Das Kreuz mit den Medikamenten

Zu Tabletten und Pülverchen greife ich sehr selten. Mein Immunsystem und das meiner Kinder scheint intakt. Die Tage, an denen jemand von uns krank das Bett hüten muss, lassen sich an einer Hand abzählen. Trotzdem wollte ich für die Sommerferien gerüstet sein und unsere Reiseapotheke auffrischen. Mit einer Liste – etwas gegen Durchfall, Schmerzen, Fieber, zur Linderung bei Wespenstichen, allergischen Reaktionen, Halsweh – suchte ich die Apotheke meines Vertrauens auf. Dort bin ich gelegentlich, um eine spezielle Sonnencreme, ätherische Öle oder Kräuter für Teemischungen zu beziehen.

Laut Pharmasuisse gibt es in der Schweiz 1800 Apotheken, täglich finden 340 181 Menschen den Weg in eine. Wie ich an jenem Tag. Die Schlange an der Verkaufstheke ist länger als meine Bestellliste, die ich der Drogistin in die Hand drücke. Während sie meine Medikamente zusammensucht, erlebe ich, wie vielfältig und anspruchsvoll die Arbeit in einer Apotheke ist.

Da ist jene Frau, die mit tränenden Augen und Rotznase irgendetwas von «Allergie» und «Heuschnupfen» stammelt, ein Glas Wasser, einen Nasenspray und als Aufsteller ein buntes Päckchen Taschentücher erhält. Als Nächstes verlangt ein Mann etwas gegen Nagelpilz. «Ist nur eine Zehe betroffen, juckt es, ist auch die Haut befallen?», erkundigt sich die Pharma-Assistentin. «Bin ich hier in einem Verhör oder in einer Apotheke?», enerviert sich der Kunde, der mit einer Tinktur das Haus verlässt und mit dem Tipp, seine Füsse mal dem Hausarzt zu zeigen. Dann verschwindet eine der Angestellten mit einer schwangeren Frau, um ihr Stützstrümpfe anzupassen, ehe ein Dorforiginal das Geschäft betritt. Oder eher mit der Bierdose in der Hand hineinstolpert. Nennen wir ihn Miro. Er ist Stammkunde, holt regelmässig Methadon ab. Geduldig und mit Humor lässt sich der Apothekeninhaber auf Diskussionen mit Miro ein, ob da was an der Dosis zu schrauben sei oder man ihm «eifach no öpis anders» geben könne. Miro trinkt soeben sein Säftchen, als meine etwas schwächeren «Drogen» bereit sind und ich zur Kasse schreiten kann.

Zwei Wochen später stehe ich wieder in einer Apotheke – aber in Südfrankreich. Salzwasser, Sonne, Staub und Wind haben den Augen meiner Tochter arg zugesetzt. Zum Glück gibt es en France jene Medikamententempel mit dem neongrün blinkenden Kreuz wie Sand am Meer. Nun bin ich es, die auf Französisch etwas von «Allergie» stammelt, von den Fragen der Drogistin (sprachlich) leicht überfordert und am Ende wie Miro froh ist, «eifach öpis» gekriegt zu haben, das hilft oder heilt.

Übrigens: Aus unserer Reiseapotheke brauchten wir in den Ferien – nichts.