
Der «Läset» in Zofingen hat begonnen – warmer Sommer verspricht gute Traubenernte.

Im Riedtal, da, wo Zofingen beginnt, findet momentan die Traubenernte statt. Ganz zuhinterst, die Strasse geht dort nicht mehr weiter, haben Martin Wullschleger und seine Frau Cornelia Jacquemai auf 90 Aren drei verschiedene Rebensorten angepflanzt: die weisse Sorte Johanniter sowie die roten Sorten Cabernet-Jura und Cal 1-28. Erst wenige Weinbauern setzen auf diese Neuzüchtungen. «Der warme Sommer mit wenig Regen hat gesunde Trauben wachsen lassen», erklärt Martin Wullschleger. Die weniger schönen Trauben sind schon früher ausgedünnt worden. So muss nicht erst mühselig erlesen werden. Kurz nach 15 Uhr füllen die Leser die letzten Cabernet-Jura-Trauben in die orangen Kisten zu ihren Füssen. Helfer Fritz Wittwer kippt die Kisten anschliessend in die Stande. 1039 Kilogramm wird Martin Wullschleger am Abend im Weingut Fürst in Hornussen abliefern. Dort wird der Wein aus dem Riedtal gekeltert. Aus dem Cabernet-Jura gibt es zu einem Drittel Rotwein und zu zwei Dritteln Rosé.
Rebberg und Pflegepferde ergänzen sich
«Wir betreiben unser Weingut nicht als Hobby, es ist eines unserer Standbeine», sagt Martin Wullschleger, als er zum Hof zurückkehrt. Das andere Standbein sind die Pensionspferde, die im Aktivstall Zofingen untergebracht sind. Die Pferde bewegen sich dabei frei in der Herde. «Wir haben uns bei der Übernahme des Hofes im Jahr 2017 überlegt, was unsere Kernkompetenzen sind», ergänzt Cornelia Jacquemai. Kuhhaltung und Getreideanbau seien nicht infrage gekommen. Schon lange träumte Martin Wullschleger jedoch von einem eigenen Weingut – und sah nun seine Chance kommen. Während der Lehre hatte er ein Jahr bei einem Weinbauern im Kanton Waadt verbracht und dort die Liebe zum Rebberg kennengelernt. So haben Martin Wullschleger und Cornelia Jacquemai vor drei Jahren die ersten Reben angepflanzt, im letzten Herbst reiften die ersten Trauben. Rund 30 Kilogramm Cabernet-Jura-Trauben konnten sie ernten. «Im Moment wollen wir unsere jungen Reben nicht überfordern. Sie sollen ihre Kraft fürs Wachstum nutzen», erklärt Martin Wullschleger. Im nächsten Jahr rechnet er, wenn alles rund läuft, mit 1750 Kilogramm von dieser Traubensorte, die eine Weiterzüchtung des Cabernet Sauvignon ist, der Traube, die weltweit am meisten angebaut wird. Ungefähr 1700 75-cl-Flaschen werden vom Zofinger Weingut dereinst in einem guten Jahr erhältlich sein – dazu kommen nochmals etwa gleich viel Johanniter und Cal 1-28.
Mit Schachtelhalmextrakten gegen Pilzbefall
Dieses Jahr sei vom Wetter her perfekt gewesen, sagt Martin Wullschleger. Nur drei Mal musste er seine Reben spritzen. Neuzüchtungen wie der Cabernet-Jura bringen diverse Grundresistenzen beispielsweise gegen Pilzbefall mit, die andere, althergebrachte Sorten nicht haben. «Mit saurer Tonerde, Kalk oder Schachtelhalmextrakten konnten wir den Rebberg frei von Pilzbefall halten», sagt Martin Wullschleger. Sein Betrieb erfüllt die wesentlichen Anforderungen des biologischen Landbaus, ist aber nicht biozertifiziert.
Tierische Besucher haben Trauben stibitzt
Trotz gutem Jahr – vor tierischem Besuch ist auch der Zofinger Rebberg nicht verschont geblieben. Die gefürchtete Weinessigfliege hat weniger Schäden angerichtet als befürchtet, dafür haben Vögel, Rehe, Füchse, Wespen und auch Dachse Trauben aus dem Rebberg stibitzt. Jetzt müssen die tierischen Diebe auf die anderen beiden Rebberge ausweichen. Der rote Cal 1-28 und der weisse Johanniter werden erst Mitte Oktober gelesen. Das Fest für die zehn Lese-Helfer ist trotzdem schon am ersten Erntetag gestiegen. Während Martin Wullschleger mit Auto und Anhänger die Trauben ins Fricktal fährt, verpflegt Cornelia Jacquemai die Leser mit Fleisch vom Grill, Salat und hausgemachten Desserts. Einen Lohn fürs Traubenlesen erhalten die Helfer nicht – dafür aber eine Flasche Wein. Normalerweise aus dem eigenen Rebberg. Da es bei den Riedtaler Weinbauern noch keinen eigenen Wein gibt, bekommen die Helfer eine Flasche gleicher Sorte von einem anderen Aargauer Weinbauern. Sozusagen zum Gluschtigmachen auf das, was noch kommen wird.