«Mord in der Marienburg!» –Was ist da los?

Die Marienburg in Wikon von oben (Bild: Andi Leemann)
Die Marienburg in Wikon von oben (Bild: Andi Leemann)
Im Fernsehraum des früheren Töchter-Instituts sind Absolventinnen auf diesem Wandbild verewigt. (Bilder: Marc Benedetti)
Im Fernsehraum des früheren Töchter-Instituts sind Absolventinnen auf diesem Wandbild verewigt. (Bilder: Marc Benedetti)

Im ehrwürdigen Kloster Marienburg auf dem Schlosshügel Wikon kehrt nach dem Auszug der Schwestern wieder Leben ein. Zumindest für einen Abend. Das Haus verwandelt sich am 12. Oktober für ein «mörderisches Theaterstück» in eine Nervenheilanstalt der 50er Jahre. Begleitet wird das turbulente Geschehen von einem Viergangmenü der Hobbyköche Strengelbach.

Organisator des Anlasses ist der Oftringer Hermann Wilhelmstätter (65). Er ist kein Unbekannter in der Region. Der gelernte Küchenchef führte einen eigenen Comestibles-Laden am Thutplatz in Zofingen und war später Marktleiter des Top CC in Rothrist. Wilhelmstätter und seine Frau entdeckten im österreichischen Feldkirch das «Tödliche Dinner», hinter dem der gleichnamige Theaterverein steht. «In Vorarlberg geniesst die Truppe einen hervorragenden Ruf und hat eine grosse Fangemeinde», erklärt er. «Wir waren bereits öfter zu Gast und sind begeistert.» Darum wollte er das Ensemble unbedingt einmal in die Schweiz holen. – Die Veranstaltung ist nicht zu verwechseln mit dem ähnlich tönenden «Krimidinner», das in Luzern und anderen Orten populär ist.

Wilhelmstätter suchte einen ausgefallenen Ort in der Region

Das «Tödliche Dinner» existiert seit 14 Jahren und fand stets an speziellen Orten in Vorarlberg statt, in einer Burg, einer leerstehenden Lungenklinik zum Beispiel. Wilhelmstätter begann, einen ausgefallenen Ort in unserer Region zu suchen. Die Location sollte eine grosse Küche haben und zu den 50er-Jahren passen, in denen das Stück spielt. «Eines Tages spazierte ich mit meiner Frau zur Marienburg. Da wusste ich: Genau das ist es!», sagt er. Er knüpfte Kontakt mit dem Verein, der das Kloster verwaltet, und erhielt schliesslich die Zusage. Ein Plus war vielleicht seine Herkunft: Wilhelmstätter hat selbst österreichische Wurzeln, besuchte das katholische Gymnasium in Feldkirch und ein Internat in Graubünden. «Die Marienburg weckt bei mir Erinnerungen an meine Kindheit. Durchaus positive.»

Am turbulenten Theaterabend verwandelt der Feldkircher Theaterverein das Kloster in eine psychiatrische Klinik. Alle Gäste werden als Patienten aufgenommen und erhalten gleich beim Empfang ihre Diagnose. Doch im Laufe des Abends nimmt das Schicksal seinen Lauf: Ein dreister Mord passiert! Das Publikum ist angehalten, den Täter zu überführen. «Zur Epoche passende Outfits der Gäste sind natürlich erwünscht. Sie können sich aktiv am Geschehen beteiligen oder das Spektakel ganz einfach als Zuschauer verfolgen», sagt der Organisator. Auf jeden Fall werde «viel gelacht, geschlemmt und gerätselt».

Kein Ort könnte geeigneter sein für das schaurig-schöne Szenario. Das Gebäudeensemble auf dem Schlosshügel über Wikon steht seit dem Frühjahr leer. Der Hauswart schaut einmal in der Woche zum Rechten. Ansonsten herrscht gähnende Leere in dem aus mehreren Häusern bestehenden Gebäudekomplex, der durch ein Labyrinth von Gängen verbunden ist.

