Ob Lehrerin oder Ärztin – Teilpensen sind gefragt

Schuljahr für Schuljahr: Experten und Schulpflegen malen den Lehrermangel wie einen Teufel an die Wand. Eine Klasse ohne Lehrperson gab es danach nie – bis jetzt. Alleine im Aargau sind mit Blick auf das nächste Schuljahr über 200 Vollzeitstellen nicht besetzt. Das dürfte sich einmal mehr kaschieren lassen – indem im Herbst vor der einen oder anderen Schulkasse eine für ihre aktuelle Aufgabe nicht adäquat ausgebildete Lehrperson stehen wird.

Was sind die Gründe? Einer ist demografisch-arithmetischer Natur. Bis 2025 werden schweizweit 120 000 zusätzliche Schülerinnen und Schüler in den Klassenzimmern sitzen – während in den nächsten Jahren Tausende Lehrkräfte, welche der Babyboomer-Generation entstammen, in Rente gehen. Der Schweizer Bildungsbericht rechnet vor, dass die Volksschule pro Jahr mehr als 10 000 neue Pädagogen benötigt. Weshalb so viele? Das hängt auch damit zusammen, dass rund 20 Prozent der frisch ausgebildeten Lehrkräfte ihren Beruf bereits innerhalb der ersten fünf Jahre aufgeben.

Für junge, nicht karriereorientierte Leute hat der Lehrerberuf etwas Verlockendes. Mit dem Lehrerdiplom in der Tasche kann man ohne Existenzängste aussteigen – eine Zeit lang schlecht entlöhnt kreativ tätig sein oder auf Weltreise gehen. Danach zumindest eine Stellvertretung zu finden, gilt als sicher.

Apropos Stellvertretungen. Solche, wie auch Teilzeitpensen, sind im Lehrerberuf gefragte Anstellungen. Spitzenreiter ist hier der Aargau. Rund die Hälfte der Aargauer Primarlehrerinnen und -lehrer unterrichten in einem Pensum unter 50 Prozent. Nicht so im Kanton Genf – dort werden Lehrerstellen nur zu 100 Prozent oder in zwei Halbpensen ausgeschrieben. Dieses Vorgehen ist wohl die effektivste Art, den Lehrermangel zu beheben. Sollte auch der Aargau den Genfer Weg beschreiten? Nein, Zwang – rund 80 Prozent der Primarlehrkräfte sind Frauen – dürfte bei uns nicht zu einem Mehr an Lehrerstunden, sondern zu Kündigungen führen.

Die Situation erinnert frappant an jene bei den Haus- und Kinderärzten. Auch hier klaffen zwei Zahlen stärker und stärker auseinander. Es fehlen mehr und mehr Allgemeinpraktiker, während die Lebenserwartung und auch die Geburtenzahl ansteigen.

Wo bleibt der Ärzte-Nachwuchs? Interessentinnen und Interessenten für ein Medizinstudium gäbe es genügend – wäre da nicht eine Zugangsbeschränkung, ein Numerus clausus. Der zielt auf den Umstand ab, dass zu viele Ärztinnen und Ärzte Spezialistinnen und Spezialisten werden wollten. Das hat aus Sicht der Gesundheitsökonomen massiv zum Anstieg der Gesundheitskosten beitragen. Hier kann und muss die Politik die Weichen neu stellen – zugunsten der Hausärzte.

Löst dies das Problem? 66 Prozent der Studierenden sind Frauen. Und wie bei den Lehrkräften nimmt die Teilzeitarbeit zu. Laut FMH sind bereits 73,2 Prozent der in Praxen tätigen Ärztinnen Teilzeitlerinnen. Bei den Männern sind es momentan 31 Prozent.

Zurück zu den Lehrern. Sind sie zu schlecht bezahlt? Die Aargauer im interkantonalen Vergleich ja. Aber: Eine Lehrerbefragung hat ergeben, dass Kindergärtnerinnen mit ihrer Arbeitssituation zufriedener sind als die deutlich besser verdienenden Gymnasiallehrkräfte.