
«Lyrik im Kloster»: Flüstern, damit es alle hören
Babette Werth nahm die zahlreichen Besucherinnen und Besucher im Abtsaal des ehemaligen Klosters in St. Urban mit in ihre ganz besondere Welt. Die Lyrikerin und freischaffende Künstlerin erzählte mit leiser Stimme verschiedene Anekdoten aus ihrem Leben, immer wieder unterbrochen von Gedichten. Zum Einstieg berichtete sie über die Nostalgie der Handschrift. «Postkarten, Notizen und Einkaufszettel sind letzte Überbleibsel einer handschriftlichen Zeit», sagte Werth. Früher habe sie viele Handschriften gekannt und wusste sofort, wer geschrieben hatte. «Die Art des Schriftbildes verknüpfte ich flugs mit dem Autor des Briefes.» Auch das Warten auf einen Brief sei sozusagen ein Wunder jener Zeit gewesen. Als sie vor zwei Jahren wieder Briefe aus alten Zeiten zu sortieren begann, sei sie eingetaucht in eine andere Welt. «Die Briefe sind weit gereist: von Deutschland in die Schweiz, nach Sils im Engadin, Zürich, Luzern, Ammerswil, Barcelona und zuletzt nach Berlin.»
Begleitet von zarter Musik
Abwechslungsreich und überaus einfühlsam schreibt sie in ihren verschiedenen Büchern über die Natur. Weitere Themen sind Beziehungen, der Ruhestand und auch das Altwerden. Eine innige Beziehung hat die Autorin zu Irland – sie reiste mehrfach in den Süden der Insel. Verschiedene Texte aus dem Reisetagebuch las sie vor. Über die speziellen Lichtverhältnisse, den Wind berichtete sie und auch über Tiere. Sie erzählte, wie sie sich nach der Ankunft im Land zuerst ein wenig ortsfremd fühlte. «Ich wollte ein wenig Zuhause zu mir holen. Eine SMS lesen, die so ähnlich war wie ein mitgenommenes Butterbrot, an zu Hause erinnert oder einfach danach duftet.»
Zum Einstieg in die Lesung, aber auch immer wieder zwischen den Texten, spielte Hansruedi Zeder aus Hochdorf auf dem ganz speziellen und neugebauten Clavichord. Bevor die Lesung im Abtsaal überhaupt starten konnte, musste der Pianist das mitgebrachte Instrument längere Zeit stimmen. Zeder erklärte, dass das Clavichord (auch Klavichord) ein Tasteninstrument aus der Familie der Chordophone ist. Der Tonumfang des Clavichords betrug anfangs zweieinhalb bis drei Oktaven, seit Mitte des 16. Jahrhunderts etwa vier, im 18. Jahrhundert fünf Oktaven und mehr. Die extrem feinen Töne, welche Hansruedi Zeder dem Instrument entlockte, stammten grösstenteils aus europäischen Werken und im Speziellen auch aus Irland – eigens für das «leise Instrument» arrangiert. Zeitweise hätte man wohl den Aufprall einer Stecknadel auf dem Boden gehört.
Zum Abschluss äusserten sich verschiedene Besucherinnen und Besucher überaus positiv zu der besonderen Veranstaltung. «Sowohl die Texte wie auch die Musik verlangten, dass man die Ohren schärfte», sagte eine Besucherin. Babette Werth lobte auch die aussergewöhnliche Zusammenarbeit mit dem Musiker als wunderbare Erfahrung.
Eine Auswahl an Werths Gedichtbänden: «Die Tinte steht im Mond», «Meine Seele im Zahnputzglas», «Wenn die Sonne baden geht», «Letzte Mondflecken», «Die Jakobsmuschel meditiert».