Man bräuchte Stunden, um alle Räume abzulaufen

Es gibt eine Turnhalle, Speise- und Aufenthaltsräume, Schülerinnen-Zimmer des Instituts und das eigentliche Kloster. Wo früher Schwestern lebten und arbeiteten oder Schülerinnen lernten und kicherten, herrscht nun Stille. «Man braucht rund fünf Stunden, um alle Räume zu besuchen», sagt Hauswart Toni Vogel gegenüber unserer Zeitung. Beeindruckend, aber wie die Räume des Klosters normalerweise nicht zugänglich, ist der Schlossturm aus dem Mittelalter. Die Sicherheit ist nicht gewährleistet. Eine sehr enge, stark abgelaufene Wendeltreppe aus dem 12. Jahrhundert führt steil hinauf zu einer Plattform, von der man eine tolle Aussicht auf die Dächer und Felder Wikons geniesst. Zuoberst im Turm befindet sich eine Glocke, die drei Mal am Tag läutet.

In dieser Küche könnte man für eine Kompanie kochen

Die Inneneinrichtung des Gebäudekomplexes passt gut zu den «Fifties». Beeindruckend ist die grosse Küche des Instituts, wo die Strengelbacher Köche wirken werden. Vieles ist noch genau so wie in der Klosterzeit – auch die Lautsprecheranlage. Weil das Gebäude so weitläufig war, gab es Lautsprecher, durch welche man die Schwestern ausrufen konnte. Das Theater wird für das Stück «Die Anstalt» nur wenige Räume der Marienburg nutzen. Aber das Gebäude habe Potenzial für weitere Stücke, findet der Organisator. Der Vorverkauf für das «Tödliche Dinner» hat begonnen. Rund 50 Buchungen wurden bisher getätigt. «Besonderes Interesse haben die ehemaligen Absolventinnen des Instituts, welche die Gelegenheit für ein gemeinsames Treffen nutzen», sagt Hermann Wilhelmstätter. Einige Absolventinnen sind auf einem Wandbild im ehemaligen Fernsehraum des Instituts verewigt.

Falls die kulturelle Veranstaltung ein Erfolg wird, möchte der Oftringer in Zukunft weitere Aufführungen mit dem Einverständnis der Schwestern planen – falls die Marienburg bis dahin nicht verkauft wurde (wir berichteten).

Geschichtsträchtiger Ort: Schloss Wikon und das Benediktinerinnenkloster Marienburg

Mittelalter: Das Schloss von Wikon gehörte in ältester Zeit den Grafen von Frohburg.

1798: Bis zum Einmarsch der Franzosen residieren Luzerner Landvögte auf dem Schlosshügel. Der letzte, Karl Josef von Hertenstein, bringt die Wertsachen nach Luzern in Sicherheit. Das Schloss wird teilweise zerstört, Geld für den Unterhalt fehlt.

1801: Die Gemeinde Wikon kauft dem Kanton die Gebäude für 19 600 Franken ab.

1859: Die Korporationsgemeinde Wikon erwirbt die Gebäude für 4800 Franken.

1890: Pfarrer Josef Leupi aus Oberkirch kauft das Schlossgut. Er ist ein Neffe der Ordensschwester Gertrud Leupi aus Wikon, Mitbegründerin des Klosters Maria Rickenbach (NW) und des Klosters Maryville-Yankton in den USA. Auf dem Schlossberg will sie Ordensschwestern für die «Indianer-Mission» in Süd-Dakota ausbilden.

1891: Beginn des klösterlichen Lebens der Benediktinerinnen in der «Marienburg» und Eröffnung des Mädcheninstitutes

1904: Gründerin Schwester Gertrud Leupi stirbt in Wikon.

1916: Gründung des Hilfsvereins Marienburg

1933–34: Bau des Schwesternhauses

1956 und 1970–1972: Die Institutsanbauten werden erstellt.

1973: Die Marienburg wird vom Institut zum Kloster. Wegen des «Klosterartikels» in der Bundesverfassung waren Neugründungen 100 Jahre lang verboten – bis zur ersatzlosen Streichung des Artikels 1973. Davor unterstand das Wikoner Kloster rechtlich Yankton und später Maria Rickenbach.

2003: Mädchenschule und Internat schliessen wegen Personalmangels.

2004–2010: Das Kompetenzzentrum Gesundheit Zentralschweiz bildet Fachangestellte Gesundheit auf Marienburg aus.

2013 zählt das Kloster noch 11 Schwestern.

2014–2015: Temporäre Unterkunft von 40 Pensionären des Alters- und Pflegezentrums Waldruh, Willisau

2019 Die letzten Schwestern ziehen ins benediktinische Zentrum Sarnen.

 

Quellen: Kloster-Wikon.ch und Historisches Lexikon der Schweiz)