Die Erzo und ihre einstigen Träume

Die Kehrichtverbrennungsanlage (KVA) der Erzo in Oftringen wird zu einer Fussnote in der Geschichte des Wiggertals – aus technischen und wirtschaftlichen Gründen muss der Ofen zwischen 2025 und 2030 stillgelegt werden. Es fehlt an genügend «hausgemachtem» Kehricht, um eine neue Anlage auslasten zu können. Vor 20 Jahren sah die Welt völlig anders aus. Mit einem landesweiten Deponieverbot für Güsel im Jahr 2000 waren die Kehrichtberge vor den KVA so stark gewachsen, dass selbst Insider überrascht waren.

66 000 Tonnen verbrannte die KVA Oftringen damals – weitere 5000 Tonnen kamen in ein Zwischenlager. «Wir sind absolut an der obersten Limite», hiess es beim Verband Erzo. Umgehend haben die Übermengen auf dem Abfallmarkt den Ruf nach Ausbau und neuen Anlagen ausgelöst – auch bei der Erzo.

Einig war man sich damals in der Branche, dass für den Aargau an sich kein zusätzlicher Ofen nötig ist. Die Anlage in Oftringen wurde zur Hälfte aus dem «Gall», dem Gemeindeverband für Abfallentsorgung Luzern-Landschaft, bestückt – Kehricht, der heute in Perlen verbrannt wird. «Wenn Oftringen ausbaut, haben wir in fünf Jahren Überkapazitäten, da bin ich fast sicher», sagte Fachmann Peter Meer seinerzeit. Da er von Berufes wegen Direktor der KVA Turgi und damit «Konkurrent» war, wurde seine Warnung bei der Erzo nicht weiter ernst genommen. Lediglich Erzo-Geschäftsleiter Thomas Müller gab unumwunden zu: «Die Zukunft des Kehrichts voraussagen, ist wie Kaffeesatz lesen.»

Im Wiggertal machte man sich 2002 dennoch an die Planung neuer Öfen. Der damalige Erzo-Präsident sagte, der Vorstand favorisiere «die zukunftssichernde Maximallösung». Dies hiess Parallelbetrieb von zwei Öfen und Investitionen von 85 Millionen Franken. Nicht mit Zahlen belegt wurde die entscheidende Frage, ob der Import aus der Innerschweiz für eine optimale Auslastung langfristig genügt. Dies störte die Abgeordneten nicht – sie und der Vorstand ärgerten sich vielmehr über die nicht «wohlwollende» Berichterstattung des Zofinger Tagblatts. «Die Abgeordneten aus den 13 KVA-Verbandsgemeinden machten ihrem Ruf als Jasager-Klub alle Ehre und bewilligten den gewaltigen Brocken von 85 Millionen Franken mit 16 zu 2 Stimmen», hiess es im Tagblatt-Artikel.

Ein «Komitee sauberes Wiggertal» wurde aus der Taufe gehoben und nannte primär wirtschaftliche Gründe, welche gegen den Ausbau sprachen. Die Basis der Argumentation lieferte eine Buwal-Studie. Sie ging von einer halben Million Tonnen Überkapazität in den Schweizer Verbrennungsanlagen ab dem Jahr 2006 aus. Bezogen auf die Erzo: Nur 30 Prozent des Abfalls stamme aus den 13 Erzo-Verbandsgemeinden, die das ganze Risiko tragen müssten – ohne im Gegenzug Vorteile zu bekommen.

Mit den 85 Millionen Franken ergebe sich umgerechnet ein Risiko von 1500 Franken pro Einwohner, rechnete die Opposition vor und bekam Support aus dem Kreis der Gemeindebehörden. So stellte der Gemeinderat Aarburg fest, sein Städtchen trage ein Risiko von 8,5 Millionen Franken (Oftringen von 16,7 Millionen, Zofingen von 15,3 Millionen). Gleichzeitig wurde auf die 2010 auslaufenden Lieferverträge mit Waldshut und Luzern Landschaft hingewiesen.

Das Referendum gegen die zweite Ofenlinie führt im Verband Erzo erstmals zu einer Volksabstimmung. Die ging mit 71,6 Prozent Nein-Stimmen in allen Vertragsgemeinden verloren. Auf dem Fuss gab der Erzo-Vorstand eine Studie ein zur Berichterstattung der Medien – insbesondere des Zofinger Tagblatts – in Auftrag. Das «Gutachten» taxierte die aus Sicht des Erzo-Vorstands «tendenziösen» Zeitungsartikel als in Ordnung.