Stichentscheid der Präsidentin: Steuerabzug für Krankenkassen-Prämien wird nicht verdoppelt

SVP und FDP forderten am Dienstag im Grossen Rat, den Pauschalabzug für Versicherungsprämien und Sparkapitalzinsen für Verheiratete von 4000 auf 8000 Franken, und für die übrigen Steuerpflichtigen von 2000 auf 4000 Franken zu verdoppeln. Zudem sollte man künftig diesen Abzug in regelmässigen Abständen an allfällige Prämienerhöhungen weiter anpassen können.

Nicole Müller-Boder (SVP) vertrat die Forderung im Parlament. Sie argumentierte, seit 2001, also seit bereits 18 Jahren, seien die Abzüge für Einlagen, Prämien und Beiträge für die Lebens-, die Kranken- und die Unfallversicherung sowie für die Zinsen von Sparkapital nie nach oben angepasst worden.

2001 betrug die Durchschnittsprämie der obligatorischen Krankenversicherung 2281 Franken. 2017 belief sie sich bereits auf 5364 Franken, «was einem Anstieg von 135 Prozent entspricht», so Müller-Boder. Die heutigen Pauschal-abzüge bei den Steuern seien nicht mehr angemessen. Eine Anpassung an die aktuellen Verhältnisse sei dringend.

Bürger verlieren Kaufkraft

Dem von der Regierung geltend gemachten Einnahmenverlust von 88 Millionen Franken beim Kanton und von 81 Millionen bei den Gemeinden hielt sie entgegen, heute verlören die Bürger wegen der hohen Prämien laufend Kaufkraft. Gewiss löse man mit dem Vorstoss das eigentliche Problem nicht, räumte Müller-Boder ein. Man beseitige aber ein Ungleichgewicht im Steuergesetz. Obwohl Mitteparteien signalisierten, ein weniger verbindliches Postulat anstelle der vorliegenden SVP-FDP-Motion zu unterstützen, blieben letztere bei der verbindlichen Motion. Man würde sonst zu viel Zeit verlieren, begründete dies Silvan Hilfiker (FDP).

In der Debatte wurde das Problem mit den hohen Prämien reihum bestätigt. Der Steuerabzug solle künftig nahe beim effektiven Aufwand liegen, plädierte etwa Uriel Seibert für die EVP-BDP-Fraktion. Es brauche aber eine haushaltsverträgliche Lösung. Gewiss erhöhe auch der Bund die Abzüge, aber nur auf 3000 bzw. 6000 Franken. Zudem befürchtet Seibert, dass bei einem Pauschalabzug von 4000 bzw. 8000 Franken etliche Personen sogar mehr abziehen könnten, als sie tatsächlich an Prämien zahlten.

Mehr Prämienverbilligungen

Ganz anders tönte es bei der SP und bei den Grünen. Der Vorstoss gebe vor, die Sorgen der Menschen aufzunehmen, kritisierte Viviane Hösli (SP), und verwies auf die damit drohenden hohen Steuerausfälle. Hösli: «Es stimmt, die Prämien sind eine grosse Belastung. Dagegen muss dringend etwas getan werden. Doch dieser Weg hilft den falschen.» Denn mit dem Steuerabzug profitierten nur Leute mit hohen Einkommen. Es wäre besser, die Prämienverbilligungen nach oben anzupassen, sagte die SP-Vertreterin.

Finanzdirektor Markus Dieth warb mit Hinweis auf die Steuerausfälle schliesslich für Ablehnung der Motion. Die Regierung sei aber bereit, sie als Postulat entgegenzunehmen, da man tatsächlich etwas machen müsse, und der Aargau im Vergleich zu anderen Kantonen einen relativ geringen Pauschalabzug kennt. Man solle aber zuerst analysieren, wie sich Prämien und Sparzinsen seit 2001 entwickelt haben, aber auch, wie man Mindererträge kompensieren könne, sagte Dieth.

Nein mit Stichentscheid

Schliesslich war der Rat abstimmungsreif. SVP, FDP und EDU stimmten für die Motion; CVP, EVP, GLP, BDP, Grüne und SP sagten Nein. Es resultierte ein 63 : 63-Stimmen-Patt. In so einer Situation muss die Ratspräsidentin den Stichentscheid fällen. Das tat Renata Siegrist (GLP). Mit ihrem Nein scheiterte der Vorstoss hauchdünn.

CVP bringt neuen Vorstoss

Mit dem Nein von gestern ist das Thema aber nicht abgehakt, denn die steigenden Prämien tun wirklich weh. Die AZ weiss, dass die CVP-Fraktion schon nächsten Dienstag mit einem neuen Vorstoss eine Erhöhung des Pauschalabzugs für Versicherungsprämien und Sparkapitalzinsen fordern wird. SVP und FDP hätten mit dem gestern abgelehnten Vorstoss «überbissen», so die CVP-Auffassung. Die Mittepartei setzt jetzt auf eine moderatere Lösung, vertreten durch Fraktionschef Alfons Kaufmann. Die AZ kennt bereits die wesentlichen Inhalte des Vorstosses.

Demnach soll die Regierung beauftragt werden, den Pauschalabzug für Versicherungsprämien und Sparkapitalzinsen «unter Berücksichtigung der Prämienverbilligungspraxis zu erhöhen». Mit einer entsprechenden Gesetzesänderung sei zudem ein geeigneter Mechanismus zu prüfen, «damit der Abzug in regelmässigen Abständen an eine allfällige Kostenentwicklung angepasst werden kann».

Auch die CVP begründet ihren Vorstoss damit, dass die Pauschalabzüge letztmals vor 18 Jahren festgelegt wurden. Deswegen seien sie «nicht mehr angemessen und müssen an die aktuellen Verhältnisse angepasst werden». Bei der Anpassung sei die Gesamtsicht der Belastungen durch die Krankenkassenprämienentwicklung, die Prämienverbilligungsgesetzgebung und die allgemeine Entwicklung für die Versicherungsprämien und Sparkapitalzinsen zu berücksichtigen, zu prüfen und einzubeziehen. Dies verlangt der Vorstoss, der nächsten Dienstag eingereicht wird. Dann wird auch über die Höhe der Prämienverbilligung entschieden.