
Patrick Räbmatter ist das sanfte und hungrige Einhorn aus Uerkheim
Auf dem Weissenstein bringt Patrick Räbmatter Samuel Giger an den Rand einer Niederlage. (Bild: Keystone/Peter Klaunzer) Auf dem Weissenstein bringt Patrick Räbmatter Samuel Giger an den Rand einer Niederlage. (Bild: Keystone/Peter Klaunzer) Auf dem Weissenstein bringt Patrick Räbmatter Samuel Giger an den Rand einer Niederlage. (Bild: Keystone/Peter Klaunzer)
Obwohl er hier Stammgast ist, zieht Patrick Räbmatter die Blicke noch immer auf sich, wenn er den Gasthof Sonne in Uerkheim betritt. Mit seinen gut 150 Kilogramm ist der 27-Jährige eine imposante Erscheinung. Das Haar nach hinten geliert, die Oberarme muskelbepackt. Auf dem linken hat sich «Räbi», wie ihn alle nennen, jenen Tag in Form eines Tattoos verewigen lassen, der sein Leben als Schwinger verändert hat. Es ist der Kranz aus Eichenlaub, den er 2016 beim Eidgenössischen Schwingfest in Estavayer-le-Lac gewann und der aus ihm einen «Eidgenossen» machte.
«Damals ist für mich ein Traum wahr geworden. Weil ich diesen Traum nicht Tag und Nacht tragen kann, habe ich ihn mir verewigen lassen», sagt Räbmatter. Auf dem Unterarm hat er sich einen Alpaufzug stechen lassen. Die beiden Tattoos seien für ihn auch Motivation für die nächsten drei Jahre.
Schwingkeller, Kraftraum und Familienbetrieb
Nun steht bereits das Eidgenössische Schwingfest 2019 in Zug vor der Tür. Und Räbmatter hat in der Vorbereitung keinen Aufwand gescheut. Fünf bis sechs Mal in der Woche ist er im Schwingkeller bei Trainer Mathias Arnold, dazu stählt er seinen Körper mindestens zwei Mal in der Woche unter Giovanni Arcadio im Kraftraum. Räbmatter betreibt den Aufwand eines Profis, wie so viele im Amateursport Schwingen. Daneben arbeitet er als Disponent und Chauffeur im Familienbetrieb, einem Transportunternehmen mit über 60 Angestellten, das der gelernte Metallbau-Praktiker dereinst übernehmen soll. Auf einer dieser Fahrten hat er auch schon eine Matratze an Tennis-Spieler Roger Federer ausgeliefert, wie er mit einem Glänzen in den Augen erzählt.
Inzwischen wird im Gasthof Sonne, «der einzigen Beiz im Dorf», wie Räbmatter sagt, der Hauptgang serviert: Rumpsteak mit Kräuterbutter, dazu Pommes Frites und Gemüse. Zum Trinken hat er sich einen Eistee bestellt. «Bier trinke ich eher weniger, lieber mal ein Panaché.» Sowieso ist er ein Genussmensch. Auch das Rauchen lässt er sich nicht nehmen. Einmal habe er mit einer Diät ein paar Kilogramm abgenommen, sich dabei aber nicht besonders wohl gefühlt, sagt er. Er isst, worauf er Lust hat.
Nichts dokumentiert das besser als eine Episode von vor vier Jahren, als er mit dem Sieg beim «Basellandschaftlichen» seinen bisher grössten Erfolg feierte. Während sein Konkurrent sich vor dem Schlussgang in die Kabine zurückzog, setzte sich Räbmatter an einen Tisch mit seinen Liebsten und ass ein Paar Schweinswürste.
Gross ist auch Räbmatters Appetit auf Wettkämpfe. An bis zu 20 Festen nimmt er pro Jahr teil. Er sagt, er sei einer, der erst spät in Fahrt komme. Das ist in diesem Jahr anders. In einem Schlussgang stand er zwar noch nicht, belegte im Frühjahr in Oberarth aber den geteilten ersten Rang und profitierte in Oberdorf von einem Gestellten im Schlussgang. Acht Kränze hat er 2019 bereits erkämpft. Es ist seine bisher beste Saison, doch es fehlt der Glanzpunkt. Eine leise Enttäuschung gab es beim Aargauer Kantonalen in Zofingen mit Rang 4b.
Blanke Haut am Arm und die Feiern in der Sonne
Doch das Lamentieren ist nicht seine Sache. Seine Statur passt so gar nicht zu seinem Wesen – ruhig, bodenständig, stets freundlich, zupackend. So passt es auch, dass er beim Aargauer «Kantonalen» bei den Vorbereitungen mithalf und am Tag vor seinem Einsatz im Rahmen des Jungschwingertags das Rechnungsbüro tatkräftig unterstützte. Eine zentrale Rolle in seinem Leben spielt auch die Familie. Auf seiner Wade hat Räbmatter sich die Buchstaben P, J und M tätowiert – umrandet mit zwei Sternen. «Das symbolisiert meine Familie.» Das P steht für ihn, das J für Schwester Jasmin, das M für Bruder Mathias, die zwei Sterne für die Eltern. Die Ellenbogen zieren zudem zwei grosse Sonnen. Als Erinnerung an seinen Grossvater.
Noch nicht tätowiert ist der rechte Oberarm. Doch sollte Räbmatter in Zug vor 56500 Zuschauern seinen zweiten eidgenössischen Kranz holen, könnte sich das ändern. Die Vorfreude darauf ist spürbar. «Wenn ich an den Samstag denke, an die vielen Leute und die Hymne, dann ist das schon Gänsehaut pur.» Gefeiert werden Erfolge jeweils nicht nur im Familienbetrieb, sondern auch in der «Sonne», der einzigen Beiz im Dorf. Das passt, denn Patrick Räbmatter ist als einziger Schwinger und Böser im Dorf auch so etwas wie ein Einhorn. Ein sanftes zwar, aber auch ein hungriges.