacht. Aber man muss auch das Gesamtbild sehen: Nach Rang 5 und Rang 6 in den Vorjahren hat der FC Aarau in der Saison 2018/19 trotz dem verpassten Aufstieg Grosses geleistet und 
in der ganzen Region eine riesige Euphorie aufkommen lassen.