
Ein Thema, das uns bestürzen muss
Wie die meisten Menschen in unserem Land reagiert der Zofinger SP-Nationalrat Cédric Wermuth bestürzt auf die Ereignisse in Afghanistan. «Es ist einfach beschämend», sagte der SP-Schweiz-Co-Präsident letzte Woche. Vor 20 Jahren sei der Westen mit Pauken und Trompeten einmarschiert. Nun überlasse man ein ganzes Volk seinem Schicksal. Wermuths Forderung an den Bundesrat ist, dass sich dieser «sofort» dafür einsetzt, Opfer des islamistischen Terrors in die Schweiz «holen zu können». In einem ersten Schritt sollen Afghanen, welche bereits Verwandte in unserem Land haben, Asyl erhalten. Und auch eine Zahl nennt Wermuth: «Wir müssen 10 000 Flüchtlinge aufnehmen.» Weshalb 10 000?
Eine andere Frage ist, was sind das für Verwandte? Eine kleine Minderheit – das sei hier ausdrücklich betont – von in Europa lebenden Männern aus Afghanistan haben ein Frauenbild, das absolut nicht akzeptiert werden kann. Deren Umgang mit Frauen? Nach unserem Rechtsempfinden Vergewaltigung. Potenzielle Afghanistan-Flüchtlinge sind nicht nur Frauen und Familien, sondern auch einzelne, nur schwer integrierbare junge Männer.
Die andere Problematik: Eine eigentliche Fluchtwelle aus Afghanistan hat (noch) nicht stattgefunden – und dürfte auch ausbleiben. Die Taliban werden mit Waffengewalt dafür sorgen, dass sich Musliminnen und Muslime dem neuen Kalifat und dessen Scharia unterwerfen – sich nicht in den Westen absetzen können. Wichtigstes Druckmittel totalitärer Systeme sind dabei Geiseln. Was tun die Taliban den in Afghanistan verbliebenen Angehörigen der in die Schweiz geholten Musliminnen und Muslime an?
Die Bilder aus Kabul erinnern an die letzten Tage von Saigon. Wermuth trifft es mit seiner Aussage, «es war absehbar, dass es nach dem Abzug der Amerikaner so kommen musste», den Nagel leider auf den Kopf. Weshalb wurde ausgerechnet dieses unwirtliche, unbeherrschbare Land für den Westen so interessant? Im Zeitraffer erzählt: In Afghanistan kollidierten russische und britische Kolonialinteressen. Russlands Ziel war ein (eisfreier) Hafen am Indischen Ozean. Um Russland zuvorzukommen, wollten die Briten Afghanistan erobern. Zwischen 1839 und 1842 zog eine grosse anglo-indische Armee nach Afghanistan. Die konnte zwar das Land besetzen, jedoch nicht ihre Ziele durchsetzen. Als sich die Truppen zurückzogen, wurden die Soldaten – darunter 690 britische und 2840 indische, aber auch 12 000 Zivilisten – getötet. Wie den Briten erging es später den Sowjets.
Zurück in die Neuzeit: Den Abzug der westlichen Truppen Ende Juni begleitete bereits der Vormarsch der Taliban. Die hatten schon Jahre zuvor eine neue Schattenherrschaft aufgebaut. Im Mai beherrschten sie bereits einen grösseren Teil Afghanistans. Ab Juli fiel Provinzstadt um Provinzstadt. Widerstand der Regierungstruppen? Nicht sichtbar. Dieses Szenario prognostizierte Journalistenlegende Peter Scholl-Latour bereits vor 20 Jahren, indem er schrieb: «Die Regierung: ist vom Westen finanziert – kaum im Volk anerkannt. Die Armee desertiert, sobald der Sold ausbleibt.»